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© Anna Schmidt/Tsp

Weihnachtstipps: Geschenke für die queere Gemeinde

Immer noch nichts zu Weihnachten besorgt? Das Queerspiegel-Team gibt Tipps für Geschenke, die alle unterm Regenbogen erfreuen. Ein Streifzug durch aktuelle LGBTI-Filme, Serien und Bücher.

Streng genommen ist natürlich nicht Weihnachten, sondern der CSD der höchste Feiertag für alle Menschen unterm Regenbogen. Beschenkt werden macht trotzdem immer Spaß. Der Queerspiegel, der LGBTI-Blog des Tagesspiegels, hat Tipps für alle zusammengestellt, die immer noch nicht wissen, womit sie ihre queeren Lieben beglücken können.

Luftig-Leichtes über LGBTI: "Will & Grace", Staffeln 4 bis 6

Wikipedia stellt die Serie so vor: „Will & Grace ist eine US-amerikanische Sitcom, in der es vornehmlich um Homosexualität als gesellschaftliches Phänomen geht.“ Naja, Humor ist nicht gerade Sache von Lexika. Den mussten sich Fans der Serie aber jahrelang bewahren. Nachdem die ersten drei synchronisierten Staffeln zügig auf DVD erschienen waren, gab es ewig eine Pause. Immerhin fehlten noch fünf. Nicht nur in den Kommentarspalten bei Amazon häuften sich die Beschwerden, sondern auch in vielen Internetforen.

Zwei plus zwei. Sean Hayes alias Jack McFarland, Eric McCormack (Will Truman), Debra Messing (Grace Adler) und Megan Mullally (Karen Walker) spielen die Hauptrollen in "Will und Grace".
Zwei plus zwei. Sean Hayes alias Jack McFarland, Eric McCormack (Will Truman), Debra Messing (Grace Adler) und Megan Mullally (Karen Walker) spielen die Hauptrollen in "Will und Grace".

© Koch Media

Glücklicherweise wurde das Rufen dieses Jahr erhöht – 14 Jahre nach dem Start im deutschen Fernsehen. Im Frühjahr erschien Staffel 4 auf DVD, aktuell ist die fünfte da, im Januar kommt die sechste heraus. Fehlen dann noch zwei. Wer die DVDs verschenkt, kann den Spannungsbogen also gut und gern von Weihnachten über Valentins-, Geburts- und andere Tage spannen. Aber wer hält es so lange ohne den sympathisch-spießigen Anwalt Will Truman, die durchgeknallte Innenarchitektin Grace Adler, Möchtegern-Schauspieler Jack McFarland und Suffnase Karen Walker aus? Zudem enthalten die DVDs von Staffel 4 und 5 bereits Highlights der gesamten Serie: die Gastauftritte von Cher und Madonna.

Zugegeben gibt es Serien, die LGBTI-Themen tiefschürfender behandeln, aber keine hat es bislang geschafft, luftig-leichte Comedy daraus machen. Lobenswert ist die Synchronisation, sogar Kultstatus hat die deutsche Piepsstimme von Karen (Inez Günther). Puristen können natürlich auch gern auf Englisch umschalten. Björn Seeling

Herzerwärmendes für kalte Winternächte: Der Film "Zomer"

Coming-of-Age-Filme sind im queeren Kino ein gut eingeführter Standard. Auf lesbischer Seite scheint sich seit einiger Zeit überdies der Sommerliebe-Film als eigenes Sub-Genre herauszubilden, zu dem unter anderem „My Summer of Love“, „Water Lilies“ und „Summer of Sangaile“ gezählt werden können. Mit Colette Bothofs „Zomer“ (Sommer) kam zuletzt ein Werk aus den Niederlanden hinzu, das in Deutschland nicht in den Kinos lief, aber jetzt mit Untertiteln auf DVD (Salzgeber & Co.) erhältlich ist.

Die Regisseurin nimmt sich zunächst viel Zeit, die kleine südholländische Gemeinde zu erkunden, in der sie ihre Geschichte ansiedelt. In die malerische Szenerie aus Feldern, Flüssen und Alleen ragt der Kühlturm eines Kraftwerks wie ein großes graues Monster hinein. Auch Hochspannungsmasten durchkreuzen die Idylle. Doch die Menschen hier stören sich nicht an der summenden und brummenden Technik. Für sie ist sie ein selbstverständlicher Bestandteil ihrer Umgebung und das Kraftwerk ein wichtiger Arbeitgeber. Auch der Vater von Anne (Sigrid ten Napel) hat dort einen Job.

Anne (Sigrid ten Napel) und Lena (Jade Olieberg) in "Zomer" aus den Niederlanden.
Anne (Sigrid ten Napel) und Lena (Jade Olieberg) in "Zomer" aus den Niederlanden.

