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Polizisten bei einem der vielen Einsätze in der Rigaer Straße in Friedrichshain.

© Gambarini/dpa

Rigaer Straße: Der umstrittene Polizeieinsatz wurde von Henkel nicht geprüft

Rechtliche Bewertung blieb Sache der Polizeibehörde. Auch Müller steht nun unter Druck. Die Sondersitzung des Innenausschusses findet am Donnerstag statt.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Die Rechtsgrundlage für die umstrittene Polizeiaktion in der Rigaer Straße 94 wurde von der Polizeibehörde allein festgelegt. Die Senatsinnenverwaltung verzichtete darauf nachzuprüfen, ob die juristischen Voraussetzungen für den Einsatz tatsächlich vorlagen. Erst am Vortag der Aktion, die am 22. Juni stattfand, weihte Polizeipräsident Klaus Kandt den Innensenator Frank Henkel (CDU) telefonisch ein. Der nahm die Information entgegen, ohne die Juristen der eigenen Verwaltung und Innen-Staatssekretär Bernd Krömer (CDU) einzubeziehen.

Die Innenverwaltung des Senats findet dieses Vorgehen nach Informationen des Tagesspiegels nicht ungewöhnlich und verweist auf die primäre Zuständigkeit der Polizei, wenn es um die Vorbereitung und Konzeption solcher Einsätze gehe. Außerdem habe sich Senator Henkel nach dem jüngsten Urteil des Landgerichts voll hinter die Polizei und deren Einsatzkonzept gestellt.

Es ging, wie berichtet, um den Schutz von zwei Dutzend Bauarbeitern, die im Auftrag der Hausverwaltung am 22. Juni damit beschäftigt waren, Räume des Vereins „Kadterschmiede“ im Seitenflügel und Hinterhaus der Rigaer Straße 94 leerzuräumen. Im Einsatz waren 300 Polizeibeamte. Jetzt stellte das Landgericht fest, dass der Hauseigentümer dafür keinen Rechtstitel habe, außerdem sei kein Gerichtsvollzieher vor Ort gewesen. Im Ergebnis des Urteils durften die Betreiber der „Kadterschmiede“ wieder einziehen. Von der autonomen Szene in der Rigaer Straße wurde dies als Sieg gefeiert.

Sozialdemokraten sehen das anders

Mit den politischen Auswirkungen des Polizeischutzes für eine illegale Räumung durch den Hauseigentümer wird sich am Donnerstag der Innenausschuss des Abgeordnetenhauses befassen. Die Sondersitzung wurde von Grünen, Linken, Piraten und einem SPD-Abgeordneten beantragt. Im Fokus der Aufmerksamkeit stehen Innensenator Henkel und die von ihm geteilte Rechtsauffassung der Polizei, dass der Einsatz nach § 1, Absatz 3 erfolgen durfte. Dort steht: „Die Polizei hat im Rahmen der Gefahrenabwehr auch Straftaten zu verhüten sowie für die Verfolgung von Straftaten vorzusorgen.“

Nicht nur die Opposition, auch die Sozialdemokraten sehen das anders. Nach einer gemeinsamen Besprechung führender Partei- und Fraktionsmitglieder sind sich die Genossen weitgehend einig, dass die massive Polizeiaktion rechtlich auf tönernen Füßen stand – und auch deshalb eine Befriedung der ohnehin komplizierten Lage in der Rigaer Straße massiv erschwert. Nach Einschätzung der Innen- und Rechtsexperten der SPD hat die Polizei den Falschen geschützt, nämlich den Hauseigentümer, der momentan keinen Besitzanspruch auf die Räume der Kadterschmiede habe. Die Sicherheitskräfte hätten eigentlich die Bauarbeiter daran hindern müssen, die Räume zu betreten und leerzuräumen.

In der SPD wird der „massive Grenzüberschritt“ des Innensenators kritisiert. Es erhöht sich aber auch der Druck auf Michael Müller (SPD). „Der Regierende Bürgermeister gibt im Konflikt um die Rigaer Straße bislang den Zaungast“, sagte der Grünen-Landeschef Daniel Wesener dem Tagesspiegel. Er dürfe den „frei drehenden Innensenator“ nicht einfach gewähren lassen. Es sei höchste Zeit für eine politische Lösung, „mit oder ohne Henkel“. Auch in SPD-Kreisen gibt es Kritik an Müllers „Zickzack-Kurs“. Jetzt ist er dem Vernehmen nach wieder offen für Gespräche zu einer Befriedung der Rigaer Straße.

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