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Viele Zuläufe der Spree sind mit Eisenhydroxid belastet. Das färbt das Wasser ocker und schädigt die Umwelt. Für den Menschen ist dagegen das unsichtbare Sulfat gefährlich. Beide Stoffe kommen überwiegend aus dem Tagebau in der Lausitz.

© picture alliance / dpa

Spree: Schadstoffe im Trinkwasser: Senat will mit Brandenburg über Tagebau-Folgen reden

Die Berliner Wasserbetriebe sind hoch profitabel, und die Preise für Wasser und Abwasser bleiben bis 2018 stabil. Aber wegen der Tagebaue kommt auf das Landesunternehmen ein großes und womöglich teures Problem zu.

Die Preise für Trink- und Abwasser in Berlin sollen bis 2018 stabil bleiben. Das versprach der Vorstandschef der Wasserbetriebe, Jörg Simon, am Freitag auf der Bilanzpressekonferenz des Landesunternehmens. Bei der Trinkwasserqualität sind die Vorhersagen nicht ganz so klar. Die steigende Sulfatbelastung könnte durchaus, wie berichtet, mittelfristig die Stilllegung des Wasserwerks Friedrichshagen erzwingen, einem „Schwerpunktwasserwerk“ laut Simon – mit ausreichend Kapazität, um eine Million Menschen im Osten der Stadt zu versorgen.

Die Trinkwasserversorgung der Berliner sei dennoch nicht gefährdet, sagte Simon. Andere Werke könnten „hochgefahren“ werden und Friedrichshagen ersetzen. Das Sulfat zu entfernen, sei „technisch nicht darstellbar“. Im Trinkwasser aus Friedrichshagen ist der Mittelwert 2014 überraschend von 150 auf 180 Milligramm pro Liter gestiegen, der Grenzwert liegt bei 250 Milligramm.

Der Verursacher ist nach Einschätzung von Umweltschützern der Braunkohleförderer Vattenfall. Die Sulfate sammelten sich zusammen mit dem Eisenhydroxid, das die Verockerung der Spree verursacht, in den aufgelassenen Tagebaulöchern. Wasserbetriebechef Simon erklärte, man kenne noch nicht die genaue Ursache der erhöhten Werte. Vattenfall habe auf Grundlage einer Studie vor vier Jahren die „Zusage“ gemacht, der Sulfatwert im Spreewasser werde maximal 250 Milligramm betragen. Darüber gebe es aber keinen Vertrag. „Der ganze Vorgang ist unbefriedigend.“ Ob rechtliche Schritte möglich sind, werde geprüft.

Die Senatsverwaltung für Umwelt erklärt, der momentane Anstieg der Sulfatkonzentration sei Folge „einer außergewöhnlichen Bewirtschaftungssituation“ der Spree, bedingt durch die Sanierung der Talsperre Spremberg, Wassereinleitungen aus dem aktiven Bergbau und geringe Niederschläge. Mit Modellrechnungen sollen nun Prognosen angestellt werden, ob die Belastung hoch bleibt oder mittelfristig wieder abflaut.

Grüne beklagen zu geringe Auflagen für Vattenfall

Das Land Brandenburg habe Vattenfall zwar die Einhaltung eines Grenzwertes für den Eintrag von Eisenhydroxid auferlegt, nicht aber für Sulfat, sagt Heide Schinowsky, energiepolitische Sprecherin der Brandenburger Grünen-Fraktion. Das sei Vattenfall „aus Kostengründen“ nach Ansicht der Landesregierung nicht zumutbar. In Nordrhein-Westfalen würden aufgelassene Tagebaue dagegen großflächig mit Kalk behandelt, was die Belastung erheblich senke.

Die Berliner Grünen fordern den Senat auf, „endlich eine Kostenabschätzung und eine Strategie zum Umgang mit der steigenden Belastung vorzulegen“. Die potentiellen Kosten für den Umbau der Trinkwasserversorgung könne derzeit niemand beziffern. „Es kann nicht sein, dass die Berliner die Zeche für die umstrittenen Braunkohletagebaue in der Lausitz zahlen“, sagt die umweltpolitische Sprecherin Silke Gebel. Die Berliner Umweltverwaltung erklärt lediglich, es gebe „erste Gespräche mit den Ministerien in Brandenburg und Vattenfall zu den steigenden Sulfatgehalten“. Bei der nächsten gemeinsamen Sitzung der beiden Landesregierungen komme das Thema auf den Tisch.

Zum ersten Mal wurde in Berlin wieder mehr Wasser verbraucht

Vattenfall-Sprecher Thoralf Schirmer verweist darauf, dass „die derzeitige Sulfatsituation nicht auf einen einzelnen Verursacher zurückzuführen ist“. Für Sulfateinträge aus ehemaligen Tagebauflächen sei die Sanierungsgesellschaft LMBV verantwortlich.

Die Berliner Wasserbetriebe weisen im ersten Jahr nach der Rekommunalisierung eine positive Bilanz aus. Trotz der Preissenkung von 15 Prozent beim Trinkwasser Anfang 2014 sank der Umsatz im vergangenen Jahr nur um ein Prozent auf 1,1 Milliarden Euro, der Gewinn stieg sogar um 15 Prozent auf 138 Millionen Euro. Das Geld wird laut Finanzvorstand Frank Bruckmann an den Eigentümer transferiert, also ans Land Berlin.

Der seit der Wiedervereinigung der Stadt stetige Rückgang des Trinkwasserverbrauchs ist vorerst gestoppt, möglicherweise sogar eine Trendwende erreicht. „Die wachsende Stadt schlägt sich auch bei uns nieder“, sagt Simon. Die Wasserbetriebe verkauften eine Million Kubikmeter mehr Trinkwasser als 2013, ein Plus von einem halben Prozent.

Finanzsenator und Aufsichtsratschef der Wasserbetriebe, Matthias Kollatz-Ahnen (SPD) bezeichnete 2014 als „ein gutes Jahr“ für die Wasserbetriebe, aber auch für die Berliner“. Nach der Preissenkung, die sich auf 100 Millionen Euro summiere, gebe es aber keinen Spielraum mehr für weitere Tarifsenkungen.

Die „stabilen Tarife“ für Trinkwasser und Abwasser haben noch einen kleinen Haken: Eine Erhöhung „um die jeweilige Inflationsrate“ ist weiterhin möglich.

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