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Problembär. Das Logo für die Bewerbung Berlins für Olympia 2000.

© promo

Olympia 2000 in Berlin: Gelb geärgert

Vor 20 Jahren geriet Berlins Olympia-Bewerbung zum Desaster und errang gerade mal neun Stimmen. Eine Menge Skandale begleiteten die Kampagne – für neue Anläufe ist die Stadt vorsichtig geworden.

Oh, war das peinlich. Gerade mal neun Stimmen fielen auf Berlin, als das Internationale Olympische Komitee (IOC) vor 20 Jahren über Olympia 2000 entschied. Am 23. September 1993 zerplatzten in Monte Carlo die Berliner Träume, zum zweiten Mal nach 1936 die Spiele in die Stadt zu holen. Und das auch noch mit einem miserablen Ergebnis; bereits im zweiten Wahlgang schied Berlin aus. Nur Mitbewerber Istanbul hatte schlechter abgeschnitten. „The winner is Sydney“, verkündete der damalige IOC-Präsident Antonio Samaranch.

Die internationalen Olympia-Funktionäre machten Berlins damaligem Regierenden Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) und Axel Nawrocki, dem umstrittenen Chef der Bewerbergesellschaft, der Olympia GmbH, deutlich, was sie von den hiesigen Ambitionen hielten: Nicht viel!

Als US-Präsident Ronald Reagan in der Schlussphase des Kalten Krieges vorschlug, Spiele in West- und Ost-Berlin, die Mauer überwindend, zu veranstalten, war das eine kühne Idee. Walter Momper als Chef des knapp 20 Monate regierenden rot-grünen Senats nahm diese Idee in der Zeit der Wende und des Mauerfalls gerne auf; CDU-Mann Eberhard Diepgen forcierte sie weiter.

Aber die Bewerbung um das größte Sportereignis der Welt geriet schnell in die schlechten Schlagzeilen. Die Olympia-Verantwortlichen legten eine etwas zu große Selbstbedienungsmentalität an den Tag. Zudem wurden die IOC-Mitglieder allzu großzügig eingeladen und bewirtet. Der große Skandal trat schließlich ein, als bekannt wurde, dass Dossiers über die IOC-Größen, auch über ihre sexuellen Präferenzen, angelegt werden sollten. Die Stadt war ohnehin in der Olympia-Frage gespalten; zu groß war der Stress durch den schwierigen Wiedervereinigungsprozess und die daraus folgenden sozialen Verwerfungen – wie Wohnungsnot und Massenarbeitslosigkeit. Die Unterstützung im Bundesgebiet blieb ebenfalls aus; auf ein richtiges Bekenntnis des Bundeskanzlers Helmut Kohl zu einer Olympiastadt Berlin wartete man an der Spree vergebens.

In der Stadt hatte sich eine starke Gegenbewegung gebildet. Die grüne Abgeordnete Judith Demba war das Gesicht von „NOlympia“. Noch heute freut sie sich darüber, dass „die Kampagne erfolgreich“ war. „Auch im Nachhinein war es das Beste für die Stadt, dass Olympia hier nicht stattfand“, sagt Demba, die 1999 bei den Grünen austrat und inzwischen bei der Linken aktiv ist. Die Stadt habe nach wie vor genügend andere Probleme. Demba reiste mit anderen Olympia-Gegnern zum Sitz des IOC nach Lausanne. Während die offizielle Delegation die Bewerbungsunterlagen übergab, zündeten die Gegner auf den Zufahrtstraßen olympische Ringe aus Pappe an und brachten ein Video mit, das in der Schlusssequenz einen vermummten Steinewerfer zeigte und mit den Worten „We wait for you!“ unterlegt war.

Darauf nahm einige Jahre später Thomas Bach, deutsches IOC-Mitglied und seit Anfang dieses Monats selber Präsident der mächtigen Olympia-Organisation, Bezug. „Das IOC hatte nicht den Eindruck, die Stadt wolle die Spiele wirklich. Wenn ein IOC-Mitglied Berlin besucht hat, musste ihm ein Sicherheitsbeamter zur Seite gestellt werden“, sagte Bach damals dem Tagesspiegel. „Und wer hätte denn eine siegreiche Berliner Delegation empfangen? Vielleicht die Frau Demba, mit einem Stein in der Hand?“

Mit der Niederlage in Monte Carlo war das Kapitel Olympia längst nicht beendet. Schnell war absehbar, dass nicht nur Pannen das Unternehmen begleitet hatten, sondern auch genügend Unregelmäßigkeiten passiert waren. Das Abgeordnetenhaus setzte einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss ein, der das Debakel aufarbeiten sollte. Richtig aufgeklärt werden konnte aber längst nicht alles, die Verantwortlichen hatten viele Akten im Reißwolf vernichten lassen.

Ein wenig profitiert hat die Stadt dennoch von der Bewerbung: Arenen wie das Velodrom, die Schwimmhalle an der Landsberger Allee sowie die Max-Schmeling-Halle waren auch ohne Zuschlag gebaut worden. Wo Anfang der neunziger Jahre das Stadion der Weltjugend im Zuge der Olympia-Illusionen weichen musste, da die Planung an diesem Standort eine große Mehrzweckhalle vorsah, herrschte allerdings lange Jahre Wüstenei. Heute baut dort der Bundesnachrichtendienst.

Seit 1993 kam in der Stadt immer wieder das Thema einer erneuten Olympiabewerbung auf. Anscheinend hat man aus den Erfahrungen von 1993 gelernt. Landessportbundchef Klaus Böger – damals als sportpolitischer Sprecher der SPD ein Olympiabefürworter – brachte jetzt nach der Wahl Tokios als Austragungsort für die Spiele 2020 zwar eine erneute Bewerbung Berlins ins Gespräch, doch die politisch Verantwortlichen sind vorsichtig geworden. Jetzt müsse man erst einmal abwarten, ob sich München für eine zweite Bewerbung für die Winterspiele 2022 entscheidet, sagt Senatssprecher Richard Meng. „Tritt München an, drücken wir der Stadt die Daumen.“ Aber dann wäre eine Berliner Kampagne für 2024 sinnlos. Generell aber gelte: „Berlin steht bereit.“

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