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Wie geht es weiter beim BER-Schallschutz? Beendet ist die Debatte vermutlich noch nicht.

© dpa

Platzeck und der BER: Beim Schallschutz bleibt ein Restrisiko

Der BER-Aufsichtsrat hat entschieden, sich beim Lärmschutz den Vorgaben des Oberlandesgerichts zu beugen - allerdings nicht ganz. Ein Anwalt hatte vorher gewarnt, eine solche Abweichung vom strengsten Schallschutz-Standard wäre "eine Fortsetzung des Betruges".

Matthias Platzeck lächelte, die Augen blitzten vergnügt auf der Pressekonferenz nach der achtstündigen Krisensitzung des Flughafenaufsichtsrates am Donnerstagabend. Während sein Nachbar Klaus Wowereit mit ernster Miene die Zitterpartie um den weiterhin unsicheren Eröffnungstermin für den BER erklären musste, konnte Brandenburgs Regierungschef, wegen des Desasters ebenfalls gehörig unter Druck geraten, endlich eine positive Nachricht verkünden: Die Anwohner bekommen einen um ein Vielfaches besseren Schallschutz in den Wohnungen als der Flughafen bislang gewährleisten wollte. Und zwar, wie Platzeck sagte, den besten in Deutschland.

Zuvor hatte nach monatelangem Poker die Flughafengesellschaft eingelenkt. Der Aufsichtsrat beschloss überraschend, dass das jüngste Urteil des Oberverwaltungsgerichtes Berlin-Brandenburg (OVG) zum Lärmschutz nun doch weitgehend umgesetzt wird, allerdings nicht ganz, was ein Restrisiko birgt, wie es hieß. Dieser Schritt wird nach ersten Schätzungen eine Aufstockung des bislang unterfinanzierten und von der Flughafengesellschaft (FBB) von Beginn an zu gering ausgestatteten Schallschutzprogramms zur Folge haben. Zu den bisher dafür vorgesehenen 140 Millionen Euro kommen nun mindestens 400 Millionen zugunsten von rund 10 000 betroffenen Familien in der Einflugschneise hinzu. Überhaupt nötig wurde dies, nachdem das OVG die bisherige Billig-Bewilligungspraxis des Flughafens als „systematischen“ Bruch des Planfeststellungsbeschlusses gestoppt hatte.

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Für Platzeck, der um mehr Lärmschutz lange Zeit auf scheinbar verlorenem Posten kämpfte, ist das ein Sieg auf ganzer Linie. Wie er verkündete, wird die von der Flughafengesellschaft eingereichte Klage gegen den Bescheid des brandenburgischen Infrastrukturministeriums vom 2. Juli 2012, der den Flughafen zur sofortigen Umsetzung des OVG-Urteils verpflichtet, zurückgezogen.

Auch der umstrittene sogenannte „Klarstellungsantrag“, mit dem der Flughafen den Planfeststellungsbeschluss beim Schallschutz zu Lasten der Anwohner verschlechtern wollte, ist jetzt vom Tisch. Noch auf der letzten Sitzung des Aufsichtsrats war Brandenburg mit diesem Anliegen am Veto Berlins und des Bundes gescheitert.

Die Betroffenen bleiben skeptisch.

Auf der langen Bank. Einen neuen Terminplan konnte Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (2.v.l.) nach der Sitzung des Aufsichtsrates auch nicht präsentieren. Doch er wirkte auf dem Podium deutlich zufriedener als Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (M.) und Flughafenchef Rainer Schwarz (2.v.r.).
Auf der langen Bank. Einen neuen Terminplan konnte Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (2.v.l.) nach der Sitzung des Aufsichtsrates auch nicht präsentieren. Doch er wirkte auf dem Podium deutlich zufriedener als Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (M.) und Flughafenchef Rainer Schwarz (2.v.r.).

© dapd

Eine Kehrtwende. Den Weg dafür, dass der Bund und Berlin ihren Widerstand aufgaben und der „Richtungsentscheidung“ zustimmten, hatte quasi in letzter Minute das brandenburgische Infrastrukturministerium mit einer „Klarstellung“ freigemacht. Das bestätigte Klaus Wowereit, der den Schwenk Berlins auch „mit juristischen Prüfungen“ begründete. Er zeigte sich erleichtert, dass der Schallschutz nicht ganz so teuer wird wie befürchtet. Von der Planfeststellungsbehörde wird der Flughafen nicht verpflichtet, die strenge OVG-Auslegung umzusetzen. Diese sah keine einzige Überschreitung des Zimmerlautstärkepegels von 55 Dezibel in den Wohnungen der Umgebung als zulässig an, wodurch der Schallschutzetat um 591 Millionen Euro hätte aufgestockt werden müssen. Stattdessen hält die Behörde jetzt laut einem Schreiben vom 15. August maximal eine Überschreitung innerhalb von zwei Tagen für durch das OVG-Urteil gedeckt. Bewilligt hatte der Flughafen bislang allerdings Billig-Schallschutzfenster, für die ohne Rechtsgrundlage eigenmächtig sechs Pegelüberschreitungen täglich zu Grunde gelegt wurden. „Wir gewährleisten exzellenten Schallschutz“, sagte Platzeck, „wie an keinem anderen Flughafen in Deutschland, womöglich in der Welt“. Dies sei ein wichtiger Beitrag „für eine gute Nachbarschaft“ rund um Schönefeld. Flughafenchef Rainer Schwarz kündigte an, dass die FBB ihr von Peter Lehmann geleitetes Schallschutzteam aufstocken, ein Infocenter einrichten und Bürgersprechstunden abhalten wird.

Video: Erst im September wird ein Eröffnungstermin bekannt gegeben

Ob Anrainer und Justiz die Lösung akzeptieren werden, ist allerdings wegen der Abweichung vom strengen OVG-Standard ungewiss. Der Würzburger Anwalt Wolfgang Baumann, der einige vertritt, hatte schon vorher vor einer Aushebelung des Planfeststellungsbeschlusses gewarnt: „Dies wäre zynisch, ein Skandal und eine Fortsetzung des Betruges.“ Auch die Berlinerin Christine Dorn, die sich seit Jahren für mehr Schallschutz engagiert, bleibt skeptisch. Man müsse die Vereinbarung genau prüfen.

Es bleibe der Verdacht, der Aufsichtsrat habe den Schallschutz an das Versagen bei der Finanzierung angepasst und verlange von den Anwohnern nun ein finanzielles Sonderopfer. Die bisherige Praxis des Flughafens bezeichnete Dorn als Betrug.

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