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Schwarzfahren im öffentlichen Nahverkehr soll kein Fall für den Staatsanwalt mehr sein. Das fordert die Berliner SPD.

© Doris Spiekermann-Klaas

SPD-Landesparteitag in Berlin: Kein Knast mehr für Schwarzfahrer

Schwarzfahren in Bussen und Bahnen soll kein Fall fürs Strafrecht mehr sein, fordert die Berliner SPD. Weitere Wünsche: unter anderem ein Sozialticket zum Hartz-IV-Tarif sowie mehr Geld und Personal für Bezirke.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Die Berliner SPD will das Schwarzfahren im öffentlichen Nahverkehr entkriminalisieren. Wer künftig ohne Fahrschein erwischt werde, solle zwar das „erhöhte Beförderungsentgelt“ zahlen, aber nicht strafrechtlich verfolgt werden. Das beschloss der SPD-Landesparteitag am Sonnabend.

Die Jungsozialisten begründeten ihren erfolgreichen Antrag damit, dass vor allem die finanziell Schwachen „ihr Recht auf Mobilität trotz fehlender materieller Mittel“ durchsetzten. Täglich landeten mehrere dutzend Fälle vor Berlins Strafgerichten.

Viele Schwarzfahrer kämen in Ersatzhaft, um Tagessätze von 10 bis 15 Euro abzusitzen, heißt es im Beschluss. „Bei gleichzeitigen Haftkosten von 80 Euro pro Hafttag.“ Etwa ein Drittel der Haftplätze in Berlin werde durch solche Fälle belegt. Strafanzeigen gegen Schwarzfahrer seien ökonomisch und sozial eine fragwürdige Praxis.

Der SPD-Parteitag forderte in diesem Zusammenhang auch, den Preis des Sozialtickets in Berlin (monatlich 36 Euro) an den Mobilitätsanteil der Hartz-IV-Hilfen (25,14 Euro) anzupassen. Teurer dürfe das Sozialticket nicht sein, solange der Regelsatz für Hilfeempfänger unverändert bleibe.

Beschlossen wurde von den Sozialdemokraten außerdem, dass der Senat ein „Gutachten über die finanziellen Auswirkungen eines fahrscheinlosen öffentlichen Nahverkehrs in Berlin“ vorlegen solle. Vorbild ist die estnische Stadt Tallin, in der die Einwohner seit 2013 Busse und Trams gratis nutzen dürfen. Touristen müssen dort ein Ticket kaufen.

Bezirksfinanzen und Flüchtlinge

Zwei Grundsatzbeschlüsse wurden auf dem SPD-Parteitag gefasst: Der eine befasst sich mit einer besseren finanziellen und personellen Ausstattung der zwölf Bezirke, die eigenverantwortlich, aber auch wirtschaftlicher als bisher mit ihren Ressourcen umgehen sollen. Der andere Beschluss definiert Berlin als „Stadt der Willkommenskultur“ gegenüber den zehntausenden Flüchtlingen, die in der deutschen Hauptstadt Zuflucht suchen. Gefordert wird eine bessere Unterbringung, Kita- und Schulplätze für alle Flüchtlingskinder und ein ausreichendes Sprachangebot – aber auch Ausbildungs- und Arbeitsmöglichkeiten und eine geregelte Gesundheitsversorgung.

Vivantes

Ende 2014 hatte der Senat die Vivantes-Tochter „Therapeutische Dienste“ gegründet. Das Personal wurde ohne Tarifvertrag und zu einem deutlich niedrigeren Lohn als im Mutterbetrieb eingestellt. Deshalb fordern die Sozialdemokraten, das Filialunternehmen aufzulösen und den schon eingestellten Therapeuten einen normalen Arbeitsvertrag nach dem Haustarifvertrag des landeseigenen Krankenhauskonzerns Vivantes zu geben. Außerdem müssten für sämtliche Vivantes-Töchter Verhandlungen für die Übernahme des Tarifvertrags öffentlicher Dienst (TVöD) geführt werden.

Islam-Staatsvertrag

Der Senat plant einen Staatsvertrag mit den islamischen Gemeinden in Berlin, nach dem Vorbild von Hamburg und Bremen. Jetzt beschloss der SPD-Parteitag, dass bei den Verhandlungen gewährleistet sein müsse, dass „alle Glaubensrichtungen durch einige wenige Dachorganisationen repräsentiert sind“. Und es müsse garantiert sein, dass alle Vertragspartner die „unverzichtbaren Grundwerte unseres Zusammenlebens teilen“. Der Senat solle regelmäßig über den Stand der Verhandlungen berichten.

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