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Innensenator Frank Henkel (CDU).

© dpa

Rigaer Straße in Berlin-Friedrichshain: Senator Henkel zeigte klare Kante

Klar und klug wurde im Berliner Abgeordnetenhaus über die Rigaer Straße debattiert. Innensenator Henkel schlug sich erstaunlich gut - muss aber aufhören, den anderen Parteien zu unterstellen, dass sie bei linker Gewalt wegschauen. Ein Kommentar.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Wenn es gelingt, dass fünf Parteien zwei Monate vor einer Wahl einigermaßen vernünftig über ein schwieriges Thema reden, ist das ein Erfolg. So gesehen war die Sondersitzung des Innenausschusses im Berliner Abgeordnetenhaus, die sich am Donnerstag mit einem umstrittenen Polizeieinsatz in der Rigaer Straße befasste, eine gute Sache.

Zieht man die üblichen Aufgeregtheiten und wahlkampfbedingten Aussetzer ab, wurde sowohl in der Sache als auch politisch viel geklärt. Zum einen erhärtete sich der Verdacht, dass die Polizei am 22. Juni auf unhaltbarer Rechtsgrundlage dem Hauseigentümer zur Seite sprang, der einen Teil des Gebäudes in der Rigaer Straße 94 mithilfe von Bauarbeitern und privaten Sicherheitskräften entmüllen und inspizieren wollte, ohne dafür zivilrechtlich legitimiert zu sein.

Zum anderen konnte die Polizei die Vermutung entkräften, sich mit dem Eigentümer verkumpelt zu haben, um in dem Haus und seiner Umgebung endlich mal so richtig aufzuräumen. Trotzdem stehen der christdemokratische Innensenator Frank Henkel und sein Polizeipräsident Klaus Kandt nicht gut da – und sie müssen sich fragen lassen, ob die im Oktober 2015 festgelegte harte Generallinie zur Befriedung des Samariterviertels in Berlin-Friedrichshain der Wahrheit letzter Schluss ist.

Rücktrittforderung ist nicht begründbar

Dafür, dass er sehr unglücklich agierte, hat sich Henkel im Innenausschuss aber erstaunlich gut geschlagen. Er zeigte selbstbewusst klare Kante und wies zu Recht darauf hin, dass seine Rechtsauffassung von einem legalen Polizeieinsatz erst dann widerlegt ist, wenn ein Verwaltungsgericht in letzter Instanz entsprechend urteilen würde. Das wird in absehbarer Zeit nicht geschehen, es ist nicht mal ein Kläger in Sicht. Deswegen stellte der Noch-Koalitionspartner SPD im Ausschuss auch klar, dass eine Rücktrittsforderung gegen den Innensenator nicht begründbar wäre, jedenfalls nicht wegen der Rigaer Straße.

Entsprechend frei fühlte sich Henkel, um auf des Pudels Kern zu verweisen. Das ist die Frage, wie mit Autonomen und Linksextremen in Berlin umzugehen ist, die nicht nur abstrakt gewaltbereit sind, sondern fast täglich im öffentlichen Raum schwere Gewalt ausüben. Wie isoliert man diese Kriminellen von freundlich-naiven Mitbewohnern und braven antikapitalistischen Jugendorganisationen, die sich gegen klammheimliche Sympathie nicht immer wehren? Vor allem dann, wenn die Polizei ungeschickt und martialisch vorgeht. Und wie kommt man den Kriminellen bei? Die Ermittlungsquote gegen „linke“ Gewalt ist in Berlin erschreckend niedrig.

Dem Innensenator nimmt man es ab, dass sein Ekel gegen politisch motivierte Gewalt keine Wahlkampfnummer ist. Das Thema brennt ihm, das ließ er im Ausschuss erkennen, auf der Seele. Aber Henkels CDU muss aufhören, den anderen Parteien zu unterstellen, sie schauten bei linksextremer Gewalt gern weg. Im Einzelfall mag es das geben, doch die Solidarität der Demokraten an dieser Stelle infrage zu stellen, ist mies. Denn auch das wurde im Ausschuss deutlich: Die Befriedung des Konflikts um die Rigaer Straße gelingt nur, wenn alle mitmachen.

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