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Paul Seelhorst und seine Paleo-Kollegen ernähren sich ausschließlich mit Lebensmitteln der Steinzeit.

© Mike Wolff

Paleo-Anhänger in Berlin: Futtern wie Fred Feuerstein

Rund 1000 Menschen in Berlin ernähren sich wie in der Steinzeit – sogar zwei Restaurants gibt es schon. Am Sonnabend treffen sich die Paleo-Anhänger und erklären, warum ihre Ernährung gesünder sein soll.

Das Essen verspätet sich ein wenig, obwohl alle Gäste bereits in der Schöneberger Wohnung eingetroffen sind. Gastgeber Paul Seelhorst bleibt gelassen. „Heißhunger gibt es bei uns schließlich nicht“, sagt der 30-jährige Eventmanager. „Uns“, das heißt: den Anhängern der sogenannten Paleo-Diät, auch Steinzeiternährung genannt. Lauter junge Menschen um die 30 sind zu Besuch – tatsächlich wirken sie wie der Gastgeber alle ziemlich entspannt und gesund.

Seelhorst lädt die Runde gerade einmal pro Woche zu sich ein, um die Vorbereitung der „Paleo Convention“ zu besprechen, eines Kongresses mit Workshops und Vorträgen zur Steinzeiternährung, den er am Sonnabend in der Neuen Heimat in Friedrichshain veranstaltet.

Auch Emilia ist unter den Gästen. „Sie isst schon ihr ganzes Leben Paleo“, sagt ihr Papa Leon Benedens, 30, und guckt seine zehn Monate alte Tochter an. Sie war schon als „Paleo-Baby“ in den Medien – und wurde dabei begleitet, wie ihre Eltern sie das erste Mal mit roher Rinderleber fütterten. Auf den Tisch kommt nur, was auch die steinzeitlichen Vorfahren des Menschen zu sich genommen haben. Fleisch, Fisch, Gemüse, Früchte, Nüsse, Samen. Verboten sind Nahrungsmittel wie Milchprodukte, Getreide, Zucker, Hülsenfrüchte.

Richtig steinzeitlich geht es allerdings nicht zu. Alle nehmen gesittet am Tisch Platz, von Lagerfeuerromantik keine Spur. Niemand wird im Lauf des Abends an einer Keule nagen. Stattdessen gibt es Salat mit Radieschen und Johannisbeeren, Kabeljau mit Feigen-Bacon-Tomaten-Marmelade und Süßkartoffelpommes mit Guacamole. Auch die vegane Rohkost-Torte mit Kakaopulver, Cashew-Nüssen und Himbeeren, die die 26-jährige Shirin aus Wilmersdorf nach Paleo-Art gezaubert hat, hätte es so bei unseren Vorfahren bestimmt nicht gegeben.

Als alle schließlich Platz nehmen und die Schüsseln herumgehen, dreht sich das Thema schnell um verschiedene Ernährungsformen. Es fallen Stichworte wie Rohkost, Keto-Diät, Primal-Ernährung. „Wir sind die Paleo-Polizei“, witzelt einer der Gäste und lacht. Paul Seelhorst verteidigt das Tisch-Thema: „Wenn wir jetzt eine Gruppe Fußballfans wären, würden wir ja auch über Fußball reden.“

Gegen Allergien, Neurodermitis, Migräne soll die Diät helfen

Mehrere Reihen Ernährungsratgeber hat Seelhorst in seinem Bücherregal stehen, darunter auch die Paleo-Bibel „Perfect Health Diet“. „Das waren die wertvollsten Informationen, die ich je gelesen habe“, sagt Seelhorst. „Es war total aufregend, das zu lesen.“ Alles habe zusammengepasst, er habe endlich Erklärungen erhalten für seine Allergien, die Neurodermitis, Migräneanfälle, Magenkrämpfe und Durchfälle. Alles Leiden, die mit der Paleo-Diät verschwunden seien. „Da bin ich erst mal wie ein Prediger durch die Gegend gerannt“, sagt Seelhorst und lacht. „Das habe ich mir jetzt abgewöhnt.“

Jetzt erzählt er nur noch denen von seiner Diät, die es auch hören wollen. Inzwischen ist Seelhorst ausgebildeter Paleo-Coach, er veranstaltet bei sich zu Hause unter dem Namen „Ghetto Paleo“ regelmäßig Paleo-Supperclubs, bei denen er für fremde Gäste kocht. Und er hat mit Leon Benedens, der mit seiner Frau den Blog „Paleo Lifestyle“ betreibt, die „Paleo Convention“ initiiert. Dort wird unter anderen auch Paul Jaminet sprechen, der Autor von „Perfect Health Diet“.

Eher bewusste Lebensführung als Steinzeiternährung

Aus der ganzen Welt hätten sich Leute angemeldet, sagt Seelhorst, aus den USA, aus England, Ungarn, Holland und Österreich. Aber vor allem wird die kleine Paleo-Gemeinde aus Berlin zusammenkommen. 500 bis 1000 praktizierende Paleos gebe es in der Stadt, schätzen Seelhorst und Benedens. Berlins erstes Paleo-Restaurant „Sauvage“ in der Neuköllner Pflügerstraße läuft so gut, dass es inzwischen einen Ableger in der Winsstraße 30 in Prenzlauer Berg gibt.

Mit der archaischen Anmutung des Begriffs „Steinzeiternährung“ spielen Seelhorst und Benedens auch im Trailer zum Kongress. Da hüpfen junge Menschen in Flintstones-artiger Fellbekleidung durchs Bild, führen mit beiden Händen rohe Fleischbrocken an den aufgerissenen Mund, werfen mit Knochen um sich. Der Begriff Steinzeiternährung ist fast ein bisschen irreführend. Vielmehr geht es um bewusste Lebensführung. „Wir wollen den Besuchern der Paleo Convention zeigen, dass es um mehr geht als nur um natürliche Ernährung“, heißt es im Trailer.

Die für Paul Seelhorst wichtigen fünf Pfeiler sind: Ernährung, Sonne, Bewegung, Ruhe und soziales Leben. Und jeder lege die Paleo-Diät ein bisschen anders aus, sagt Seelhorst. „Es gibt keine perfekte Ernährung.“ Und jeder Mensch sei unterschiedlich. „Paleo ist für mich einfach die perfekte Basis.“ Dabei isst er auch mal Käse oder Schokolade, trinkt ein Bier oder kauft sich ein Eis, wenn er Lust hat. Auch zum gemeinsamen Abendessen serviert er für die, die wollen, einen Salat mit etwas Schafskäse.

"Keine Angst mehr vor Diabetes, Osteoporose, Krebs"

Doch allzu viele Ausnahmen macht Seelhorst nicht. Denn neben dem verbesserten Gesundheitszustand habe er mehr Energie, er komme leichter aus dem Bett, sei nicht mehr müde nach dem Essen. „Und ich habe keine Angst vor Zivilisationskrankheiten mehr wie Diabetes, Osteoporose oder Krebs“, sagt Seelhorst. Die Gesundheit finde nun mal im Darm statt – und dem führe er keine Gifte mehr zu.

Er hat jetzt auch einiges zu tun, mit seiner Arbeit als Coach, den Supperclubs, dem Kongress. Da kann er die vermehrte Energie ganz gut gebrauchen.

Paleo Convention, Sonnabend, 25. Juli, Neue Heimat, Revaler Straße 99, Friedrichshain. Der offene Markt ab 12 Uhr kostet zwei Euro Eintritt. Karten fürs Symposium kosten 129 Euro. www.paleoconvention.de

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