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Radfahrer auf Radweg vor blauem Radwegschild.

© dpa

Radfahrer und Verkehrsregeln: Besser auf der Straße bleiben - trotz Radweg

Hätten Sie es gewusst? In Berlin müssen 85 Prozent der Radwege nicht von Radfahrern benutzt werden. Das wissen aber nur die Wenigsten; deshalb will ein Berliner jetzt das Bundesverkehrsministerium zu mehr Informationen verpflichten.

Diese Frage dürfte bei Günther Jauch mindestens 16.000 Euro wert sein: Muss ein vorhandener Radweg auch benutzt werden? Ja, glaubten 85 Prozent der Teilnehmer einer repräsentativen Befragung durch die Unfallforschung der Versicherer (UDV) im vergangenen Jahr, wobei die Wissenslücke bei Rad- und Autofahrern ähnlich groß war. Deshalb hat sich ein Berliner – Rad- und Autofahrer gleichermaßen – jetzt an den Petitionsausschuss des Bundestages gewandt. Er beschwert sich über das Bundesverkehrsministerium „wegen dauerhafter Nichteinhaltung der Informationspflicht gegenüber dem Bürger über wesentliche und grundsätzliche Bestandteile der Straßenverkehrsordnung seit 1998“. Denn die Straßenverkehrsordnung stellt Radlern frei, die Fahrbahn zu benutzen. Nur wo die blauen Schilder stehen, müssen sie auf dem Radweg bleiben – was laut der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung in Berlin nur rund 15 Prozent Radwegenetzes betrifft.

85 Prozent Ahnungslosigkeit lassen für jene Radfahrer, die ihre Wahlmöglichkeit kennen und nutzen, die Fahrt auf der Fahrbahn zum Spießrutenlauf werden: Von aggressiver Rechthaberei bis zu Nötigung kann praktisch jeder berichten. Der Berliner Dirk Eggestein, der die Petition verfasst und inzwischen auch die Zusage zur weiteren Bearbeitung erhalten hat, wirft dem Verkehrsministerium vor, über weitaus weniger wichtige Änderungen der StVO viel umfassender zu informieren als über diese, die wirklich bedeutsam für Verkehrsklima und Sicherheit sei. Er hat das Ministerium nach eigener Auskunft bereits 2005 gebeten, „dieses gefährliche Informationsdefizit abzustellen“. Diese Bitte sei mit dem Hinweis abgelehnt worden, die Bevölkerung sei ausreichend informiert. Dank der repräsentativen Studie der Versicherungswirtschaft hat der Autor nun den Beweis des Gegenteils in der Hand.

Eggestein hofft, dass der Bundestag das Ministerium nun in die Spur schickt und die Info-Kampagne doch noch kommt. Mehrere Untersuchungen haben zudem gezeigt, dass sich die Verkehrssicherheit erhöht: Radfahrer auf der Fahrbahn kommen weder Fußgängern in die Quere, noch können sie leicht übersehen werden wie auf separaten Seitenstreifen.

Das Bundesverkehrsministerium beantwortet die Frage nach einem möglichen Informationsdefizit nicht direkt, sondern erklärt, dass sich die Bürger im Internet-Zeitalter problemlos informieren könnten und dass Verkehrserziehung eine Daueraufgabe sei, um die sich beispielsweise auch die Verkehrswacht und die Polizei kümmerten. Und die 85 Prozent Unwissenden repräsentierten „nicht die Gesamtheit aller Verkehrsteilnehmer in Deutschland“, sondern nur die für die Studie in den vier teilnehmenden Städten befragten Rad- und Autofahrer. Wobei diese Tatsache die Angelegenheit eher schlimmer als besser machen dürfte.

Bei mehr als 90 Prozent der Unfällen mit Radfahrern tragen die Autofahrer die Hauptschuld

Die Unfallforscher der Versicherungswirtschaft haben für ihre Studie rund 900 Unfälle zwischen geradeaus fahrenden Radlern und abbiegenden Autos in vier Städten untersucht. Bei mehr als 90 Prozent trugen die Autofahrer die Hauptschuld. Aber oft erhöhten Radfahrer das Risiko, weil sie in falscher Richtung oder auf Gehwegen fuhren. Als wichtigste Schlussfolgerung erklären die Unfallforscher, dass Sichthindernisse zwischen Rad- und Autofahrern an Kreuzungen konsequent beseitigt werden müssten. Außerdem müssten Radwege und -spuren „regelkonform gestaltet, erkennbar und verständlich sein“. Das gelte ausdrücklich auch für Radwege ohne Benutzungspflicht. Ansonsten sollen sie lieber zurückgebaut werden, statt vor sich hinzubröseln und den Rechthabern am Steuer eine Vorlage zu liefern. Zumal selbst die 15 Prozent der beschilderten Radwege laut StVO nur benutzt werden müssen, wenn das nach ihrem Zustand zumutbar sowie „die Linienführung eindeutig, stetig und sicher“ sei, also frei von Hindernissen und mindestens 1,5 Meter breit, möglichst sogar zwei. Aber mit diesen Details nähert sich das Thema der 125.000-Euro-Frage – obwohl es fast jeden betrifft.

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