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Tegel soll bleiben - zumindest bis 2018, geht es nach Hartmut Mehdorn.

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Update

Neuer Hauptstadtflughafen BER: Hartmut Mehdorn will Tegel bis 2018 in Betrieb lassen

Hartmut Mehdorn hat ungeachtet aller Widerstände seine Pläne bekräftigt, Tegel länger als bisher vorgesehen in Betrieb zu halten. Bis 2018 sollen hier noch Maschinen starten und landen. Zuvor hatte er bereits mit seinem Vorstoß für geringere Schallschutzstandards am BER für Entsetzen gesorgt.

Der Chef des Hauptstadtflughafens, Hartmut Mehdorn, hat ungeachtet aller Widerstände seine Überlegungen bekräftigt, den Berliner Flughafen Tegel länger als bisher vorgesehen in Betrieb zu halten. Er möchte dort auch noch im Jahr 2018 Maschinen starten und landen lassen. Das sei notwendig, wenn die nördliche der beiden Start- und Landebahnen am neuen Hauptstadtflughafen in Schönefeld saniert wird, sagte Mehdorn am Mittwoch.

„Wenn wir sie erneuern, müsste man sie schließen. Aber mit einer Landebahn kommen Sie da nicht aus.“ Sein Vorschlag sei aber noch nicht beschlussfähig, räumte Mehdorn ein. Brandenburgs Finanzminister Helmuth Markov (Linkspartei) erwiderte: „Der Beschluss ist: Tegel macht zu. Da kann Herr Mehdorn jetzt dreimal sagen, es leuchtet ihm nicht ein."

Zuvor hatte Mehdorn erneut Erschütterungen beim Thema Schallschutz provoziert. Für Entsetzen bei Anrainern, im Potsdamer Landtag und in der Regierung von SPD-Ministerpräsident und BER-Aufsichtsratschef Matthias Platzeck sorgten am Mittwoch publik gewordene Pläne Mehdorns, am künftigen Hauptstadt-Flughafen nach der erst vom Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenurg (OVG) gestoppten jahrelangen rechtswidrigen Billig-Bewilligungspraxis doch noch ein geringeres Schallschutzniveau für rund 30 000 Anwohner durchzusetzen. Wenn Mehdorn ernst macht, steht das „Dialogforum“ von Flughafen und Anrainerkommunen nach Tagesspiegel-Recherchen vor dem Aus.

„Wenn beim Schallschutz wieder getrickst wird, dann hat das Dialogforum keine Basis mehr, dann wird der Betrug an den Anwohnern fortgesetzt. Es ist unverständlich, wie man die Leute erneut so beunruhigen kann“, sagte Ortwin Baier, SPD-Bürgermeister von Mahlow-Blankenfelde, dem Ort unmittelbar an den Start- und Landebahnen, der am stärksten von Fluglärm betroffen sein wird. Am Donnerstag hat Mehdorn die Bürgermeister eingeladen. Bürgerinitiativen sprachen von einer "Kriegserklärung" Mehdorns.

Konkret will der BER-Chef dem Vernehmen nach den geltenden höchstrichterlich bestätigten BER-Planfeststellungsbeschluss aus dem Jahr 2006 mit dem Ziel geringerer Schutzauflagen entschärfen lassen. Zum anderen will Mehdorn trotz Bedenken Brandenburgs juristisch gegen das jüngste Schallschutzurteil des Oberverwaltungsgerichtes Berlin-Brandenburg (OVG) vorgehen, und zwar wegen des Präzedenzcharakters für andere Flughäfen und Infrastrukturprojekte eine vom OVG verweigerte Zulassung der Revision erzwingen. Während sich der Bund und Berlin als Miteigner zurückhalten, droht ein Crash zwischen Mehdorn und BER-Aufsichtsratschef Matthias Platzeck.

Dabei hatte Platzeck sich in der Debatte um eine Etappeneröffnung des BER erst hinter Mehdorn gestellt und im Tagesspiegel dessen „tabuloses Herangehen“ gelobt. Dass Mehdorn nun dabei prompt beim Schallschutz ansetzt, nach dem jahrelangen Missmanagement, Versäumnissen, und systematischen Rechtsbrüchen des Flughafens, sorgt in Brandenburgs Politik für Fassungslosigkeit.

Unklar ist bislang, auf welches Schutzniveau ein förmlicher Antrag des Flughafens auf Änderung des Planfeststellungsbeschlusses gerichtet sein soll. Einen umstrittenen ersten „Klarstellungsantrag“, mit dem der Flughafen 2012 seine rechtswidrige Billig-Bewilligungspraxis der Jahre 2009 bis 2012 - für Schallschutzfenster auf der Grundlage von täglich 6 Überschreitungen des zulässigen Gesprächslautstärke-Grenzwertes - nachträglich legalisieren wollte, war nach dem ersten OVG-Urteil aufgrund eines Aufsichtsratsbeschlusses voriges Jahr zurückgezogen worden.

