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Update

Bericht und Leserdebatte: Kabelbrand, Chaos, Bekennerschreiben

Nach einem Kabelbrand ist der Bahn-Verkehr in und um Berlin bis Dienstag eingeschränkt. Das Feuer ist wahrscheinlich vorsätzlich gelegt worden. Im Internet ist ein Bekennerschreiben aufgetaucht.

Es war ein schwarzer Tag für die Berliner S-Bahn. Hunderttausende quälten sich durch das Chaos rund um das lahmgelegte Nadelöhr am Bahnhof Ostkreuz, um doch noch irgendwie an ihr Ziel zu kommen. Weil neben dem Fahrstrom auch Signaltechnik und Telefonleitungen ausgefallen waren, konnte auf dem östlichen Ring nur noch gependelt werden. In Richtung Schönefeld, Erkner und Königs Wusterhausen fuhren stundenlang gar keine S-Bahnen, so dass ganze Bezirke und Teile des Umlandes abgeschnitten waren. Weil auch der Regionalverkehr betroffen war, hatten viele keine Chance, mit den Öffentlichen die Stadt oder wenigstens einen U-Bahnhof der nicht betroffenen BVG zu erreichen. Auch viele Mitarbeiter der Bahn waren von Informationen abgeschnitten und ratlos.

Südlich vom Ostkreuz hatten vermutlich Linksautonome gegen drei Uhr früh eine provisorische Kabelbrücke in Brand gesetzt. Ermittler fanden verkohlte Reste, die betroffenen Kabel führten über eine Baustelle der Bahn, die nicht besonders gesichert war. Militante Atomkraftgegner haben sich in einem im Internet verbreiteten Schreiben zu der Brandstiftung bekannt. Darin heißt es, man habe die Bahn angegriffen, um den Transport von „Atomtechnik und Atommüll“ und deutschen „Waffensystemen in die weltweiten Kriege“ zu sabotieren. Unterzeichnet ist das Bekennerschreiben mit „Grollen des Eyjafjallajökull“ – der Ausbruch des isländischen Vulkans hatte vor einem Jahr den Flugverkehr über Europa lahmgelegt. Die Polizei bestätigte die Existenz des Schreibens, man prüfe aber noch die Authentizität. Nach vorläufigen Erkenntnissen des Landeskriminalamtes wurde der Brand mit einer entzündbaren Flüssigkeit an Kabelsträngen gelegt, die in einer Brückenkonstruktion über eine Straße geführt wurden. Vergangenen November hatte es einen ähnlichen Kabelbrand ebenfalls auf dem S-Bahn-Ring gegeben. Auch damals hatte sich eine linksradikale Gruppe dazu bekannt.

„Das ist hier sehr abgelegen“, sagte ein Polizist. Wenn jemand nachts zündele, laufe er kaum Gefahr, entdeckt zu werden. Ein Bahnsprecher wies diese Einschätzung zurück. Die Kabelbrücke sei ausreichend mit einem Zaun gesichert gewesen. Dass so viele Leitungen gebündelt wurden, habe mit der Großbaustelle zu tun.

Besonders betroffen von den Ausfällen waren Touristen auf dem Weg zum Flughafen Schönefeld. Der Airport-Express der Bahn endete am Ostbahnhof. Die Zugbegleiter lotsten die Reisenden zum Infoschalter in der Empfangshalle. Dort durften sie sich für Taxigutscheine anstellen. Während am Ostkreuz zehn Bahn-Mitarbeiter postiert waren, um Auskünfte zu geben und den Pendlern die Verspätungsnachweise für den Arbeitgeber auszuhändigen, standen die Fahrgäste auf dem S-Bahnhof Neukölln am Häuschen der Aufsicht vor einer verschlossenen Tür mit dem Aushang „Keine Auskunft“. Erst nach energischem Klopfen zeigte sich eine gestresste Mitarbeiterin und beantwortete fast alle Fragen mit „Nein“. Grünau? Schönefeld? Königs Wusterhausen? Nicht mit der S-Bahn, allenfalls mit Bus und dreimal Umsteigen.

"Notstromnetz gehört zum Standard"

Ein „unerträgliches Informationschaos“ beklagte der Verkehrsverbund VBB angesichts solcher Szenen. „Es zeigt sich heute leider wieder einmal, dass weder die S-Bahn Berlin GmbH noch die Deutsche Bahn AG ausreichend auf Großstörungen vorbereitet sind“, erklärte VBB-Chef Hans-Werner Franz. Auch von der Pressestelle der Bahn waren tagsüber nur spärliche Auskünfte zu bekommen.

Der innenpolitische Sprecher der Berliner Grünen, Benedikt Lux, kritisierte die Sicherheitsstrukturen der Deutschen Bahn: „Ein für Hunderttausende Fahrgäste so wichtige Infrastruktur wie die S-Bahn muss besser geschützt werden. Ein Notstromnetz gehört zum Standard.“ Ein Sprecher von Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD) sagte, die Verkehrslage in der Hauptstadt sei zwar ohnehin angespannt, aber auch am Montag noch nicht dramatisch gewesen. Die Bahn müsse ihre Kunden allerdings schneller informieren. S-Bahn-Fahrgäste in der Hauptstadtregion müssen seit zwei Jahren immer wieder Einschränkungen hinnehmen. Wegen technischer Mängel kann nur ein Teil der Wagen eingesetzt werden. Behinderungen im Zugverkehr gab es am Montag auch durch den Arbeitskampf der Lokführergewerkschaft GDL bei der Ostdeutschen Eisenbahn.

Eine Mutter, die ihre Kinder von Neukölln nach Gesundbrunnen bringen wollte, damit sie dort den Zug für ihre Klassenfahrt erreichen, hatte es nach 20 Minuten nur bis Ostkreuz geschafft, Weiterfahrt ungewiss. In entgegengesetzter Richtung war ein Informatiker aus Ahrensfelde unterwegs. Bis Ostkreuz hatte er schon 45 Minuten im Zug gesessen und damit nicht mal die Hälfte seiner Odyssee nach Adlershof geschafft.

Im Pendelzug zur Warschauer Straße saßen zwei DFB-Pokalendspieltouristen aus dem Schwarzwald. Die Männer, vom Chaos überrascht, hatten sich per BVG-Plan eine abenteuerliche Ersatzroute zum Flughafen überlegt, die wahrscheinlich in Teltow geendet hätte. Immerhin hätten sie damit eine der wenigen Linien erwischt, die planmäßig fuhren: S 1, S 2 und S 25.

Wegen des Brandes am Ostkreuz waren auch zahlreiche Kunden von Telefonbetreibern durch Störungen betroffen. Hinzu kamen Probleme mit den Internetseiten der Deutschen Bahn. Denn neben Signalen, Lautsprechern und Anzeigern auf den Bahnhöfen waren auch der Online-Zugang der Bahn bis etwa 14 Uhr weitgehend lahmgelegt.

Nach Auskunft der Bahn muss auch am Dienstag noch mit Problemen gerechnet werden. Weitere Informationen finden Fahrgäste im Internet unter s-bahn-berlin.de sowie unter der Telefonnummer 030 - 29 74 3333. Die Berliner Verkehrsbetriebe, die U-Bahnen und Busse betreiben, sind unter 030 - 19449 zu erreichen.

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