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Das "Camp" der Berliner "Empörten" besteht bisher nur aus einem Pavillon. Am Freitag ist die Demo offiziell beendet. Die Demonstranten haben aber schon eine Verlängerung beantragt.

© Laura Stresing

"Indignados" am Alex: Ohne Camp keine Räumung

Eine Handvoll "Empörter" campiert seit Samstag auf dem Alexanderplatz - ein zermürbender Protest, denn die Polizei lässt sie nicht schlafen. Und dann lässt auch noch die Unterstützung auf sich warten.

Statt einer Zeltstadt gibt es nur einen Infostand, statt großer Transparente nur Kreidemalereien: Das deutsche Behördentum macht den "Indignados" vom Alex mit seitenweise Demo-Vorschriften das Leben schwer. Nach spanischem Vorbild wollten gut 1000 Mitglieder der Facebook-Gruppe "Echte Demokratie-JETZT! aCAMPada Berlin" auf dem Alexanderplatz für mehr Demokratie demonstrieren. Gekommen sind um die 30, die das Camp im Wechsel bevölkern. Genau genommen besteht das Protestcamp nur aus einem Pavillon, leicht zu übersehen auf dem belebten Alexanderplatz. Unter dem Plastikdach stapeln sich halblegale Rucksäcke, Wasserkisten, Jacken, Decken und Matten.

Täglich denke sich die Polizei neue Vorgaben aus, beschwert sich eine Aktivistin. Zuerst mussten die Zelte abgebaut werden, zuletzt eine Sitzbank. Matten und Kissen sind verboten. Bei Regen oder Hitze unter dem Pavillon Schutz zu suchen ist verboten. Transparente aufhängen ist verboten. Schlafen ist verboten. Nachts gehen Polizisten im Camp um und wecken die Schlafenden.

Schlafend kann man seine Meinung nicht äußern, findet die Polizei. Systematischer Schlafentzug ist Folter, meinen die Demonstranten. "Das ist ziemlich zermürbend", stöhnt Camp-Initiatorin Antje Borchardt.

Dabei könnte das Campleben so schön sein. Abends gibt es was zu essen - Pellkartoffeln mit Quark - und eine Vollversammlung. Das Megaphon zitiert die Campteilnehmer herbei. Diszipliniert lassen sich alle in einem Kreis nieder.

Unter dem Pavillondach stapeln sich Matten und Decken. Benutzen dürfen die Demonstranten diese Utensilien aber nicht.
Unter dem Pavillondach stapeln sich Matten und Decken. Benutzen dürfen die Demonstranten diese Utensilien aber nicht.

© Laura Stresing

Ein junger Mann eröffnet die Diskussion. Er habe sich in der vergangenen Nacht viele Gedanken gemacht, wie man ein Demonstrationscamp ohne Hierarchien organisieren kann. Er hat da ein paar Theorien studiert und möchte sie nun vortragen. Heftiges Gestikulieren auf der anderen Seite des Kreises: "Auszeit!" Eine kurze Diskussion folgt. "Jetzt lass ihn doch erst mal ausreden", ruft jemand genervt. Der junge Mann mit den Theorien: "Nein, ich gebe dir das Mikro jetzt nicht." Diskussion beendet. Das Referat geht weiter und endet mit dem Vorschlag, Projektgruppen zu bilden. Dafür gibt es Applaus von den anderen Camp-Teilnehmern und faszinierte Blicke von der Fahrrad-Rikscha-Touristin, die für das seltsame Treiben am Alexanderplatz einen Zwischenstopp einlegt und sich zu den anderen Schaulustigen gesellt.

Am nächsten Tag: Ein Spanier nähert sich dem Stand, angelockt von den Plakaten in seiner Muttersprache. "Los Indignados - die Empörten - das sind wir!" sagt er auf Spanisch und deutet auf ein Plakat und dann auf sich. Er wirkt ein bisschen empört. Was macht die #spanishrevolution hier in Berlin? Die Antwort kann ihm heute keiner geben. Von den spanischkundigen Demonstranten ist gerade keiner da. Der Besucher will ein anderes Mal wieder kommen.

Offiziell ist die Demo noch bis Freitag genehmigt. Das aCAMPada Berlin wird wohl aber in die Verlängerung gehen. "Wir fangen doch gerade erst an", sagt Antje Borchardt: "Das hier ist ja noch kein Camp!" Die Empörten vom Alex hoffen und warten also weiter auf Unterstützung - und darauf, dass aus einem Infostand bald eine richtige Zeltstadt wird, so eine wie auf dem Platz Puerta del Sol in Madrid.

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