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Die Fassade einer Heimeinrichtung

© dpa

Schwere Misshandlungsvorwürfe: Haasenburg-Heime dürfen keine Jugendlichen mehr aufnehmen

Für drei Mitarbeiter der umstrittenen Haasenburg-Heime hat Brandenburgs Bildungsministerium ein Beschäftigungsverbot verhängt - zudem sollen keine weiteren Kinder in den Heimen aufgenommen werden.

Erstmals seit Bekanntwerden schwerer Misshandlungsvorwürfe gegen den Jugendheim-Betreiber Haasenburg GmbH vor dreieinhalb Wochen hat Brandenburgs Jugendministerin Martina Münch (SPD) Konsequenzen für die Einrichtungen gezogen. Am Dienstagabend um 17.54 Uhr teilte das Ministerium mit, dass Münch ein Beschäftigungsverbot gegen drei Haasenburg-Mitarbeiter erteilt hat. Zudem dürfen nach einem Belegungsstopp keine neuen Jugendlichen in den Heimen in Jessern, Neuendorf (Dahme-Spreewald) und in Müncheberg (Märkisch-Oderland) aufgenommen werden. Münsch schließt inzwischen eine Schließung der Heime nicht aus, sollten sich die Vorwürfe bestätigen. Dieser Schritt sei aber nur möglich, wenn das Kindeswohl in einer der Einrichtung gefährdet sei. Dafür gebe es aktuell aber keine Hinweise. Das Beschäftigungsverbot bedeutet nach Angaben eines Ministeriumssprechers nicht, dass die betroffenen Haasenburg-Mitarbeiter schuldig seien. Da sich die Vorwürfe aber zunächst nicht aufklären lassen, sei es normales Prozedere, die Mitarbeiter zunächst zu suspendieren. Ein Haasenburg-Sprecher erklärte, es sei auch eine Entscheidung des Betreibers, die Erzieher freizustellen.

Ein in der vergangenen Woche aus der Haasenburg mit zwei 16-Jährigen weggelaufener 15-Jähriger hatte nach seiner Rückkehr im Gespräch mit Mitarbeitern des Landesjugendamtes die Vorwürfe bekräftigt. „Mir wurde in den Hintern getreten. Ich sollte auch in den Müllcontainer steigen, dann hat ein Erzieher ein Foto gemacht, das rumgeschickt und erzählt, ich würde Müll fressen“, hatte der 15-Jährige dem „Hamburger Abendblatt“ in der vergangenen Woche gesagt.

Staatsanwaltschaft Cottbus ermittelt in acht Fällen gegen die Haasenburg

Die Staatsanwaltschaft Cottbus ermittelt in acht Fällen gegen die Haasenburg. Auch zwei frühere Todesfälle in den Jahren 2005 und 2008, ein Unfall und ein Suizid, bei denen kein Fremdverschulden festgestellt worden war, werden jetzt nochmals aufgerollt. Münch geriet wegen der Vorwürfe zuletzt immer stärker unter Druck. Selbst die Linken, also der Koalitionspartner der SPD im Landtag, forderten ein Einschreiten. Zudem steht der Verdacht im Raum, Ministerium und Landesjugendamt seien in der Vergangenheit nicht energisch gegen die Haasenburg vorgegangen. Der jugendpolitische Sprecher der Linksfraktion im Landtag, Torsten Krause, sagte den PNN am Dienstag zu Berichten über interne Kritik im Ministerium am Umgang mit der Haasenburg: „Wir sind in einer schwierigen Situation, wenn Vorwürfe aus dem eigenen Haus kommen. Es wäre hilfreich für alle, wenn Frau Münch diese Vorwürfe ausräumen könnte.“ Zuvor waren in der Landespartei Rücktrittsforderungen laut geworden. „Es stellt sich die Frage nach der politischen Verantwortung, zumal Ministerin Münch von den Vorwürfen lange wusste“, sagte der Potsdamer Linke-Kreischef Sascha Krämer.

Mitarbeiter des Ministeriums kritisiert, dass zahlreichen Hinweisen gegen die Haasenburg nicht nachgegangen sei

In der vergangenen Woche hatte ein Mitarbeiter des Ministeriums gegenüber den PNN kritisiert, dass das Ressort und das Landesjugendamt zahlreichen Hinweisen zu Missständen gegen die Haasenburg nur mit wenig Nachdruck nachgegangen sei. Diesen Eindruck verstärkte am Dienstag ein Bericht der Tageszeitung „taz“ über den Umgang des Ministeriums mit den Beschwerden von früheren Haasenburg-Mitarbeitern. Diese soll sich laut „taz“ bereits 2006 und 2010 beim Landesjugendamt über Personalnotstand, den Einsatz von Nicht-Pädagogen und drastische Erziehungsmaßnahmen beschwert haben, die zu Selbstmordabsichten bei Jugendlichen führten. Für neu in der geschlossenen Unterbringung der Haasenburg aufgenommene Jugendliche habe die Devise „Totale Unterordnung“ gegolten. Den PNN liegt ein internes Dokument aus einem sogenannten Neuaufnahmeordner vor.

Dort ist für „Stufe 1“ vermerkt: „Totale Unterordnung (3 bis 10 Tage)“. Die Haasenburg GmbH bestreitet, dass ein derartiger Neuaufnahmeordner in den drei Einrichtungen in Brandenburg gebräuchlich sei. Auch das Ministerium hat keine Hinweise dafür gefunden. Zudem berichtet die „taz“ von einer Anwältin, die ein Mündel aus der Haasenburg geholt habe, das dort „massive Eingriffe in die körperliche Integrität“ erleben musste. Die Anwältin habe 2009 die Auskünfte des Landesjugemdamtes zu dem Fall als völlig unzureichend beklagt. Laut Bildungsministerium sind wegen dieser Beschwerden damals weitere Auflagen an die Haasenburg erteilt worden.

„Es gab kein Komplettversagen der Heimaufsicht“, sagte der Ministeriumssprecher. Ob die Reaktion der Behörde auf Beschwerden und Hinweise adäquat war, soll auch die von Münch einberufene Untersuchungskommission klären.

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