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Schwergewichte. Im Naturschutzgebiet Fließtal im Berliner Bezirk Reinickendorf wurden Wasserbüffel 2015 zur Beweidung der Sumpfwiesen angesiedelt. Foto: imago

© Jürgen Ritter/imago

Nach tödlichem Unfall in Brandenburg: Befreiten Tierschützer die Wasserbüffel aus dem Zirkus?

Zwei Wasserbüffel entlaufen aus einem Zirkus und verursachen einen Unfall, bei dem ein Mann stirbt. Das Unternehmen steht seit Jahren in der Kritik.

Am Tag nach dem Unglück findet Talina Scholl vom Circus Busch noch immer kaum Worte für das, was da in den frühen Morgenstunden des Vortags passierte. „Das war ein schrecklicher Unfall“, sagt sie am Telefon. Ihre Stimme zittert. In unmittelbarer Nähe des Circus ist am Morgen zuvor ein Autofahrer gestorben, nachdem er mit seinem Skoda mit zwei Wasserbüffeln des Circus kollidierte. Der tödliche Unfall bringt die Betreiber des Circus Busch in Erklärungsnot – zum wiederholten Mal.

Es ist sechs Uhr, als Sabu und Ratscha, die zwei neunjährigen Wasserbüffel, am Dienstag auf die Bundesstraße 102 in der Nähe der alten Ziegelei im brandenburgischen Treuenbrietzen südlich von Potsdam laufen. Der Skoda eines 56-Jährigen kollidiert aus noch nicht geklärten Gründen mit den beiden Tieren, gerät mit seinem Wagen ins Schleudern und prallt gegen einen Straßenbaum. Ein Ersthelfer kann den eingeklemmten 56-Jährigen noch aus dem Auto bergen und Erste-Hilfe leisten, doch ein alarmierter Notarzt kann wenig später nur noch den Tod des Mannes feststellen.

Auch für die Tiere endet der Unfall tödlich

Auch für die beiden Wasserbüffel endet der Unfall tödlich. Der eine Wasserbüffel verendet nach Angaben der Polizei direkt nach der Kollision, der andere muss mit einem Gnadenschuss durch einen Polizisten von den Qualen seiner schweren Verletzungen erlöst werden. Die Bundesstraße 102 wird für die Bergung des Unfallwagens und der beiden 500 Kilo schweren Tiere für vier Stunden gesperrt.

Am Tag darauf beschäftigt Talina Scholl, Mitarbeiterin und Tochter des Circus-Chefs, vor allem die Frage, wie die beiden Wasserbüffel auf die Straße gelangen konnten. „Offenbar ausgebrochen“, heißt es dazu in einer ersten Polizeimeldung, doch Scholl hat Zweifel. „Das wäre niemals möglich gewesen. Die Tiere wurden freigelassen“, sagt sie und verweist auf zerschnittene Spanngurte. Auch sieben Hunde, ein Lama und ein Pferd seien am frühen Morgen auf einmal frei gewesen.

Scholl berichtet, dass sich in den vergangenen vier Monaten – solange campiert der Circus bereits auf dem Grundstück nahe Treuenbrietzen – fünf Mal ihre Tiere aus den Gehegen befreien konnten. Trotz eines nächtlichen Wachschutzes, den die Circus-Mitarbeiter selbst organisierten, konnten nie Menschen beobachtet werden, die den Tieren bei der Flucht halfen. „Ob es Tierschützer waren, wissen wir nicht, aber ohne Hilfe von Menschen ging es jedenfalls nicht“, sagt Scholl. Die Circus-Besitzer haben inzwischen Anzeige gegen Unbekannt wegen Sachbeschädigung erstattet, die Kriminalpolizei ermittelt nun.

Zweifel an der artgerechten Haltung der Büffel

Beim Deutschen Tierschutzbund hat man kein Verständnis für die Argumentation des Circus. „Obwohl in der Regel marode Gehege und unzureichende Zäune für Ausbrüche von Zirkustieren verantwortlich sind, wird die Schuld dann gebetsmühlenartig Tierschutzaktivisten zugeschoben“, sagt Pressesprecherin Lea Schmitz. Sie kritisiert, dass eine artgerechte und verantwortbare Tierhaltung in einem reisenden Circus-Betrieb generell nicht möglich sei. Die Betreiber des Circus Busch seien den Tieraktivisten bereits häufiger negativ in Sachen Tierschutz aufgefallen.

Tatsächlich sorgte ein Spaziergang durch Pankow mit den beiden Elefanten des Circus Busch, Maya und Nanda, im April 2016 für große Aufregung. Die Bahn musste ihren Zugverkehr einstellen, die Bundespolizei schickte einen Hubschrauber in die Luft. Der Vorfall endete glimpflich, doch die Kritik an der Haltung der beiden Elefanten, die zuvor mehrfach ausgebrochen waren, hielt an. Inzwischen wurde Nanda in den Karlsruher Zoo abgegeben, ihre langjährige Gefährtin Maya aber wurde an einen ungarischen Circus verkauft, wo sie nun isoliert durch die Ukraine tourt.

Für den Circus Busch hat der tödliche Unfall Konsequenzen. In Treuenbrietzen, wo der Zirkus nach einem Streit in der Geschäftsleitung vier Monate gastierten, soll es keine Auftrittserlaubnis geben. In zwei Wochen will der Zirkus deshalb weiter nach Luckau westlich von Cottbus ziehen. Für die beiden Wasserbüffel Sabu und Ratscha ist die Zeit mit dem reisenden Volk dagegen nun vorbei. Sie endete auf der Bundesstraße 102, ebenso wie das Leben eines 56-Jährigen.

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