© Edition Salzgeber/promo

Die zweite große Macht im Dorf ist die Kirche. Man betet zu Maria und geht sonntags in den Gottesdienst. Die Frauen verrichten brav die Hausarbeit, ertragen schlagende und trinkende Männer. Und wenn ein Bauersknecht eine Teenagerin vergewaltigt und schwängert, müssen die beiden eben heiraten. Dem Pastor fällt schon eine passende Predigt ein.

Die 16-jährige Anne entzieht sich dieser Welt so weit sie kann durch Schweigen. Sie wird „die Stille“ genannt und schwimmt im Kielwasser ihres älteren Bruders im Strom der pubertierenden Dorfjungen mit. Es leuchtet nicht ganz ein, dass diese ruhige Figur trotzdem ständig zu hören ist. Denn sie kommentiert aus dem Off - offenbar einige Zeit später - die Handlung und ihre damaligen Gefühle.

Das wäre gar nicht nötig gewesen, denn man versteht auch so, dass Anne einsam ist und sich mit einem Mal alles ändert, als Lena (Jade Olieberg) mit ihrer Mutter in den Ort zieht. Sie ist sofort fasziniert von der jungen Frau mit dem Motorrad und den braunen Locken, die so offen und lebendig ist. Nach dem ersten Kuss läuft Anne noch weg, doch bald ist ihr klar, dass Lena ihr Ausweg aus dem emotionalen Vaccuum ihres Umfelds ist.

Die Annäherung der Mädchen verläuft in „Zomer“, der in einer Prä-Mobiltelefon-Zeitlosigkeit spielt, vielleicht etwas zu rasch. Dennoch ist der Film vor allem für ein jüngeres Publikum sehenswert, das in einer ähnlichen Lebensphase wie die Protagonistinnen steckt und sieht: Selbstbewusst anders zu sein als die Mehrheit, kann auch funktionieren. Nadine Lange

Galopp in die Pubertät: "Von Mädchen und Pferden"

Keine ganz so eindeutige Botschaft hat „Von Mädchen und Pferden“, der ebenfalls als DVD (Salzgeber) erschienen ist. Die queere Regisseurin Monika Treut („Gendernauts“, „Ghosted“) erzählt darin ebenfalls eine Sommergeschichte aus der Provinz: Die 16-jährige Schulabbrecherin Alex (Ceci Chuh) wird von ihrer Adoptivmutter zu einem Praktikum auf einem Reiterhof im Rickelsbüller Koog verdonnert. Sie soll zur Ruhe kommen, klare Strukturen lernen.

Trotzig und auf Krawall gebürstet, bezieht Alex dort ihr Zimmer. Doch die Pferde mag sie irgendwie und die lesbische Reitlehrerin Nina (Vanida Karun) auch. Einmal versucht sie sogar, die Mittdreißigerin zu küssen. Ähnlich wie Anne in „Zomer“ ist Alex auf der Suche nach Nähe und Halt. Sie fühlt sich fremd bei ihrer Adoptivmutter und sehnt sich danach ihre leibliche Mutter, eine Brasilianerin, kennen zu lernen.

Alex und Kathy in "Von Mädchen und Pferden": Eine Freundschaft, die vielleicht zu mehr werden könnte.
Alex und Kathy in "Von Mädchen und Pferden": Eine Freundschaft, die vielleicht zu mehr werden könnte.

© Edition Salzgeber/promo

Zunächst mal macht sie aber Bekanntschaft mit der etwa gleichalten Kathy (Alissa Wilms), die mit ihrem Pferd auf den Hof kommt, um Ferien zu machen. Anfangs ist Alex eifersüchtig auf sie, wenn Nina mit ihr ausreitet oder ihr Unterricht gibt. Das legt sich aber bald und zwischen den Mädchen beginnt eine Freundschaft, die vielleicht zu mehr werden könnte.

„Von Mädchen und Pferden“ ist ein fast männerloser Film, der geduldig und liebevoll auf seine Charaktere blickt - sowohl Menschen als auch Tiere. Die Weite der Landschaft, die Größe des Himmels - Treut feiert den Norden in eindrucksvollen Bildern. Und ihre beiden jungen Darstellerinnen zeigen glaubhaft die verwirrende Gefühlswelt weiblicher Teenager. Nadine Lange

Feier des Schwulseins: "Die Schwimmbad-Bibliothek"

So elegant und süffig wie der Engländer Alan Hollinghurst schreibt wohl kaum einer über schwule (Sub)kultur und schwules Leben. Bekannt wurde Hollinghurst hierzulande vor allem mit seinem mit dem Booker-Preis ausgezeichneten Roman „Die Schönheitslinie“ - ein grandioses Sittengemälde der Thatcher-Zeit.

In diesem Jahr ist endlich sein lange vergriffener Erstling „Die Schwimmbad-Bibliothek“ auf Deutsch wieder aufgelegt worden (Albino-Verlag). Das Buch spielt in London im Jahr 1983. Von Aids ist allenfalls etwas zu ahnen, „der letzte Sommer, der so sein sollte“, merkt der junge Adlige William Beckwith ominös an. William vergnügt sich sorglos, bis er dem alten Lord Nantwich auf einer Klappe das Leben rettet.

