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In der Havel sollte man derzeit besser nicht baden.

© dapd

Sinkende Wasserqualität: Fäkalien-Teppich treibt weiter auf der Havel

Behörden warnen vor dem Baden in Havel. Bei routinemäßigen Kontrollen wurde eine erhöhte Keimbelastung gemessen - möglicherweise verursacht durch illegal entsorgte Fäkalien. Doch die sinkende Wasserqualität in der Region bereitet den Experten schon seit Langem Sorgen.

Die letzten Ferientage stehen an, die Sonne brennt, die Wassertemperaturen liegen bei 22 Grad. Eigentlich ideal für ein erfrischendes Bad in der Havel – wäre da nicht die Warnung des Landesamtes für Gesundheit und Soziales (Lageso). Das warnt ausdrücklich vor der Benutzung der sechs Badestellen an der Unterhavel. Am Dienstag war bei einer Routinekontrolle vor Schildhorn ein auf dem Wasser treibender Teppich aus Fäkalien und Hygieneartikeln entdeckt worden.

In den gestern ausgewerteten Proben, die am Grunewaldturm, am Breitehorn und an der Kleinen Badewiese in Gatow entnommen wurden, befanden sich jeweils mehr als 2000 Kolibakterien pro 100 Milliliter. Der Grenzwert liegt bei 1800, normal sind 15 bis 30. Vor dem Baden hier sowie an der Lieper Bucht, der Radfahrerwiese in Zehlendorf und an der Großen Steinlake wird gewarnt. Heute werden neue Proben genommen, deren Ergebnis erst am Montag vorliegen wird, so Lageso-Sprecherin Silvia Kostner.

Beim Landesamt vermutet man, dass es sich um den illegal entsorgten Inhalt einer Schiffstoilette handelt. Nach dem Verursacher wird allerdings bisher nicht gefahndet. Denn: Der Polizei liegt bisher keine Anzeige vor. Das sei Sache des Gesundheitsamtes Charlottenburg-Wilmersdorf, sagte Kostner. Dort wiederum verwies man auf die Zuständigkeit des Umweltamtes – das aber noch gar nicht informiert worden sei.

Die Verunreinigung trifft den Bereich, der ohnehin über die schlechteste Badewasserqualität Berlins verfügt. Während alle anderen Badestellen nach den EU-Richtlinien als „ausgezeichnet“ eingestuft wurden, schaffte Breitehorn nur ein „gut“, Grunewaldturm ein „befriedigend“ und an der mit „mangelhaft“ bewerteten Kleinen Badewiese wird generell vor dem Gang ins Wasser gewarnt.

Die Ursachen für erhöhte Schadstoffbelastung liegen weiter zurück.

Als Ursache für die erhöhte Schadstoffbelastung in diesem Bereich gilt die Tatsache, dass im Zentrum Berlins und Spandaus einst eine Mischwasserkanalisation gebaut wurde, in der Regen- und Abwasser gemeinsam befördert werden. Weil bei Starkregenfällen die Wassermassen das Klärwerk außer Betrieb setzen würden, muss ein Teil des mit Fäkalien verunreinigten Wassers in Spree und Havel geleitet werden. Dafür gibt es einige hundert Notüberläufe. So warnt das Lageso grundsätzlich vor dem Baden nach starkem Niederschlag. Drei bis fünf Tage brauchen Gewässer, um sich zu regenerieren.

Bildergalerie: Auch im letzten Sommer war das Badevergnügen in Berlin getrübt:

Bei jeder Aktivierung der Notüberläufe informieren die Wasserbetriebe das Lageso, das dann Proben an den Badestellen nimmt. Routinemäßig werden sie alle zwei Wochen überprüft, doppelt so oft wie in der EU-Verordnung vorgesehen. In der Vergangenheit wurden im Jahresdurchschnitt sieben Millionen Kubikmeter Abwasser in Spree und Havel eingeleitet, so Stephan Natz von den Wasserbetrieben. Bis 2020 soll die Menge halbiert werden. Deshalb wird unterirdischer Stauraum gebaut; so entsteht gerade an der Oberbaumbrücke ein solcher Zwischenspeicher.

Warum die Werte an der Kleinen Badewiese seit vier Jahren besonders schlecht sind, konnte nicht eindeutig geklärt werden. Beim Lageso vermutet man die Ursache in den flussaufwärts liegenden Notablässen, genauso könnte es sich auch um Überläufe aus dem Klärwerk Ruhleben handeln. In beiden Fällen wäre aufgrund des Strömungsverhaltens das Gatower Ufer die erste Anlaufstelle für die ins Wasser gelangten Schadstoffe. Möglich sei auch, dass irgendwo in Gatow – ein Ortsteil mit 3700 Einwohnern – die Abwasserleitung eines Hauses fälschlich an die Regenwasserkanalisation angeschlossen wurde, sagt Stephan Natz. Befürchtet wird, dass die hohe Nährstoffkonzentration hier auch wieder zu der verstärkten Bildung der als Blaualgen bezeichneten, giftigen Cyanobakterien kommt. Gibt es auch in diesem Jahr wieder eine überhöhte Belastung, muss die Kleine Badewiese als offizielle Badestelle endgültig geschlossen werden.

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