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Bei der Ehe für alle ist die Union gespalten. Die Berliner CDU stimmt bis zum 15. Juli darüber ab.

© picture-alliance/dpa

Eingetragene Lebenspartnerschaft: Ehe für alle: Die Heuchelei der CDU

CDU-Politiker führen die Eingetragene Lebenspartnerschaft ins Feld, um die Ehe für alle zu bekämpfen. Das ist unredlich: Das Gesetz, das sie jetzt loben, sabotierte die Union, wo immer es ging. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Fabian Leber

Eins vorweg: Auch Politiker dürfen natürlich ihre Meinung ändern. Merkwürdig wird es aber, wenn Politiker eine fremde Leistung für eigene Zwecke instrumentalisieren. Das geschieht gerade in der unionsinternen Debatte um die Ehe für alle. Bis zum 15. Juli sollen Berlins CDU-Mitglieder darüber abstimmen, ob sie dafür sind, dass die Ehe für Schwule und Lesben geöffnet wird. Seitdem gibt es fast täglich neue offene Briefe und Diskussionsbeiträge aus der Union.

Ein zentrales Argument der Öffnungsgegner innerhalb der Union lautet: Die gleichgeschlechtliche Ehe sei gar nicht notwendig, schließlich gebe es ja die Eingetragene Lebenspartnerschaft, mit der Diskriminierungen beseitigt würden. Das ist erstaunlich: Denn gegen die Öffnung der Ehe bringt die Union nun ein Gesetz in Stellung, das sie bekämpft hat, wo sie nur konnte. 2001 war es von Rot-Grün durchgesetzt worden, es war ein Meilenstein in der Emanzipationsgeschichte – auch wenn die meisten Schwulen und Lesben es heute als unzureichend empfinden, als Ehe zweiter Klasse.

Wie Diepgen früher dachte

Beispiel 1: Berlins Ex-Bürgermeister Eberhard Diepgen wirft in seinem offenen Brief vom 5. Juli die Frage auf: „Warum schätzt man das deutsche Rechtsinstitut der Eingetragenen Partnerschaft so gering?“ Es ist derselbe Diepgen, der 2001 ebenjenes „Rechtsinstitut“ noch zu verhindern versucht hatte, und zwar über den damals unionsgeführten Bundesrat. Laut „Welt“ vom 2. Dezember 2000 war Diepgen der Meinung, man könne zwar rechtlich einzelne Dinge für gleichgeschlechtliche Paare verbessern – „aber nicht in Form eines Rechtsinstituts und schon gar nicht mit Regelungen, die der Ehe gleichgestellt seien“.

Noch deutlicher drückte Diepgen sich bei einem Chat mit dem Portal „Politik Digital“ 1999 aus. Auf die Frage des Users „Krause“ zur CDU und ihrer Haltung bezüglich der Lebenspartnerschaft sagte er damals: „Der Begriff eingetragene Lebenspartnerschaft ist zu stark an der Ehe orientiert.“

Was der JU-Vorsitzende verschweigt

Beispiel 2: Auch JU-Landeschef Christoph Brzezinski singt gerade ein Hohelied auf die Lebenspartnerschaft. Er sagt, dass mit dem Gesetz „der deutsche Gesetzgeber vor 14 Jahren die bis dahin bestehende Diskriminierung beendet“ habe. Dass er scheinbar neutral vom „deutschen Gesetzgeber“ spricht, ist verständlich: CDU und CSU nämlich setzten damals alle Hebel in Bewegung, um die Eingetragene Partnerschaft zu vereiteln. In der entscheidenden Debatte 2001 stellte der CSU-Redner Norbert Geis generell die Legitimität von homosexuellen Partnerschaften infrage: „Diese Art des Zusammenlebens wird von der Gesellschaft nicht akzeptiert werden.“