Die Schwimmbad-Bibliothek, dieses Jahr wieder in einer Neuauflage auf Deutsch erschienen.
Die Schwimmbad-Bibliothek, dieses Jahr wieder in einer Neuauflage auf Deutsch erschienen.

© Promo

Schon in seinem Debüt versteht es Hollinghurst perfekt, die englische Klassengesellschaft und die schrankenlose Welt der schwulen Clubs, Gyms, Bäder und Saunen gleichermaßen zu porträtieren. Ein hochliterarisches Werk, ganz besonders übrigens auch bei den erotischen Exzessen Williams. Diese Szenen veranlassten den kanadischen Zoll übrigens, das Buch im Erscheinungsjahr 1988 zu beschlagnahmen.

Die Zeiten sind hoffentlich vorbei. Noch immer unbedingt lesenswert ist dagegen, mit welcher Selbstverständlichkeit Hollinghurst das Schwulsein feiert. Tilmann Warnecke

Feminismus-Manifest: Laurie Pennys „Unsagbare Dinge. Sex, Lügen und Revolution“

Besteht Feminismus wirklich darin, Frauen in die Aufsichtsräte zu bringen? Natürlich nicht, meinen viele linke Feministinnen. Einzelnen privilegierten „Karrierefrauen“ beim Fortkommen zu helfen, verfestige nur das neoliberale System. Feminismus aber solle ein besseres Leben für alle schaffen. So sieht es auch der Jungstar des Feminismus, die 29-jährige Britin Laurie Penny.

In ihrem neuen, nun auch auf Deutsch erschienenen Buch  „Unsagbare Dinge. Sex, Lügen und Revolution“ (288 Seiten, 16,90 Euro) wütet sie gegen ökonomische Ausbeutung, die sogar längst die Sexualität den radikalen Gesetzen des Marktes unterworfen habe: Unter der Maske der sexuellen Befreiung werde eine rigide, Konformität verlangt, sehe Sex zunehmend wie Arbeit aus.

Laurie Penny.
Laurie Penny.

© Wikipedia

Die Gesellschaft sei übersexualisiert. Doch Frauen und Mädchen, die darin ihre Lust ausleben wollen, würden dafür öffentlich beschämt, während Politiker jeder Couleur die Vergewaltigung von Frauen rechtfertigten: „The ideal woman is fuckable, but never actually fucks“, schreibt Penny („Die ideale Frau ist fickbar, aber fickt selbst nicht“). Auch persönliche Erfahrungen, etwa über den Versuch einer Klinik, sie als magersüchtigen genderqueeren Teenager zur Konformität zu drängen, oder ihre Erfahrungen mit Cybermobbing lässt Penny einfließen.

Wie kann sich grundlegend etwas ändern? Penny hofft auf eine große Allianz zwischen Frauen und der Masse der Männer, die – abgesehen von ihrer Macht über Frauen – durch die ganze Geschichte hinweg selbst nie wirklich mächtig gewesen sei.

Pennys durchgängig hohes Pathos strengt bisweilen an. Ein spannendes Weihnachtsgeschenk ist das Buch aber allemal. Anja Kühne

"Das Ende von Eddy": Harter Tobak aus der französischen Provinz

Der französische Schriftsteller Édouard Louis war gerade einmal 20 Jahre alt, als sein Debütroman vor zwei Jahren erschien. Und der war nicht weniger als eine Autobiografie, die von Fall und Aufstieg eines kleinen Jungens erzählte, jenes titelgebenden Eddy, der seinen Namen in den schön bourgeois klingenden Edouard geändert hat.

In Frankreich ein Star: Édouard Louis (22) lebt heute in Paris.
In Frankreich ein Star: Édouard Louis (22) lebt heute in Paris.

© Promo

Was der zu erzählen hat, ist harter Tobak. Der kleine Junge wird vom Vater regelmäßig gegängelt, von der Mutter belächelt und vom großen Bruder verprügelt. Alles, weil er irgendwie anders, vielleicht sogar schwul ist. In der französischen Provinz bedeutet tolerant zu sein, den Alkoholismus drumherum zu ertragen, aber nicht, einen anderen Lebensentwurf zu dulden. Und so verlottert Eddy. Geistig, weil ihm niemand zu Hause etwas beibringen will. Körperlich, weil das Haus, in dem die Familie lebt, eine Bruchbude ist.

Ein eindrucksvoller Bericht aus der vergessenen Landprovinz, der genauso auch hätte in der Ukraine spielen können. Die beste literarische Auseinandersetzung mit Homosexualität, die dieses Jahr auf Deutsch erschienen ist (Fischer Verlag). Ulf Lippitz

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