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SONNTAGS um zehn: Ein Notbett auf der Empore

Wie eine Kreuzberger Kirchengemeinde bulgarischen Wanderarbeitern half.

Er war im Auto unterwegs, und ständig klingelte das Handy. „Ich dachte mir schon, dass da etwas besonderes passiert sein müsse“, erzählt Pfarrer Michael Wiesböck. „Und als ich die Mailbox abhörte, merkte ich: In der Kirche ist was los.“ Wiesböck predigte am Sonntag in der Kreuzberger Sankt-Michael-Kirche. Der 60er-Jahre-Betonbau in der Waldemarstraße ist gut besucht, neugierig lauschen die Gemeindeglieder ihrem Pfarrer. Am Freitag hatten bulgarische Wanderarbeiter aus der alten Eisfabrik den Kirchraum kurzfristig besetzt – das Gotteshaus war zum stillen Gebet geöffnet. Doch immer mehr Menschen kamen, und ließen sich dort häuslich nieder. Wie so etwas geschehen kann? Am gestrigen Sonntag nutzt Wiesböck seine Predigt, um die Gemeinde zu informieren.

Denn die Ereignisse des Wochenendes passen für den Pfarrer gut zum Fest der Heiligen Familie, das Berlins Katholiken am Sonntag begehen. Ein Fest, das an die Flucht von Josef, Maria und Jesus nach Ägypten erinnert. „Das Fest ist geprägt von der unschönen Erfahrung, dass es im eigenen Land nicht weitergeht“, sagt Wiesböck. „Aber am Ende geht die Geschichte gut aus.“ Ob das im Fall der Kreuzberger Bulgaren auch so sein wird, wird sich zeigen. Zunächst einmal war die Kirchengemeinde am Freitag jedenfalls „überwältigt von der Situation“, berichtet der Pfarrer. „Da saßen wir dann und haben überlegt, was wir für Menschen in so einer prekären Situation tun können.“ Schon die Hütten, die sich die Bulgaren in der Eisfabrik gebaut hätten, seien „menschenunwürdig“ gewesen. „Aber unsere Kirche ist zum Übernachten auch nicht der gemütlichste Ort“, sagt Wiesböck. Das spüren die Gottesdienstbesucher am Sonntag am eigenen Leib: In der Sonntagsmesse ist es eher kalt. Die Gemeinde sammelt auch noch eine Kollekte für die Heizkosten.

Am Ende schliefen die Bulgaren dann eine Nacht auf der Empore. „Dort ist es immerhin wärmer als auf dem Fußboden“, sagt Wiesböck. „Aber uns war schnell klar, dass andere Unterstützung gefunden werden musste.“ Zusammen mit Experten der Caritas und des Bezirks entschied man sich für die Unterbringung der Menschen in einem Hostel. Ab diesem Montag sollen dann andere Lösungen gefunden werden. Warum die Gemeinde sich so für die Menschen eingesetzt hat? „Ich habe mich immer von der Geschichte der Heiligen Familie angesprochen gefühlt“, sagt Wiesböck am Sonntag. „Steh auf, Josef!“, heiße es dort an verschiedenen Stellen. „So wie Josef sich bewegen ließ, haben auch wir uns bewegen lassen, für die Anliegen unserer Mitmenschen einzutreten.“ Benjamin Lassiwe

Die Gemeinde im Web:

www.marien-liebfrauen.de

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