zum Hauptinhalt
Ukrainische Demonstranten vor der Russischen Botschaft.

© dpa

Russen und Ukrainer in Berlin: Mit den Gedanken auf der Krim

Die einen demonstrieren vor der Russischen Botschaft, die anderen leben ihr Leben ganz normal weiter: Wie beurteilen in Berlin lebende Russen und Ukrainer die Geschehnisse auf der Krim? Eine Umfrage.

Das Banner vor der Russischen Botschaft sind eindeutig: „Are you really ready to kill us?“ – „Seid ihr wirklich bereit, uns zu töten?“ steht in Deutsch und Englisch auf dem Transparent, das mit Klebeband an einer Parkbank befestigt ist. Ein gutes Dutzend Demonstranten hat sich am Montagnachmittag auf dem Mittelstreifen des Boulevards Unter den Linden versammelt. Sie schwenken die Nationalflagge der Ukraine – gelb und blau – und machen Passanten auf ihr Anliegen aufmerksam. Sie sind gekommen, um gegen die russische Intervention auf der Halbinsel Krim zu protestieren.

Laut statistischen Landesamt leben knapp 19 000 Russen und rund 9000 Ukrainer in Berlin – die vielen aus Russland stammenden Menschen mit deutschem Pass nicht eingerechnet. Fast alle von ihnen sind derzeit mit den Gedanken in der alten Heimat – so wie Dswanislawa Mytsyk. „Wir stehen aus Frustration hier“, sagt die 32-Jährige aus Lwiw, einer Stadt im europäisch orientierten Landesteil im Westen. Ihr Protest richte sich gegen die „russische Aggression in der Ukraine“, sagt sie. Dazu gehöre auch, Fußgänger und interessierte Bürger über die Ereignisse in ihrer Heimat zu informieren. „Wir sind oft erstaunt, wie viel Falsches in den deutschen Zeitungen steht“. Das könne nicht sein, deswegen ist sie heute hier. „Für mich ist besonders wichtig, dass Deutschland weiß, was in der Ukraine passiert.“

Dswanislawa Mytsyk vor der Russischen Botschaft.
Dswanislawa Mytsyk vor der Russischen Botschaft.

© Alina Rapoport

„Die Menschen dort sind Helden“

Auch Michael Melnikow verfolgt die Ereignisse. Er hatte am Montagmittag einen Termin bei der ukrainischen Botschaft, kommt mit seiner Frau gerade aus dem Gebäude in der Albrechtstraße. Melnikow stammt aus Charkow, aus der prorussischen Ostukraine. Seit zehn Jahren lebt der 46-jährige in Deutschland. Im Gegensatz zu Mytsyk bedauert er, dass Russland nicht schon früher in der Region eingegriffen hat – und schimpft vielmehr auf die ukranischen Revolutionäre: „Die Ereignisse auf der Krim sind eine logische Folge der faschistoiden Provokationen auf dem Maidan.“ Vor solchen Kräften müsse Russland seine Heimat schließlich schützen – obwohl er den Einsatz des russischem Militär auf der Krim nicht gutheißt.

Natalia Luchenko. Die Studentin kommt aus Kiew.
Natalia Luchenko. Die Studentin kommt aus Kiew.

© Alina Rapoport

Die Studentin Vladyslava Luchenko aus Kiew genießt ihre Semesterferien bei einem Bummel auf der Friedrichstraße. Sie ist gegen die russische Intervention auf der Krim. „Ich bin schockiert“, sagt die 26-Jährige. Sie ist überzeugt, dass Russland nicht berechtigt ist, auf der Krim einzumarschieren. „Es gibt einfach keinen Grund dafür“, sagt sie, „endlich übernimmt das ukrainische Volk die Initiative und kämpft für seine Rechte.“ Luchenko macht sich Sorgen um ihre Landsleute und hofft, dass es nicht zu weiterem Blutvergießen wie auf dem Maidan in Kiew kommt. „Die Menschen dort sind Helden“, meint Luchenko, die sich nun um Freunde und Familie in der Heimat sorgt.

„Putin macht es falsch“

Der Stuttgarter Platz ist das Herz des russischen Berlin. Hier wird Russisch auf der Straße gesprochen, hier befindet sich der bekannte Spezialitäten-Supermarkt „Rossia“. Vladimir Pfeifle ist 20 Jahre alt und stammt aus Krasnojarsk, er füllt im „Rossia“ Regale auf. Für Pfeifle ist der Ausgang des Konflikts absehbar: „Die Ukraine wird sich spalten. Die USA wollen einen Zugang zum Schwarzen Meer, sie wollen Russland umzingeln. Und das ist mit Putin nicht zu machen.“ Bei seinen Freunden, so Pfeifle, gehen die Meinungen auseinander. „Die einen stehen voll hinter Putin, die anderen sind voll gegen ihn.“ Die Beziehungen zwischen Russen und Ukrainern in Berlin sieht Pfeifle nicht belastet. Er mache sich keine Sorgen, dass sich der Konflikt auch auf Deutschland auswirke. „Das entscheidet sich sowieso alles ohne uns.“

Natalia Spokoinyi am Fehrbelliner Platz.
Natalia Spokoinyi am Fehrbelliner Platz.

© Timo Kather

Vor der russisch-orthodoxen Christi-Auferstehungs-Kathedrale am Hohenzollerndamm steht Natalia Spokoinyi. „Putin macht es falsch“, sagt die 55-Jährige, die seit 20 Jahren Berlinerin ist. „Wir haben den Ukrainern zugesichert, ihre Grenzen zu achten. Jetzt schickt Putin Soldaten auf die Krim. Das ist Unsinn.“ Putins Argument, dass russischstämmige Ukrainer auf der Krim beschützt werden müssten, lässt die gebürtige Moskauerin nicht gelten: „Das ist ein Vorwand. Russland wird von Militärs und Ex-KGB-Agenten regiert.“ Ihr Schlusswort könnte für alle Ukrainer und Russen gelten: „Wir müssen anfangen, die anderen zu respektieren.“

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false