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Mario Czaja (CDU), Senator für Gesundheit und Soziales ist für die Unterbringung von Flüchtlingen zuständig.

© Maurizio Gambarini/dpa

Sozialsenator Czaja im Interview zu Flüchtlingsbauten: "Keine Heime, sondern Wohnungen"

Preiswerter Wohnraum, weniger Gemeinschaftsunterkünfte. Sozialsenator Mario Czaja (CDU) will geplante Modulbauten auch für Obdachlose und Studenten nutzen.

Senator Czaja, derzeit kommen weniger Flüchtlinge in Berlin an. Allerdings leben noch mehr als 40000 Asylbewerber in Sammelunterkünften. Brauchen wir noch Wohncontainer und Modulbauten?

Ja. Tatsächlich kommen derzeit rund 25 neue Flüchtlinge am Tag im Landesamt für Gesundheit und Soziales an. Wir haben zusammen in den vergangenen Wochen gute Arbeit geleistet, weshalb wir diese Menschen schnell unterbringen können – und zwar ohne wieder Turnhallen belegen zu müssen. Doch vor allem geht es um die vielen Tausenden, die noch in großen Unterkünften leben, aber länger hierbleiben werden. Daher brauchen wir nicht überwiegend weitere Gemeinschaftsunterkünfte, sondern mehr preiswerten Wohnraum. Daher wollen wir in den meisten Modulbauten gleich reguläre Wohnungen errichten.

Was bedeutet das?

Keine Gemeinschaftsküchen, sondern Zwei- bis Drei-Zimmer-Appartements. Die Wohnungen sollen mittelfristig dann auch andere Berlinerinnen und Berliner nutzen können, wie Wohnungslose oder Studenten. Die Vorstände der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften und ich haben dazu gerade einen „Letter of Intent“ unterzeichnet.

Wie bindend ist ein Letter of Intent – zumal wenn nach der Abgeordnetenhauswahl ein neuer Senat regiert?

Es gibt keine Zweifel daran, dass wir in Berlin dringend mehr bezahlbaren Wohnraum brauchen. Das wird auch – so hoffe ich – nach der Wahl niemand infrage stellen. Die partnerschaftliche Zusammenarbeit ist mit dieser von allen sechs städtischen Wohnungsbaugesellschaften unterzeichneten Absichtserklärung fest vereinbart. Der Letter of Intent legt bereits den Bau und auch die Ausgestaltung der Gebäude ganz konkret dar. Wir sprechen hier über mindestens zwölf Standorte mit Gebäuden – ähnlich dem sozialem Wohnungsbau – mit einer langfristigen Nutzperspektive.

Es geht also um mehr reguläre Wohnungen statt Massenunterkünften – doch was ist, wenn wieder mehr Flüchtlinge kommen?

Auch darauf sind wir vorbereitet. Wir planen ganz bewusst mit einem Puffer, um in den Unterkünften entsprechende Kapazitäten in Reserve zu haben, sollte die Zahl der Flüchtlinge wieder deutlich ansteigen. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge arbeitet inzwischen deutlich schneller als 2015. Ich gehe davon aus, dass von den 44000 Flüchtlingen, die derzeit insgesamt in Berlin im Asylverfahren sind, etwa die Hälfte ein Bleiberecht erhält und länger hierbleiben wird. Die anderen sollten schnell in ihre Heimatländer zurückkehren. Auch das läuft jetzt deutlich besser. Für die anerkannten Flüchtlinge braucht Berlin binnen einem halben Jahr Wohnungen, die von den Wohnungsbaugesellschaften jetzt geschaffen werden. Hier brauchen wir Tempo.

Die Zahl der Obdachlosen ist gestiegen – auch weil sich anerkannte Flüchtlinge eigene Wohnungen suchen müssen. Kommt alles noch rechtzeitig?

Die Zahl der von der Stadt untergebrachten Wohnungslosen ist von 10000 im Jahr 2014 auf 17000 im letzten Jahr gestiegen. Dieser enorme Anstieg kommt von der hohen Anzahl anerkannter Flüchtlinge, die derzeit keine eigene Wohnung finden. Insofern bräuchten wir die Wohnungen schon heute. Die Wohncontainer errichten wir, um die Turnhallen leer ziehen zu können.

Ist das genug?

Auch in der Vermittlung von privatem Wohnraum sind wir gut vorangekommen und konnten mithilfe des Evangelischen Jugendfürsorgewerks so viele Wohnungen wie nie zuvor an Flüchtlinge vermitteln. Von Januar bis April dieses Jahres konnten 1234 Geflüchtete über diesen Weg eine Wohnung beziehen. Im Vergleichszeitraum des Vorjahres waren es 478. Von der erfolgreichen Vermittlung konnten vor allem Familien profitieren. Es ist also ein ganzes Maßnahmenbündel, mit dem wir Wohnraum schaffen wollen. Zu den Obdachlosen will ich noch sagen, dass mir gerade diese Menschen besonders am Herzen liegen. Deshalb sind sie auch bei der Planung der neuen Wohnanlagen von vornherein miteinbezogen.

2015 hat der Senat das Baurecht geändert, damit Asylbewerberheime errichtet werden können. Auf solchen Sondergrundstücken sollten auch die Modulbauten entstehen – dürfen auf diesen Arealen überhaupt reguläre Wohnungen entstehen?

Ja, wir nutzen das neue Baurecht, um insgesamt günstigen Wohnraum zu schaffen. Für die meisten der zwölf Standorte ist das bereits geklärt.

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