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Berlin: Paradebeispiele fürs Museum

Ingeborg Leuthold malte den Techno-Umzug und den Christopher Street Day. Die Bilder sind nun zu sehen

Am Anfang stand die Zuversicht, dass es doch klappen könnte. Sonst hätte sich Ingeborg Leuthold der Kunst gar nicht erst zugewandt. Hätte wie viele Kommilitonen das Studium wegen des knappen Stipendiums hingeschmissen, etwas Handfestes gemacht. Aber sie hat durchgehalten. Und lebt heute als freischaffende Malerin. Seit fünf Jahrzehnten.

Es sind vor allem die schrägen Typen, die Ingeborg Leuthold faszinieren. Zum Beispiel die Besucher des Christopher Street Days. Oder die ausgelassenen Tänzer der Loveparade. Im Jahr 2000 besuchte die Malerin die Umzüge erstmals. „Die Fantasie der Leute, die leuchtenden Farben ihrer Kostüme – das hat mich interessiert“, sagt die 81-Jährige. Deshalb malte sie wenig später zwei Bilder, die sie nun dem Märkischen Museum Am Köllnischen Park schenkt. Anlass ist der heutige Themenabend zu den beiden Großveranstaltungen.

Es ist ein trüber Vormittag, an dem Ingeborg Leuthold in ihr Atelier am Bundesplatz lädt. Durch die hohen Fenster fällt graues Licht auf den Arbeitstisch, auf dem Dutzende Farbtuben und Pinsel ein überschaubares Chaos bilden. Daneben das monumentale Werk mit dem Titel „Christopher Street Day“. Gleich wird eine Speditionsfirma das Triptychon abholen, um es mit dem etwas kleineren Werk „Loveparade“ ins Museum zu bringen. Ingeborg Leuthold ist ein bisschen aufgedreht. Natürlich freue sie sich darüber, dass nun viele Menschen die beiden Werke sehen werden. Aber andererseits mache es sie ein bisschen traurig, „wenn sie nicht mehr da sind“.

Wie das ist, erlebte Ingeborg Leuthold schon früh, die Umstände waren jedoch andere. 1943 fing die damals 17-Jährige ein Studium an der Meisterschule für Textilindustrie im sächsischen Plauen an – obwohl die Eltern das für Flausen hielten. Zwei Semester später musste Leuthold über Nacht ihre Koffer packen, Skizzen und Zeichnungen zurücklassen, weil erste Bomben über der Stadt fielen. „Da bekam ich es mit der Angst zu tun.“ Nur wenig später wurde das Schulgebäude bei einem Angriff getroffen. Viele Kommilitonen kamen ums Leben.

Den zweiten Versuch in Sachen Kunst wagte Leuthold erst wieder nach dem Krieg. Sie verließ ihre Heimatstadt Auma in Thüringen, zog 1947 nach Berlin. Hier besuchte sie zunächst die Meisterschule für Kunsthandwerk, dann die Hochschule für Bildende Künste. Ihr Lehrer: Karl Schmidt-Rottluff. „Er hat uns seinen eigenen Stil nie aufgezwängt“, sagt Leuthold. Auch nach dem Abschluss hielt sie Kontakt zu dem großen Brücke-Maler.

Viele Jahre lebte Ingeborg Leuthold von der angewandten Kunst, schuf etwa Glasmosaike für öffentliche Gebäude. Auf Auftragsarbeit ist sie mittlerweile nicht mehr angewiesen; sie malt nur noch das, wofür sie sich interessiert. Zurzeit vor allem Tattoos. Die Anregung dazu kam ebenfalls durch die Loveparade und den Christopher Street Day. „Eigentlich wollte ich das langsam abschließen. Aber ich finde dabei immer wieder was zum Malen.“

Der Themenabend (u. a. mit Loveparade-Veranstalter Rainer Schaller) im Märkisches Museum am Köllnischen Park 5 beginnt heute um 18 Uhr. Der Eintritt ist frei.

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