zum Hauptinhalt

"Ride of Silence" 2016: Radfahrer radeln für mehr Sicherheit

Mehr als tausend Radfahrer strampeln schweigend und in weißen Klamotten 30 Kilometer durch Berlin. Sie wollen an Unfallopfer erinnern und üben Kritik am Senat.

d

7724 Fahrrad-Unfälle 2015, hohe Todesopferzahlen, fehlende oder zugeparkte Radwege. Es gab viele Gründe, sich am Mittwochabend auf’s Fahrrad zu schwingen und 30 Kilometer durch Berlin zu radeln. Zum zweiten Mal nahmen Berliner am „Ride of Silcence“ teil, bei dem Fahrradfahrer in 350 Städten weltweit für mehr Sicherheit und Akzeptanz im Straßenverkehr protestieren. Nach Polizeiangaben folgten mehr als tausend Radfahrer dem Aufruf von Fahrradclub (ADFC), Fahrrad-Volksbegehren und Umweltverband BUND und starteten um kurz nach 19 Uhr am Brandenburger Tor. Im vergangenen Jahr hatten 1200 Radler demonstriert. Überwiegend weiß gekleidet, bewusst schweigend und mit maximal zwölf Stundenkilometer zog sich der Rad-Konvoi hunderte meterlang über die Straßen. Niemand klingelte, viele trugen das "Ride of Silence"-Shirt.

500.000 Radfahrer in Berlin - jeden Tag

„Ich fahre heute, weil ich jeden Tag großer Gefährdung ausgesetzt bin. Uns fehlt einfach die Infrastruktur“, sagt Hans-Wolfgang Sperber. Mit seinem Rad fährt er jeden Tag vom Wedding zur Arbeit nach Friedenau. „Oft gibt es keine Fahrradwege, dann beschimpfen mich Auto- und Busfahrer und Fußgänger. Ich habe langsam das Gefühl, dass wir der letzte Abschaum sind“, sagt er verärgert. ADFC-Sprecher Nicolas Linck kennt das Problem: „In Berlin ist das Verkehrsaufkommen in den letzten Jahren rasant gewachsen, während sich die Infrastruktur kaum entwickelt hat.“ Rund 500.000 Menschen seien täglich mit dem Rad im Berliner Verkehr unterwegs. „In der Innenstadt haben wir sogar mehr Rad-, als Autofahrer“, so Linck. Allerdings gibt er zu, dass Berlin im Vergleich nicht so schlecht dasteht. „In den USA gibt es überhaupt keine Fahrradkultur im Straßenverkehr.“

Wenig verwunderlich also, dass der Ride of Silence 2003 in der texanischen Stadt Dallas entstand. Inzwischen findet der Protest jedes Jahr in über 20 Ländern immer am dritten Mittwoch im Mai statt. Neben Berlin gingen Fahrradfahrer unter anderem in Hamburg, Köln und Osnabrück auf die Straße. Im Vordergrund steht dabei das Gedenken an getötete und verletzte Fahrradfahrer. In Berlin hatte es 2014 und 2015 jeweils zehn tödlich verunglückte Fahrradfahrer gegeben – viele weil sie beim rechts abbiegen übersehen wurden. Obwohl die Fahrradsaison gerade erst begonnen hat, sind in diesem Jahr wurden bereits sieben Radfahrer getötet worden. In vier Fällen waren LKWs beteiligt.

Grüne üben Kritik am Senat

An der Demo am Abend wollte – wie bereits im letzten Jahr - auch der verkehrspolitische Sprecher der Grünen, Stefan Gelbhaar, teilnehmen. Bereits im Voraus hatte er sich unzufrieden mit der Situation gezeigt: „Wir haben etwa 1500 Kilometer Hauptverkehrsstraßen und nur ein bisschen mehr als die Hälfte haben einen Radstreifen. Wenn man als Radfahrer keine Infrastruktur für sich vorfindet und auf Autostraßen oder Fußgängerwege ausweichen muss, ist das gefährlich und ärgert die Fußgänger.“ Er sieht deswegen den Senat in der Pflicht: „Die Koalition entscheidet jeden Tag über eine Autofahr- oder Radstrecke, da muss man eben Prioritäten setzen. An 364 Tagen entscheiden sie sich für Autos und an einem Tag für Fahrräder“, so der Grünen-Politiker.

Mehr als tausend Radfahrer beteiligten sich am "Ride of Silence" durch die Stadt, zahlreiche von ihnen waren in weiß gekleidet. Sie wollen damit an verunglückte Radfahrer erinnern.
Mehr als tausend Radfahrer beteiligten sich am "Ride of Silence" durch die Stadt, zahlreiche von ihnen waren in weiß gekleidet. Sie wollen damit an verunglückte Radfahrer erinnern.

© dpa

Von der Politik enttäuscht sind auch Kathrin Dorenburg-Bunn und ihr Mann Michael. "Senator Geisel sollte mehr Radwege bauen lassen und nicht nur schöne Reden halten", sagt sie. Sie hoffen deshalb auf den angestrebten Fahrrad Volksentscheid. Zumindest werde dieses Begehren Aufmerksamkeit auf das Thema lenken, da ist sie sich sicher. Auch ihre heutige Teilnahme soll ein Zeichen sein. Ein Zeichen sind auch die sogenannten Geisterfahrräder, die der ADFC in Berlin aufgestellt hat. Diese weiß lackierten Fahrräder hat der Fahrradclub an Orten aufgestellt, an denen Fahrradfahrer in den letzten Jahren tödlich verunglückt sind. Acht solcher Stellen passieren die Demonstranten auf ihrem Weg vom Tiergarten, über Charlottenburg, Schöneberg, Treptow und Friedrichshain zum Roten Rathaus. Von dort gehen die Radler getrennte Wege und rollen in die Berliner Nacht hinaus.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

In einer früheren Version des Textes wurde der ADFC-Sprecher mit der Aussage zitiert, dass es in London einmal sieben tote Radfahrer in einer Woche gegeben habe. Am Tag darauf sagte er, dass das so nicht stimme und revidierte er seine Angabe.

Zur Startseite