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Proteste: Berlin ist die Hauptstadt der Demonstranten

2009 gibt es eine Rekordzahl von Protestaktionen – ob gegen Krieg oder Pelze. Die gestiegenen Kosten für Polizei und Absperrungen trägt der Steuerzahler. Die stark gestiegene Zahl der Krawall-Demos ist nach Ansicht von Experten des Polizeipräsidiums auch auf das Wiedererstarken des Linksextremismus zurückzuführen.

Die Zahl der Demonstrationen wird in diesem Jahr auf einen seit langem nicht mehr erreichten Rekordwert steigen: Seit Jahresbeginn gab es 2754 Demonstrationen in der Stadt, 2008 lag die Gesamtzahl nur bei 2345. In den vergangenen 15 Jahren hatte es nur 2003 mehr politische Versammlungen in der Stadt gegeben: Damals waren es 3022, Grund war vor allem der Irak-Krieg.

Stark erhöht hat sich im laufenden Jahr der Anteil sogenannter unfriedlicher Demos. Eine Statistik des Innensenators, die dem Tagesspiegel vorliegt, nennt 16 Aktionen – das sind mehr als im gesamten Zeitraum von 2006 bis 2008. Am krawallträchtigsten war die 18-Uhr-Demonstration am 1. Mai, bei der es bereits Minuten nach dem Start massive Steinwürfe auf die Polizei gegeben hatte. Anmelder dieser Demonstration war, wie berichtet, der Linkspartei-Politiker Kirill Jermak. Auch das Silvio-Meier-Gedenken im November ist von der Polizei als unfriedlich eingestuft worden. Auch diese Demo war von einer Politikerin der Linken angemeldet worden, der Abgeordneten Evrim Baba.

Die gestiegene Zahl der Krawall-Demos ist nach Ansicht von Experten des Polizeipräsidiums auch auf das Wiedererstarken des Linksextremismus zurückzuführen. Allein gegen die Räumung des Hauses in der Brunnenstraße 183 in Mitte gab es mehrere Proteste, die teilweise unfriedlich endeten. Wie berichtet, hatte Innensenator Ehrhart Körting (SPD) bei der vorigen Sitzung des Innenausschusses von einer Zunahme der Gewalt aus dem linksextremen Spektrum gesprochen und beklagt, dass die Täter immer brutaler vorgehen.

Dass es 2008 insgesamt so viele Aktionen gab, liegt auch an mehreren Ereignissen mit nationaler und internationaler Tragweite, die auf Berlins Straßen getragen wurden: Bauern forderten höhere Lebensmittelpreise, die Studenten bessere Studienbedingungen. Der Streit um Atomkraft lockte im Sommer hunderte Traktoren und zehntausende Demonstranten in die Hauptstadt. Auch der Konflikt zwischen Israel und den Arabern zu Jahresbeginn hatte viele Kundgebungen zur Folge.

Für die Kosten der notwendigen Polizeieinsätze und Straßensperrungen, schlimmstenfalls auch Strafverfolgungen und Schäden kommt der Steuerzahler auf. Denn das Grundgesetz schützt das Recht aufs Demonstrieren sehr weitgehend – und das bedeutet auch, dass keine Kosten oder Gebühren fällig werden. Um eine Demonstration anzumelden, reicht es, ein Fax ans Polizeipräsidium zu schicken oder ein Formular im Internet auszufüllen. Wie viel Personal und wie viele Einsatzstunden die Polizei für Demonstrationen aufbieten musste, dazu gibt es keine Statistik. Nur etwa jede siebte angemeldete Veranstaltung ist echte Demonstration, polizeiintern „Aufzug“ genannt. Davon gab es in diesem Jahr bislang 369. Bei 2385 handelte es sich um stationäre Versammlungen mit teilweise nur sehr wenigen Teilnehmern. Dazu gehören die häufigen Drei-Personen-Aktionen vor Kaufhäusern, bei denen Tierschützer gegen den Verkauf von Pelzmänteln protestieren, aber auch ständige Mini-Mahnwachen gegen die angebliche Verfolgung von „Falun Gong“ in China. Solche Versammlungen werden zwar oft nur von einem einzigen Polizisten beaufsichtigt, aber auch dies summiert sich.

Derzeit erhält Berlin etwa 60 Millionen Euro pro Jahr für die „hauptstadtbedingte Sicherheit“. Auf 105 Millionen Euro kommt allerdings der Senat, wenn er die Kosten zusammenrechnet, die ihm durch Staatsbesuche und „hauptstadtrelevante“ Veranstaltungen entstehen. Kein Wunder, dass es viele Jahre Streit ums Geld gegeben hatte, bevor der Bund Ende 2007 seinen Beitrag von knapp 40 auf 60 Millionen aufstockte.

Auch in den letzten Tagen des Jahres wird es noch einige Demonstrationen geben: Die linke Szene hat den ganzen Dezember zu „action days“ ausgerufen. Letzte Demonstration des Jahres ist traditionell die Demo „Zum Knast“ in der Silvesternacht vor der Untersuchungshaftanstalt Moabit.

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