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Berlin: Ringkammeröfen, Porzellan und keine Krise

Tausende kamen zum ersten Tag der offenen Tür bei KPM

Elke Steiner aus Potsdam verliebte sich gleich in ein bemaltes Schälchen, erste Wahl, 100 Euro, schon um 24 Prozent reduziert. Eines der Sonderangebote der KPM zum Tag der offenen Tür am Sonnabend. Elke Steiner hätte gern mehr gekauft, aber Porzellan, zumal das königliche ist teuer. Meistens. Sylvia Mock sicherte sich beim Gang durch die Manufaktur zwei halbe Suppentassen, zweifellos fehlerhaft, dafür ganz umsonst. Zuhause, in Wedding wird sie sie zusammenkleben, in die Vitrine stellen und sich übers Schnäppchen freuen. „Als Ganzes hätte mich die Tasse mindestens 20 Euro gekostet.“

Tausende Besucher kamen gestern auf das Gelände der Königlichen Porzellan-Manufaktur am S-Bahnhof Tiergarten und staunten über die hinter Baustellen versteckten Reize: Über den Hof mit den restaurierten Backsteinbauten, über die sanierte alte Halle mit den 22 Ringkammer-Öfen. Im Hof waren Stände für KPM-Verkauf und Gastronomie aufgebaut und Bän- ke aufgestellt wie im Biergarten. Auf der neuen Treppe vor der restaurierten Halle sonnten sich die Gäste, in den Fabrikräumen sahen sie beim Modellieren, Brennen, und Glasieren zu, bewunderten Auslagen und kauften begeistert. Wer selbst die Sonderangebote der ersten Wahl zu teuer fand, konnte die Teller und Kannen zweiter Wahl im Berlin-Pavillon erstehen.

Die KPM wollte aus Anlass ihres 240-jährigen Bestehens ein neues, optimistisches Bild abgeben, die Schlagzeilen über ihre wirtschaftliche Krise vergessen machen, und auch die Besucher mochten von Krise nichts hören. Viele wunderten sich nur, dass sie im Hof ihren Kaffee aus Rosenthal-Tassen serviert bekamen. Die Betriebsratsvorsitzende Bozana Kreische wirkte mit ihrem Stand und den Hinweisen auf Arbeitsplatzabbau (von 421 im Jahr 1994 auf 176) und ihrer Warnung vorm billigen Verkauf der einst königlich privilegierten Manufaktur fast wie ein Mahnmal. Man müsse der KPM nur bis 2005 Zeit lassen, dann sei sie aus dem Gröbsten heraus.

Elmar Schmitz, der KPM-Geschäftsführer, zeigte sich derweil begeistert vom Besucherinteresse und kündigte an, den auf Kosten der Gewerbesiedlungsgeellschaft GSG neugestalteten Hof und die restaurierte historische Ofenhalle („Wir sind nur Mieter.“) bekannter zu machen und sie für öffentliche Veranstaltungen zu nutzen.

Der Tag der offenen Tür war gestern der erste Schritt. Eine publikumswirksame „Schau-Manufaktur“ wie in Meißen könnten sich die Berliner leider nicht leisten. „Vielleicht, wenn es der KPM einmal besser geht.“ Das Unternehmen schreibt rote Zahlen. Die Produktion ist zwar auf dem neuesten Stand, Schwachpunkte aber sind der Vertrieb, vor allem der Export. Die Investitionsbank, das Land Berlin und die KPM verhandeln zur Zeit mit möglichen Investoren. Von alldem war gestern aber nicht die Rede. Gestern konnte man meinen, die Welt sei ganz in Ordnung.

Christian van Lessen

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