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Wohlüberlegt. Schach-Exweltmeister Boris Spasski sitzt hier 1973 am Brett bei den UdSSR-Meisterschaften in Moskau. Sein legendäres Duell mit Fischer war ein Jahr zuvor.

© picture alliance / dpa

Schach-WM in Moabit: Russischer Schach-Exweltmeister Boris Spasski in Berlin

Boris Spasski schaut sich die Schach-WM in der Moabiter Bolle-Meierei an. Gleichzeitig feiert ein Hollywood-Film über ihn in Berlin Premiere.

Im Sommer 1972 standen sich die Supermächte in Reykjavik gegenüber. Dort traten von Anfang Juli bis Ende August die Großmeister im Schach gegeneinander an, auch um der Welt im Kalten Krieg symbolhaft zu zeigen, welches das bessere System war. Der amtierende Weltmeister Boris Spasski trat für die Sowjetunion an, sein Herausforderer Bobby Fischer für die USA.

Boris Spasski ist nun nach Berlin gekommen, um die Weltmeisterschaft im Blitz- und Schnellschach zu beobachten, die vom 10. bis 15. Oktober mit 200 Spielern in der alten Bolle-Meierei in Moabit ausgetragen wird, und um bei der Europa-Premiere des Hollywood-Films „Bauernopfer – Spiel der Könige“ zu sprechen, die am Freitagabend im Kino International gefeiert wird. Der Film von Edward Zwick mit Tobey Maguire und Liev Schreiber in den Hauptrollen handelt von dem legendären Match.

Keine Diva, aber auch nicht ganz einfach

Lange schon hat Boris Spasski keine Interviews mehr gegeben. Damals galt der studierte Russe zwar nicht ansatzweise als so schwierig und divenhaft wie der Amerikaner, aber ganz einfach im Umgang kann ein Schachgenie vielleicht nicht sein. Den vereinbarten Interviewtermin muss er ganz kurzfristig absagen, weil seine Gesundheit nicht so stabil ist. Später kommt es aber doch noch zu einer Begegnung, als er im Rollstuhl sitzend durch den Austragungssaal geführt wird. Sobald er die Schachbretter erblickt, fällt alles Abwehrhafte von ihm ab. Vorsichtig hebt er eine Figur an, studiert sie. „Italienisch?“, fragt er. Dann spielt er spontan eine Partie mit der russischen Führerin, die ihm die Räume zeigt, bis sie nach fünf oder sechs Zügen matt ist. Ja, er spielt immer noch gerne. Und es sei kein Problem, Partner zum Spiel zu finden. „Das Problem besteht darin zu gewinnen“, sagt er. 1972 musste er sich in der 21. Partie gegen Bobby Fischer geschlagen geben. 1976 folgte er seiner französischen Frau nach Paris, die Ausreisegenehmigung war zunächst auf ein Jahr befristet. Heute lebt er wieder in Moskau.

„Da ist Hollywood wirklich kollabiert"

Er stellt Valentina vor, die Frau an seiner Seite: „Sie ist mein Bodyguard“, sagt er. „Und mein Schutzengel.“ Den Film „Pawn Sacrifice“ hat er schon vor der Premiere gesehen, aber er kann ihn nicht empfehlen. „Er ist schrecklich“, sagt er. „Da ist Hollywood wirklich kollabiert. Die bringen die ganzen Fakten durcheinander.“ In seinem eigenen Archiv befinden sich Aufnahmen, die tatsächlich die Wahrheit zeigen könnten. Nur macht er sich gerade große Sorgen um dieses wertvolle Archiv und sucht Unterstützer, die ihm beim Erhalt helfen. Bobby Fischers Archiv sei in Pasadena gestohlen worden, sagt er dann. Vieles sei verschwunden, manches später auf Auktionen aufgetaucht. Er habe noch versucht, seine eigenen Briefe zurückzukaufen, aber es sei nicht gelungen. „Ein anderer ist mir zuvorgekommen.“

Fischer musste wegen seiner Teilnahme ins Gefängnis

Der Kontrahent von damals sei zum Freund geworden, erzählt er, sehr zum Erstaunen auch der russischen Führerin. „Er war sogar sein sehr treuer Freund“, bekräftigt er. Einmal habe er ihn gefragt: „Bobby, warum hasst du die Russen?“ Aber darauf habe der nicht geantwortet. Ein reicher Geschäftsmann finanzierte 1992 einen Revanchekampf in Jugoslawien. Der wurde von der internationalen Schachorganisation freilich nicht anerkannt. Fischer ging, auch weil er mit seiner Teilnahme gegen US-Sanktionen verstoßen hatte, 2004 vorübergehend ins Gefängnis, saß monatelang in Tokio in Auslieferungshaft. Spasski setzte sich damals bei Präsident Bush für dessen Freilassung ein. Als isländischer Staatsbürger starb Fischer im Alter von 64 Jahren 2008 in Reykjavik.

Doch die beiden Kontrahenten, auf die 1972 die Welt mit angehaltenem Atem blickte, hatten sich auch vor dem Kampf in Jugoslawien getroffen. „In Kalifornien ...“, sagt Spasski und blickt fast träumerisch in die Ferne. Bei der jetzt stattfindenden Weltmeisterschaft will er sich ganz im Hintergrund halten, will nur zusehen. Es ist sein dritter Aufenthalt in Berlin, und er glaubt nicht, dass er Zeit zum Sightseeing haben wird. Das Wichtigste in seinem Leben ist immer noch das Schachspiel.

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