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Die Falschparker an der Schöneberger Hauptstraße scheint es nicht zu stören, dass sie das Leben anderer Verkehrsteilnehmer gefährden. Fußgänger und Radfahrer müssen zwischen den parkenden Autos hindurch auf die Straße. Dabei werden sie nicht nur vom Kraftverkehr kaum gesehen - auch sie selbst können entgegenkommende Autos schlecht erkennen.

© Jens Freudenau

Verkehrssünder am Pranger: Berliner twittern Fotos von Falschparkern

Die Polizei ist überlastet, Strafzettel gibt’s für Falschparker kaum. Bürger fotografieren deshalb die Blockierer und stellen die Bilder ins Netz.

Die Zahlen sind deutlich: Knapp 2,9 Millionen Autofahrer bekamen im vergangenen Jahr einen Strafzettel, weil sie falsch geparkt haben. Bei knapp 1,2 Millionen Autos sind das statistisch – gut zwei Strafzettel pro Auto. Viel zu wenig, sagen Radfahrer oder Fußgänger, die sich über diese Verkehrshindernisse ärgern.

Und so mancher hat damit begonnen, Falschparker zu fotografieren und die Bilder ins Internet zu stellen. Genutzt wird meist der Hashtag #falschparker beim Kurznachrichtendienst Twitter.
Veröffentlicht werden vor allem jene Fälle, die für andere Verkehrsteilnehmer gefährlich werden können – wenn etwa Autos rücksichtslos in zweiter Reihe parken oder Rad- und Busspuren blockieren. Radfahrer werden so zu Schlenkern auf die Fahrbahn gezwungen und in Gefahr gebracht. An zugestellten Kreuzungen und Ampeln werden vor allem Kinder und ältere Menschen gefährdet. Autofahrer blockieren Rettungswege von Weihnachtsmärkten, Lieferwagen gleich ganze Gehwege. Auch die BVG leidet unter Falschparkern. Busse geraten so schnell aus dem Takt. Fahrgäste können nur schwer aussteigen, wenn Autofahrer „mal kurz“ an der Bushaltestelle parken.

Die Grünen haben gerade erst wieder höhere Strafen gefordert

„Es reicht einfach“, sagt Aktivist Heinrich Strößenreuther, „eine Minderheit von Autofahrern überschreitet einfach jede Grenze“. Strößenreuther hatte vor zwei Jahren die Handy-App „Straßensheriff“ erfunden, mit der jeder Bürger Falschparker fotografieren und die Bilder direkt ans Ordnungsamt weiterleiten sollte. Dies scheiterte zwar am Geld, löste aber einen Bewusstseinswandel aus, wie Strößenreuther sagt. „Falschparken wird nicht mehr als Kavaliersdelikt wahrgenommen, sondern als Problem.“ Etwa 35 000 Menschen haben sich bereits die App „Wegeheld“ heruntergeladen, quasi der „Straßensheriff“ ohne Verbindung zum Ordnungsamt.

Sicherlich ist das Ins-Netz-Stellen der Missetäter nicht unbedingt die feine englische Art, aber wesentlich unfeiner ist wohl immer noch das lockere "Ich mach mir die Regeln selbst"-Verhalten einiger Verkehrsteilnehmer.

schreibt NutzerIn NadineA

Die ersten 8000 Meldungen hatte Strößenreuther ausgewertet und dieses Fazit gezogen: „Je dicker das Auto, umso egoistischer das Verhalten.“ Alle Meldungen werden auf einer interaktiven Karte unter wegeheld.org gesammelt. Durch die Initiative habe endlich die Politik das Problem erkannt. Die Grünen haben gerade erst wieder höhere Strafen für Falschparker gefordert , wie zuvor am "Falschparker-Tag" auch schon der Bundesverband „Selbsthilfe Körperbehinderter“.
Heinrich Strößenreuther hat im vergangenen Jahr eine Petition im Internet gestartet, dass der deutsche Bußgeldkatalog für Falschparker geändert wird, um rücksichtsvolles Verhalten zu fördern. Das Bußgeld, so die Forderung, soll von heute meist 20 auf 80 oder gar 130 Euro steigen, wie es in vielen anderen EU-Ländern der Fall sei. Nur so, sagt Strößenreuther, könne man rücksichtslose Autofahrer zur Einsicht bringen.

Die meisten Falschparker kommen ungeschoren davon

Die etwa zwei Knöllchen pro Auto und Jahr belasten die Autofahrer kaum. Und der weitaus größte Teil der 2,9 Millionen Strafzettel in Berlin stammt aus Parkraumbewirtschaftungszonen des Ordnungsamtes, wo Autos sich nur untereinander den Platz wegnehmen. Die Polizei ist bekanntlich überlastet und kümmert sich nicht mehr um Falschparker. Selbst Autos, die ganztägig einen Fußgängerüberweg verstellen, kommen ungeschoren davon – und landen dafür dann bei Twitter, meist mit erkennbarem Kennzeichen. Darf man das? „Ja“, sagt ein Experte im Berliner Polizeipräsidium, auch Wertungen wie „blockiert Einfahrt“ oder „gefährdet Kinder“ seien zulässig. Denn das Persönlichkeitsrecht sei nicht verletzt, da eine Privatperson anhand des Kennzeichens nicht den Halter ermitteln kann. Das kann bekanntlich nur die Polizei. Vorsichtiger sind organisierte Aktivisten wie @falschparker und @wegeheld. Sie schwärzen die Kennzeichen. Dabei interessiert sich die Polizei gar nicht für die bei Twitter geposteten Bilder mit erkennbaren Kennzeichen. Denn aus den Bildern geht weder die exakte Uhrzeit noch der genaue Ort hervor, was für ein Knöllchen erforderlich wäre. Strößenreuther empfiehlt, dem Ordnungsamt ein freundliche Mail mit Foto zu schicken, um diese zum Handeln aufzufordern.

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