zum Hauptinhalt
Auszug. Die bulgarischen Wanderarbeiter mussten die Eisfabrik in Mitte verlassen.

© dpa

Nach Räumung der Eisfabrik: Mitte fordert gesamtstädtische Lösung für bulgarische Wanderarbeiter

Die einstige Eisfabrik in Mitte wird seit Montag von einem Wachdienst gesichert, über den Umgang mit den Bulgaren, die dort campiert hatten, wird weiter diskutiert. Der Bezirk Mitte will die anderen Bezirke in die Pflicht nehmen - doch die Situation ist komplex.

Von Sabine Beikler

Die baufällige Eisfabrik in der Köpenicker Straße in Mitte wird seit Montag von einem Wachdienst gesichert. Zuvor vergewisserte sich ein Mitarbeiter des Bauamtes, dass das Gebäude unbewohnt ist. Laut Baustadtrat Carsten Spallek (CDU) sind drei Personen angetroffen worden, denen von der Polizei ein Platzverweis ausgesprochen wurde. Diesen hätten sie anstandslos befolgt. Der Gebäudeeigentümer, die Bochumer Telamon GmbH, habe dann die Sicherung übernommen.

Von den ehemals 50 illegalen Bewohnern werden 20 Bulgaren bis zum 6. Januar in einem Kreuzberger Hostel untergebracht. Das Bezirksamt Mitte hat am Montag die Übernahme der Kosten in Höhe von rund 2500 Euro zugesichert. „Danach brauchen wir eine gesamtstädtische Lösung“, sagte Stephan von Dassel (Grüne), Stadtrat für Soziales und Bürgerdienste, dem Tagesspiegel. Von Dassel will sich mit anderen Bezirken und dem Senat in Verbindung setzen. Denn die Situation ist komplex. Da die Mehrzahl der Betroffenen keine Meldeadresse in Berlin hat, wäre die Zuständigkeit auf einzelne Bezirke verteilt worden. Die Zuständigkeit richtet sich nach dem Anfangsbuchstaben des Nachnamens. „Im Sinne einer schnellen und unbürokratischen Lösung“ bestehe der Bezirk jedoch nicht auf die Einhaltung dieser Regelung, sagte von Dassel.

Voraussetzung für die Kostenübernahme war die Vorlage eines gültigen Ausweisdokumentes. Das Verwaltungsgericht hatte festgestellt, dass der Bezirk für die Unterbringung zuständig sei, da die Betroffenen durch eine Räumung der Eisfabrik obdachlos geworden wären. Zum Jahreswechsel erhalten Rumänen und Bulgaren die volle Arbeitnehmerfreizügigkeit. Dann dürfen sie in anderen EU-Ländern ohne Arbeitserlaubnis leben und arbeiten. Bundesweit rechnet die Bundesagentur für Arbeit mit 100000 bis 180000 Zuwanderern aus Osteuropa. Es gibt keine Zahlen, wie viele bulgarische und rumänische EU-Bürger in Berlin erwartet werden. „Aber alle Einschätzungen gehen in die Richtung, dass der überwiegende Teil der Zuwanderer hier Arbeit finden wird“, sagte Mathias Gille, Sprecher der Senatsarbeitsverwaltung.

2012 lebten rund 16000 Bulgaren und etwa 8800 Rumänen in Berlin. Vor allem die Zahl bulgarischer Zuwanderer ist gewachsen – deutlich stärker als die von Italienern, Portugiesen, Spaniern und Rumänen. In seinem aktuellen Bericht weist das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) darauf hin, dass zur Jahresmitte rund 60 Prozent der Bulgaren und Rumänen in Deutschland erwerbstätig waren. Allerdings hätten 46 Prozent der zugewanderten Osteuropäer keine abgeschlossene Berufsausbildung.

Ökonomische und soziale Probleme würden sich auf Kommunen wie Duisburg, Dortmund und Berlin konzentrieren. In diesen Städten würden viele Bulgaren und Rumänen leben, die weder erwerbstätig sind noch Transferleistungen beziehen. Wer nach Deutschland kommt und arbeitslos bleibt, erhält in der Regel keine Leistungen. Bei gering bezahlter Beschäftigung hat man Anspruch auf ergänzende Leistungen nach Hartz IV. Das IAB rät den Kommunen, gering qualifizierte Zuwanderer gezielt weiterzubilden.

Zur Startseite