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Neues Buch über Berlins Programmkinos: Kuscheln mit Kora

Berlin ist die Stadt der Lichtspielhäuser, auch ohne Berlinale. Nirgends in Deutschland gibt es mehr Programmkinos. Ein Buch stellt 21 ganz unterschiedliche vor – und einen Bollerofen.

„Kora“ sei Dank. Ohne seine wärmende Kraft wäre vielleicht schon mancher Cineast im Filmrauschpalast auf seinem Sessel festgefroren. Gerade in diesen eiskalten Wochen lockt Koras Ausstrahlung besonders zu den Sitzen vorne links nahe der Leinwand, denn dort steht er mit seinem silbernen Ofenrohr, kohlebetrieben, funktionstüchtig, wenn auch nicht mehr der Jüngste. Sollte sein Hersteller je die Gründung eines Firmenmuseums erwägen – der Ofen im Saal des vom Verein Filmrausch Moabit betriebenen Programmkinos in der Lehrter Straße 35 wäre ein interessanter Kandidat.

Das unabhängige Kino ist Teil der Kulturfabrik, die sich dort nach der Besetzung des leer stehenden Wertheim-Hauses 1991 entwickelt hat. Seine Macher konzentrieren sich auf „neuere Filme mit kulturellem Anspruch“ und preisen ihr Haus als „das einzige Kino mit persönlicher Ansage“, das zudem „ohne kommerzielle Werbung vor dem Film“ auskomme und „die gemütlichsten Offkino-Sitze in der Stadt“ habe.

Doch nicht zuletzt haben sie „Kora“. Ohne das wärmende Monstrum wäre eine Fotoreihe über den Filmrauschpalast nicht komplett. Auch Ulf Buschmann ließ sich dieses Motiv für sein rechtzeitig zur Berlinale erschienenes Fotobuch „Berliner Kinos“ nicht entgehen, neben dem Kinosaal mit nacktem Mauerwerk und dem rumpelkammerhaften Vorführraum, der auf viel Improvisationstalent und Leidenschaft fürs Kino hindeutet.

Eine für das Buch typische Fotoauswahl: 21 Kinos werden vorgestellt, von A wie „Adria“ bis Z wie „Zukunft“, in informativ-unterhaltsamen Kurzporträts mit deutsch/englischem Text, Stadtplanausschnitt und einer Handvoll die Schaulust kitzelnder, das Panorama wie das Detail feiernder Aufnahmen. Die großen Kinomaschinen, die in den neunziger Jahren aus dem Boden gestampft wurden, fehlen in Buschmanns Buch. Er setzt auf Tradition, auf – stets menschenleer gezeigte – Häuser wie das Delphi, das Eva, das Union, das Eiszeit oder auch die Tilsiter Lichtspiele. Und gibt in der, verglichen mit der Gesamtzahl der Berliner Kinos, bescheidenen Auswahl einen Eindruck von der Vielfalt der hiesigen Kinokultur. Am einen Ende der Skala stehen Off-Kinos mit einem Grad an Bequemlichkeit, der auch für wahre Filmfreunde eine Herausforderung bedeutet, am anderen nach neuestem Wohlfühlkonzept eingerichtete Häuser wie die Astor Film Lounge, die gleichwohl ihren historisch gewachsenen Charme nicht eingebüßt haben. Auch der Zoo-Palast gehörte sicher in diese Reihe, aber der wurde, anders als das Buch, zur Berlinale nicht fertig.

Doch fünf andere der vorgestellten Kinos gehören zu den Spielstätten der Filmfestspiele, deren Chef Dieter Kosslick auch das Vorwort beigesteuert hat. Berlin sei „immer eine Stadt der Kinos“ gewesen und besitze mit fast 100 Spielstätten „die größte Dichte an Programmkinos in Deutschland“, rühmt er. Eine ihrer größten Stärken sei „die enge Verankerung mit ihren Kiezen“, und so sei das Buch „kein Nachruf auf die sagenhafte Vielfalt des Arthouse-Kinos der Metropole, allerhöchstens auf die alte Kinotechnik, auf knatternde Projektoren und körnige 35-mm-Kopien.“

Auf die ist man nicht mal mehr im Filmrauschpalast angewiesen, zu dessen Technik neben der Abspielmöglichkeit für 16, 8 und 35 mm auch „DigitalVideo und alles außer Beta per Beam“ gehören, wie die Kinomacher auf ihrer Homepage schreiben. Nicht zu vergessen das wärmetechnische Wunderwerk „Kora“ – fürs Wohlbefinden.

Ulf Buschmann: Berliner Kinos – Cinemas of Berlin, Berlin Story Verlag, 104 Seiten, 16,80 Euro

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