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Flüchtlingsheim in Berlin-Hellersdorf

© picture alliance / dpa

Pewobe-Skandal in Berlin: Flüchtlinge dürfen keine Handelsware sein

Sozialsenator Mario Czaja musste die Verträge mit der Pewobe kündigen. Aus dem Skandal muss man nun lernen - und die Betreuung von Flüchtlingen verbessern. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Gerd Nowakowski

Keine Geschäfte mehr mit dem Heimbetreiber Pewobe – am Ende blieb Sozialsenator Mario Czaja keine andere Option. Nicht nach den rassistischen Hetzmails. Wer Flüchtlinge in ein neues Leben begleiten soll, bei dem darf es kein menschenverachtendes Betriebsklima geben. Da blieb nur der klare Schnitt. Sonst wäre womöglich an Czaja hängen geblieben, solche Verachtung zu tolerieren. Nicht mitten im Wahlkampf und nachdem das Lageso gerade erst aus den Schlagzeilen verschwindet als Deutschlands schlimmste Behörde.

Czaja hat sich aber selbst zuzuschreiben, dass trotzdem viele Fragen bleiben. Denn die Pewobe ist alles andere als ein bisher unbescholtener Anbieter dringend benötigter Unterkünfte. Im Gegenteil. Immer wieder gab es in der Vergangenheit Vorwürfe gegen den agilen Unternehmenschef Helmuth Penz; auch schon zu Zeiten, als das Land Berlin noch weit weniger Asylsuchende unterzubringen hatte als seit dem Sommer 2015.

Der Fall Pewobe ist deshalb ein Lehrstück über die Abgründe einer Unterbringungsindustrie, in der hilfsbedürftige Menschen eine Handelsware sind, mit der ziemlich viel Geld gemacht werden kann. Und kaum jemand hat in Berlin für diesen Markt ein solches Händchen wie Helmuth Penz. Er weiß, wie die Mechanismen im Umgang mit der Verwaltung funktionieren, wie man den nominellen Auftraggeber zum Bittsteller macht. Je größer die Not des Landes, desto größer die Abhängigkeit einer Senatsverwaltung – und umso größer die Profitmöglichkeiten. Denn in der Flüchtlingskrise benötigte das Lageso jede verfügbare Unterkunft. Die Penz lieferte.

Wie seit 25 Jahren bot er genügend Immobilien, als die unendlichen Schlangen am Lageso den Sozialsenator um ein Haar den Job gekostet hätten. Penz, der schon in den 80er Jahren im Garski-Bauskandal eine Rolle spielte, bewegt sich mit größter Selbstgewissheit in der politischen Landschaft. Man kennt sich. Manchmal, wenn die Zeit drängt, arbeite man eben auf Zuruf, ohne Vertrag, betonte Penz im Mai 2015 die gute Zusammenarbeit mit der Sozialverwaltung. Vorwürfe oder Betrugsermittlungen haben ihm nie geschadet; auch nicht der Insiderverdacht, als er zufällig genau das Grundstück kaufte, auf dem die Senatsverwaltung ein Heim errichten wollte.

Evaluation von Heimbetreibern nötig

Ansprüche stellen an Heimbetreiber? Auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise blendete Senator Czaja das aus. Die Kündigung wird der Christdemokrat als Befreiungsschlag empfinden. Lange hatte er dazu wohl nicht die Kraft, konnte sich vielleicht auch nicht gegen seine Verwaltung durchsetzen. Die setzte auf die bewährten Geschäftsbeziehungen. Deswegen ist die Kündigung ein überfälliger Schlussstrich. Er kommt aber nicht nur spät – er wurde auch nur möglich, weil die Zahl der ankommenden Flüchtlinge seit Jahresbeginn enorm gesunken ist.

Jetzt ist der rechte Zeitpunkt, sich von der Logik der Krise zu verabschieden, als es nur um die Zahl von Betten ging. Nun, da Geflüchtete aus Turnhallen endlich in angemessene Heime umziehen, müssen die Qualität der Unterkünfte, die Betreuung und Integrationshilfen in den Fokus rücken. Nicht bevormundende Versorgung, sondern Wege zur Selbstständigkeit sind nötig, es braucht Ausbildungsangebote und Sprachkurse.

Die Pewobe hingegen fiel damit auf, dass sie ehrenamtlichen Helfern die Arbeit erschwerte, angebotene Deutschkurse untersagte oder Initiativen Hausverbot erteilte. Warum sollte ein Unternehmen auch an erfolgreicher Integration interessiert sein, wenn damit Heime überflüssig werden und so das eigene Geschäftsmodell kaputtgeht? Der Pewobe-Skandal muss darum Anlass für eine Evaluation von Heimbetreibern sein, um nur mit verlässlichen Partnern mit humanitären Qualitätsmaßstäben zusammenzuarbeiten. Nur so ist auch zu verhindern, dass ehrenamtliche Helfer nicht entnervt hinwerfen, sondern mit Herz und Einsatz geflüchteten Menschen weiter neue Hoffnung vermitteln.

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