SPD, Linke, CDU und Grüne lehnten den Vorstoß strikt ab.

Auf Konfrontationskurs: Mehdorn provoziert Platzeck.
Auf Konfrontationskurs: Mehdorn provoziert Platzeck.

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Das OVG hatte damals und jetzt erneut in seinem Urteil klargestellt, dass der geltende Planfeststellungsbeschluss keine einzige Pegel-Überschreitung („Null“) zulässt. Die entsprechende Formulierung hatte der Flughafen einst selbst beantragt. Es sei ein Fehler gewesen, heißt es dazu heute. Brandenburgs Infrastrukturministerium war jüngst gemeinsam mit dem Flughafen beim OVG mit dem Versuch gescheitert, das Schutzniveau leicht abzusenken („0,49“), um den mit 140 Millionen Euro nie ausfinanzierten BER-Schallschutzetat lediglich um 305 Millionen Euro statt um sonst fällige 591 Millionen Euro aufstocken zu müssen. Die Maximalsumme war aber in den von Berlin, Brandenburg und dem Bund Ende 2012 bewilligten  Kapitalspritze von 1,2 Milliarden Euro für den Pannen-Airport eigentlich bereits enthalten. Inzwischen heißt es von allen drei Gesellschaftern, dass nach dem OVG-Urteil Mehrkosten auf den Flughafen zukommen. 

Ein Planergänzungsverfahren zum Schallschutz wiederum würde nach Tagesspiegel-Recherchen mindestens zwei Jahre dauern, womöglich länger. Das Verfahren sähe so aus, dass die beim Brandenburger Infrastrukturministerium angesiedelte Planfeststellungsbehörde über den Antrag entscheiden muss, gegen das Ergebnis aber vorgegangen werden kann. Kalkül des Flughafens ist es offenbar, den Fall erneut vor das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig zu bringen. Allerdings gäbe es damit bis zur Eröffnung des neuen Airports keinen Schallschutz in den Wohnungen der Umgebung. Von den 14 000 Haushalten im Tagschutzgebiet, der Kernzone um den BER, haben bislang erst rund 800 Schallschutzfenster – allerdings zu gering dimensioniert nach dem Niveau von sechs Überschreitungen. Gesetzeskonform geschützt ist bislang kein einziges Gebäude.

In Brandenburgs Landtag waren sich die Parteien selten so einig wie am Mittwoch. SPD, Linke, CDU und Grüne lehnten den Vorstoß strikt ab, lediglich die FDP äußerte Verständnis. „Herr Mehdorn ist eine Dampfwalze. Wenn er das ernst meint, wird es ernst“, sagte Linke-Fraktionschef Christian Görke. SPD-Fraktionschef Ralf Holzschuher äußerte sein Unverständnis, nach den Gerichtsurteilen „erneut nach Hintertüren zu suchen“: Es müsse auch im Interesse des Unternehmens liegen, dass endlich Ruhe bei den Anwohner einkehrt. „Niemanden ist gedient, wenn es wieder jahrelange Verfahren gibt.“ In diesem Sinne hatte sich auch Verkehrsminister Jörg Vogelsänger (SPD) geäußert.

Holzschuher wies darauf hin, dass das vom Flughafen jetzt beklagte Schutzniveau auf den eigenen Antrag zurückgehe. Die Opposition ist gespannt, wie sich Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck aus der Affäre zieht. Grünen-Fraktionschef Axel Vogel warnte davor, den Schallschutz auszuhöhlen. Er sei gespannt, ob Platzeck „mit zwei Seelen in der Brust“ als Ministerpräsident oder als Aufsichtsratschef entscheide. Und CDU-Fraktionschef Dieter Dombrowski sagte: „Es übersteigt meine Vorstellungskraft, dass Brandenburgs Ministerpräsident einen solchen Vorstoß mitträgt.“

Der Schallschutz-Eklat überschattete eine Sitzung des BER-Sonderausschusses des Brandenburger Landtages, der am Dienstag in Schönefeld auf der Baustelle tagte. Die CDU boykottierte die Sitzung, weil für einen Rundgang durch das Terminal die Öffentlichkeit ausgeschlossen wurde. Ausschusschefin Klara Geywitz (SPD) wies darauf hin, dass dies nicht allein auf ein Veto des Flughafens zurückgehe, sondern auch das Bauaufsichtsamt Dahme-Spreewald öffentliche Veranstaltungen auf der Baustelle aus Sicherheitsgründen untersagt habe. Zur Sitzung am Nachmittag wurde auch BER-Chef Hartmut Mehdorn erwartet.

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