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Die Umbenennung der Gabelsbergerstraße in Silvio-Meier-Straße scheidet die Geister im Friedrichshain.

© dapd

Silvio Meier: Warum ein Geschäftsmann gegen die Umbenennung in Silvio-Meier-Straße klagt

Frauen bevorzugt - so lautet die Regel bei Straßennamen. Für das Neonaziopfer Silvio Meier soll sie aber nicht gelten, wie schon bei der Rudi-Dutschke-Straße am Checkpoint Charlie: Die Gabelsbergerstraße im Friedrichshain soll Meiers Namen tragen. Doch jetzt klagt ein Geschäftsmann dagegen.

Friedrichshain, Gabelsbergerstraße, politisch gesehen: ziemlich links. „Nazis jagen!“ hat jemand an eine Haustür gesprüht, fast kein Laternenmast ohne Demo-Aufruf. Ein paar hundert Meter Altbaufassade, die Straße Kopfsteinpflaster, an einem Donnerstagnachmittag: zwei spielende Kinder mit Stützrädern und Sturzhelmen, „bitte nicht zwischen die Autos fahren“, ruft gerade eine Mutter, Großstadt-Idylle im Herbst.

Weiter unten verläuft die Frankfurter Allee, liegt der U-Bahnhof Samariterstraße, der Ort, an dem vor 20 Jahren der Hausbesetzer und Antifaschist Silvio Meier von Neonazis erstochen wurde. Was dazu führte, dass die Gabelsbergerstraße eigentlich vor wenigen Tagen in Silvio-Meier-Straße umbenannt werden sollte. Dafür hatte sich eine Bürgerversammlung im April mit großer Mehrheit ausgesprochen, um den Getöteten zu ehren. Aber nachdem ein Unternehmer, der in der Straße ein Geschäft betreibt, gegen die Umbenennung Klage einreichte, muss sich nun das Verwaltungsgericht mit dem Thema beschäftigen.

„Die Umbenennung ist geschäftsschädigend“, sagt der Kläger, der lieber unerkannt bleiben möchte. Außerdem sei Meier ein „Sozialschmarotzer“ gewesen, sagt der Ladenbetreiber, der sich selbst in der politischen Mitte einordnet. Nachdem sein Einwand zurückgewiesen wurde, habe er sich mit der Umbenennung schon abgefunden.

Bis eine Person, die ebenfalls gegen die Umbenennung der Straße ist, eine Klageschrift geschickt habe, „die ich nur noch unterschreiben musste“. Selber klagen hätte der Mensch, dessen Namen der jetzige Kläger für sich behält, nicht gedurft, da er in einem anderen Bezirk wohne. Es riecht ein wenig nach Stellvertreterkrieg in der Gabelsbergerstraße; diese erinnert an einen Mitbegründer der Stenografie.

Im Viertel wird über die Umbenennung diskutiert. „Gegen Neofaschismus muss man sich immer engagieren, aber was der sonst so gemacht hat, unterstütze ich nicht“, sagt eine ältere Frau, langer Schal, bedruckt mit mehreren Friedenszeichen.

Das dürfte Hans Panhoff (Grüne), Baustadtrat in Friedrichshain-Kreuzberg und ehemals selbst Hausbesetzer, anders sehen. „Silvio Meier war nicht nur Hausbesetzer und Antifaschist, sondern auch in der Bürgerrechtsbewegung der DDR aktiv“, sagt Panhoff. Grund genug, eine Straße nach ihm zu benennen, findet der Grüne.

Panhoffs Problem könnte womöglich ein anderes sein: Nach einem Beschluss des Bezirks sollen bei Straßenumbenennungen Frauen den Vorzug vor Männern erhalten. Panhoff ist jedoch sicher, dass die Klage vor Gericht keinen Bestand haben wird. „Bei Silvio Meier haben wir eine Ausnahme gemacht, weil er für die jüngere Geschichte Friedrichshains steht“, sagt der Stadtrat. Es ist eine Ausnahme, wie sie der Bezirk 2008 auch für die Rudi-Dutschke-Straße machte.

Die Frage, nach welchen Persönlichkeiten Straßen benannt werden, ist meist auch eine Frage der politischen Kräfteverhältnisse. Das gilt auch für Steglitz, wo derzeit ebenfalls über die Umbenennung einer Straße diskutiert wird. Bis 17. Dezember sind die Anwohner der Treitschkestraße eingeladen, sich an einer von der Bezirksverordnetenversammlung beschlossenen Abstimmung zu beteiligen. Heinrich von Treitschke war Historiker. Von ihm stammt der 1879 geschriebene Satz „Die Juden sind unser Unglück“, der später zur Hetzparole der NS-Wochenzeitung „Der Stürmer“ wurde.

Neben bereits bestehenden Straßen wie in Steglitz dürften aber auch anstehende Straßenneubenennungen zu einer spannenden Frage werden. So sei im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg unter anderem an der neuen Mercedes-Benz-Zentrale am Spreeufer noch ein Straßenname zu vergeben, sagt Baustadtrat Panhoff. Die Auswahl ist breit gefächert: Zur Wahl stünden beispielsweise eine Rennfahrerin. Oder aber eine Zwangsarbeiterin, die von Mercedes Benz im Dritten Reich ausgebeutet wurde. Was indes festzustehen scheint: Es wird eine Frau.

Und in der Gabelsbergerstraße? Hier sieht man den Streit um die Umbenennung mitunter auch pragmatisch. „Das wäre schon schön, wenn die Straße nach ihm benannt wird“, sagt eine Frau, Locken unter der Mütze, Selbstgedrehte in der Hand. „Aber wenn das noch dauert, dann dauert es halt.“

Bis es so weit sei, mache sie das, was sie ohnehin gelegentlich tue: einen dicken Textmarker nehmen, zur Gabelsbergerstraße Ecke Frankfurter Allee gehen, aufs Geländer am Gehwegrand steigen und den Straßennamen ändern – in Silvio-Meier-Straße.

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