2001 brachte die Union Erzkonservative in Stellung

Ein Zufall war es wohl nicht, dass die Union in dieser Debatte die erzkonservativsten Abgeordneten aufbot, die ihr zur Verfügung standen. So wurde Geis eine Zwischenfrage von Martin Hohmann gestellt, der dann zwei Jahre später wegen antisemitischer Ausfälle aus der Union ausgeschlossen wurde: „Können Sie bestätigen, dass in den Offenbarungsschriften aller drei großen monotheistischen Religionen ein klares Unwerturteil über Homosexualität als solche ausgesprochen wird?“ Geis antwortete erwartungsgemäß, das könne er nur bestätigen: „Genau so ist es: Der Entwurf steht nicht nur zu unserer Verfassung, sondern auch zu den Prinzipien der drei großen Religionen im Widerspruch.“

Bei diesen verbalen Attacken blieb es nicht. Konkret klagten die unionsgeführten Länder Bayern, Sachsen und Thüringen gegen das Gesetz. Verfassungswidrig war es – anders als von Geis behauptet – jedoch nicht. Nur: um die Blockade des Bundesrates zu umgehen, musste die rot-grüne Bundesregierung zu einem juristischen Kniff greifen. Die Länder sollten selbst festlegen, wo die Partnerschaften geschlossen werden. SPD-regierte Länder bestimmten dafür das Standesamt, in unionsgeführten aber waren es oft Kfz-Zulassungsstellen oder Forstämter. Erst mit dem Regierungswechsel zu Grün-Rot zum Beispiel wurde das Standesamt in Baden-Württemberg 2012 für Schwule und Lesben zur Regel gemacht.

Keine einzige Verbesserung ging von CDU und CSU aus

Beispiel 3: Auch Cornelia Seibeld, familienpolitische Sprecherin der CDU im Abgeordnetenhaus, lobt – natürlich – die Lebenspartnerschaft: „Seit Jahren werden Rechte und Pflichten in der Eingetragenen Lebenspartnerschaft denen der Ehe in Deutschland immer weiter angepasst. Denn natürlich dürfen in einer freiheitlichen Demokratie Minderheiten nicht diskriminiert werden.“

Was sie unterschlägt: Keine einzige der Verbesserungen bei der Lebenspartnerschaft ist auf Betreiben der Union hin erreicht worden, im Gegenteil. CDU und CSU blockierten bei jeder Gelegenheit. 2011 noch verhinderte die Union eine Gleichstellung bei der Einkommensteuer. Hier musste erst das Bundesverfassungsgericht einen weiteren Grundgesetzverstoß feststellen, bis etwas passierte – wie bei fast jedem Schritt zum Abbau von Diskriminierung. Da SPD, Grüne, Linke und auch die FDP die Ehe für alle unterstützen, trägt allein die Union die Verantwortung dafür, wenn Benachteiligungen erst durch Gerichte aufgehoben werden müssen.

Rechtlich genießen Ehe und Lebenspartnerschaft nicht denselben Schutz

Hinzu kommt: Rechtlich genießen Ehe und Lebenspartnerschaft nicht denselben Schutz. Falsch ist deshalb der Satz in dem offenen Brief von 17 Mitgliedern der Berliner CDU-Fraktion, der die Lebenspartnerschaft feiert: „Eine rechtliche Gleichstellung von gleichgeschlechtlichen Paaren ist auch ohne eine Öffnung des Instituts der Ehe möglich.“ Anders als die Ehe stehen die Lebenspartnerschaften nicht unter verfassungsrechtlichem Schutz – sie könnten also nach politischer Beliebigkeit wieder abgeschafft werden. Genau das hatte 2002 der damalige Kanzlerkandidat Edmund Stoiber (CSU) angekündigt, wenngleich er kurz vor der – später verlorenen – Bundestagswahl zurückruderte.

In Brandenburg ist die CDU für die Ehe für alle

Das alles zeigt: Die Union und die Eingetragene Partnerschaft stehen in keinem guten Verhältnis zueinander. Heuchlerisch ist es, wenn CDU-Politiker nun so tun, als könne die Lebenspartnerschaft die Ehe ersetzen – wo es ersteres vermutlich bis heute noch nicht geben würde, regierte die Union allein. Andererseits: Am Donnerstag zeichnete sich im Landtag von Brandenburg eine Zustimmung der dortigen CDU-Fraktion für die Eheöffnung ab. Sie bewegt sich also doch, die CDU – wenn auch noch nicht im „bunten Berlin“ (Brief der 17), sondern in der Provinz. Aber immerhin.

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