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Einfach geil. Phil (Louis Hofmann) und Nicholas (Jannik Schümann).

© Universum

Im Kino: Die Mitte der Welt: Verliebte Jungs

Eine Zukunft wie Vanilleeis: „Die Mitte der Welt“, ein Kinodrama nach dem Roman von Andreas Steinhöfel, erzählt von den Entgrenzungen und Kernschmelzen der Liebe.

Es ist schon ein ungeheures Experiment, das wir da eher nebenbei begonnen haben: Der Bereich der größten Strenge und Ordnung, die bürgerliche Familie, hat sich gleichsam über Nacht in den Bereich der größten Nachgiebigkeit und Unordnung verwandelt. Und wer dürfte noch ernsthaft von „bürgerlicher Familie“ sprechen?

Phils Familie zum Beispiel. Da ist eine Mutter, die die Pubertät gewiss noch nicht hinter sich hat, dabei sind ihre Kinder schon 17 Jahre alt. Vielleicht, weil sie Hierarchien ablehnt, vielleicht auch, weil ihr das Wort „Mam“ sehr unpassend vorkommt, nennen ihre Kinder sie nur Glass. Glass’ Vorgeschichte liegt in Amerika und im Dunkeln, genau wie des großen Unbekannten, des Vaters ihrer Kinder, und Kochen kann sie auch nicht.

Mag sein, aus diesen Zeilen klingt eine gewisse Reserve. Man muss sich den Gestus dieses Films – optisch und mental – so vorstellen, wie die Sätze, die die Beteiligten gewöhnlich sagen: Es war „einer dieser himmelblauen Tage, die nach Vanilleeis und Zukunft schmecken“ oder „Eine kleine silberne Kälte nistete sich in unserer Mitte ein“.´

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Die letzte Auskunft ist schnell erklärt: Zur Familie gehört neben Glass (Sabine Timoteo) und ihrem Sohn Phil auch dessen Zwillingsschwester Dianne, und zwischen ihr und der Mutter ist irgendwann eine mysteriöse große Eiszeit ausgebrochen, von der auch Phil betroffen ist. Als Kinder waren die Zwillinge unzertrennlich, jetzt redet seine Schwester kaum noch mit ihm. Gottseidank gibt es dafür Kat aus seiner Klasse, die redet nur und doppelt so schnell wie alle anderen, die kann gar nicht schweigen: Svenja Jung.

Phil und Kat also! Phil und Kat? Nein, das nun auch wieder nicht, sonst würde Phil anders schauen, als der Neue zum ersten Mal in die Klasse kommt. Er kommt in Zeitlupe und mit Rotblende davor, so ein öliger Typ. Auch das noch. Sollte man Menschen nicht dafür verantwortlich machen dürfen, in wen sie sich verlieben? Das müsste doch strafbar sein, gegebenenfalls.

Der junge Louis Hofmann, schon jetzt mit Preisen überhäuft, spielt diesen liebenden Phil mit einer äußersten Sensitivität, gleichsam hautlos. Rein äußerlich ist er noch ein Mensch mit eigenen Umrissen, aber das täuscht. Die Grenzen seiner Welt sind die des Öligen: Jannik Schümann als Nicholas.

Die Kernschmelze der Liebe wird sichtbar

Regisseur Jakob M. Erwa („Heile Welt“) setzt immer wieder großen Ehrgeiz darein, die Entgrenzungen und Kernschmelzen, die wir auch Liebe nennen, optisch sichtbar zu machen, das verstimmt durchaus. Konfetti? Und doch gewinnt die nach Andreas Steinhöfels Roman „Die Mitte der Welt“ gedrehte Geschichte zunehmend Tiefe.

Phils Liebe endet in der Katastrophe, das Geheimnis des schwesterlichen Rückzugs ist monströs, aber doch irgendwie folgerichtig, und dann muss auch noch die spätpubertäre Glass erlöst werden. Ja, man gewöhnt sich sogar an Glass. Lauter Seelenwanderungen. Und jede hat das gleiche Ziel: ihre ureigene Mitte der Welt.

In den Cinemaxx, Cinestar Tegel, FaF, Kant, Kulturbrauerei, Moviemento

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