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Olympische Ringe leuchten

© dpa/Maurizio Gambarini

Olympia-Abstimmung in Berlin: Jugendliche müssen mitentscheiden!

Der Gesetzentwurf zur Volksbefragung von SPD und CDU sieht eine Beteiligung von unter 18-Jährigen und Menschen ohne deutschen Pass nicht vor. Das muss sich ändern. Gerade Jugendliche betrifft die Frage. Ein Gastkommentar

Ein Kommentar von Tilmann Warnecke

Sollte sich der Deutsche Olympische Sportbund Anfang März für Berlin als deutschen Kandidaten entscheiden, dann werden am 13. September 2015 die Berlinerinnen und Berliner noch einmal gefragt. Doch bei der Entscheidung, ob sich Berlin um die Ausrichtung der Olympischen und Paralympischen Spiele 2024 oder 2028 bewirbt, werden 27 Prozent der in der Stadt lebenden Menschen nach dem Willen von CDU und SPD von der Abstimmung ausgeschlossen. Junge Menschen unter 18 Jahren und Menschen ohne die deutsche Staatsbürgerschaft dürfen nicht mitentscheiden. Das ist vor allem unverständlich wenn man berücksichtigt, dass die "Volksbefragung" rechtlich nicht bindend ist, sondern, so steht es im Gesetzentwurf, die Erhebung eines "verlässlichen Meinungsbildes" sein soll. "Die Entscheidung der Sachfrage verbleibt bei den politischen Entscheidungsträgern", also Abgeordnetenhaus und Senat. 

Gerade für die heute unter 18-Jährigen wird die Frage, ob sich Berlin für Olympia bewirbt, Auswirkungen haben. Sollte Berlins Bewerbung erfolgreich sein, werden vor allem junge Menschen als freiwillige Helferinnen und Helfer dafür sorgen, dass die Spiele reibungslos verlaufen. 12.000 waren es in London 2012 , 25.000 in Sotschi 2014. Der geplante Aus- und Aufbau von Sportanlagen und der Infrastruktur wird ebenfalls zum großen Teil jungen Menschen zu Gute kommen – so behaupten es zumindest die Befürworter der Olympiabewerbung, zu denen der Senat gehört.

Nur über 18-Jährige mit deutschem Pass

Im Gesetzentwurf wird das Recht auf Teilnahme an der Volksbefragung an das Wahlrecht zu Landtagswahlen gekoppelt. Dies gilt in Berlin nur für über 18-Jährige mit deutschem Pass. An den Wahlen zu den Bezirksverordnetenversammlungen dürfen Menschen mit einer EU-Staatsbürgerschaft ab einem Alter von 16 Jahren teilnehmen. In Brandenburg, Bremen, Schleswig-Holstein und Hamburg dürfen Jugendliche ab 16 Jahren an Landtagswahlen teilnehmen, in Österreich auch an den Nationalratswahlen. 

Der Landesjugendring Berlin setzt sich seit langem für ein Wahlrecht für alle Menschen ab einem Alter von 14 Jahren und unabhängig von ihrer Staatsbürgerschaft ein. Menschen, die von politischen Entscheidungen massiv betroffen sind, müssen auch die Möglichkeit haben, diese mit beeinflussen zu können. Der Landeswahlleiter kommt in seiner Auswertung der Daten zur Wahl des Abgeordnetenhauses zu der Erkenntnis: "Ältere Menschen haben einen stärkeren Einfluss auf das Wahlergebnis als die Jüngeren. Nicht nur ihre Beteiligung an der Wahl ist höher, sondern, als Folge der demografischen Entwicklung, auch ihr Anteil an den Wahlberechtigten." Durch eine Absenkung des Wahlalters sollte diese Entwicklung zumindest etwas korrigiert werden, denn junge Menschen sind von politischen Entscheidung mindestens genauso betroffen wie ältere. Wenn man in Betracht zieht, wie lange sie mit den Auswirkungen konkreter politischer Entscheidungen leben müssen, sogar wesentlich mehr.

Wahlalter auf Landesebene muss auf 16 Jahre herabgesetzt werden

Der verfassungsmäßige Grundsatz, dass in "allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl" gewählt wird, ist unaufgebbar. Eine Absenkung des Wahlalters auf 16 Jahre auf Landesebene wäre ein Schritt zur weiteren Umsetzung dieses Verfassungsgrundsatzes. Vor diesem Hintergrund muss eigentlich nicht begründet werden, warum 16-18-Jährige wählen dürfen, sondern die Gegner einer Absenkung des Wahlalters müssen begründen, warum sie denn diesen Staatsbürgern ein elementares Grundrecht vorenthalten wollen.

Tilmann Weickmann, Geschäftsführer des Landesjugendring Berlin.
Tilmann Weickmann, Geschäftsführer des Landesjugendring Berlin.

© privat

Oft wird als ein Argument gegen die Absenkung des Wahlalters vorgebracht, Jugendliche hätten nicht die erforderliche "politische Kompetenz". Bei Erwachsenen wird (zum Glück) nicht nach der "politischen Kompetenz" gefragt, wenn es um das Wahlrecht geht. Denn das Argument, Jugendliche seien womöglich schlecht politisch informiert oder durch die Medien leicht beeinflussbar, kann für viele Erwachsene wohl ebenso gelten. Studien, bspw. des renommierten Jugendforschers Klaus Hurrelmann, machen hingegen deutlich, dass 16-Jährige heute sehr wohl verantwortlich politische Entscheidungen treffen können.    

Jugendsenatorin Sandra Scheeres hat den Ausbau der Beteiligungsrechte von Kindern und Jugendlichen im vergangenen Jahr zu einem Schwerpunkt der zweiten Hälfte der Legislaturperiode erklärt. Schade, dass sie sich in ihrer Partei und im Senat offensichtlich nicht durchsetzen konnte. So bleibt ihre Ankündigung ein Lippenbekenntnis. Die Volksbefragung zur Olympiabewerbung wäre ein guter Anlass gewesen, den Worten Taten folgen zu lassen.  

Tilmann Weickmann ist Geschäftsführer des Landesjugendring Berlin. Der Landesjugendring Berlin ist der Zusammenschluss von 33 Berliner Jugendverbänden. Er setzt sich für Mitbestimmung, Selbstorganisation und ehrenamtliches Engagement junger Menschen ein. Der Beitrag erscheint im Rahmen der Tagesspiegel-Debatte zu Olympischen Spielen in Berlin.

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