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Idylle am Stadtrand. Für die Umgebung des S-Bahnhofs Lichtenrade ist in öffentlichen Diskussionen ein neues „Leitbild“ erarbeitet worden.

© Mike Wolff

Stadtentwicklung: Lichtenrade: Bürger bringen Zug rein

Die Lichtenrader haben bereits gemeinsam gegen Flug- und Bahnlärm gekämpft. Jetzt wollen Anwohner ihr Ortszentrum aufwerten.

Anwohner, Geschäftsleute und Bezirkspolitiker ziehen an einem Strang für ein anspruchsvolles Ziel: Die Lichtenrader Bahnhofstraße soll zum „Stadtteilzentrum mit besonderem Flair“ werden. Noch habe die von Nahversorgern geprägte Straße gegen „die glänzende Welt der Shopping-Center einen schweren Stand“, heißt es in einer neuen Broschüre des Vereins „Bürgerforum Zukunft Lichtenrade“. Am östlichen und westlichen Ende würden Kunden von Buden empfangen, es gebe kaum gemütliche Cafés oder Gelegenheit zum Erlebniseinkauf. Hinzu kommen Verkehrsprobleme.

Aber das Interesse an Verbesserungen ist groß, wie am Donnerstagabend eine „Standortkonferenz“ mit mehr als 200 Teilnehmern zeigte.

Dass sie engagiert kämpfen können, hatten Lichtenrader Bürger zuvor schon beim Protest gegen die geplanten BER-Flugrouten und im Streit um die Trassenführung der Dresdner Bahn bewiesen.

Zur Diskussion ums Lichtenrader Zentrum hatte die Tempelhof-Schöneberger Stadtentwicklungsstadträtin Sibyll Klotz (Grüne) eingeladen. Denn die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) will die von den Anliegern angestoßene Diskussion unterstützen. Deshalb wurde die Planergemeinschaft des früheren TU-Professors Urs Kohlbrenner mit einem „Leitbildentwurf“ beauftragt. Die jetzige Abschlussveranstaltung war der vierte Diskussionsabend. Die Ideen bilden die Basis geplanter Beratungen und Beschlüsse in der BVV.

Ein Anliegen aller Befragten sei die „Steigerung der Aufenthaltsqualität“, sagte Kohlbrenner. So könne der „Park and Ride“-Parkplatz am Pfarrer-Lütkehaus-Platz in Absprache mit der angrenzenden Kirchengemeinde zum „Aufenthalts- und Marktplatz“ werden. Für die Alte Mälzerei – die denkmalgeschützte einstige Brauerei in der Steinstraße – sind kulturelle Nutzungen und Wohnungsbau angedacht. Der Handel soll stärker in der Bahnhofstraße konzentriert werden; laut Stadtplanungsamtsleiter Siegmund Kroll hat zum Beispiel Rewe in der Steinstraße Interesse an einem Umzug signalisiert.

Als maßgebliche Probleme nannten Redner den starken Durchgangsverkehr, die Parkplatznot und fehlende Radwege. Zu den Lösungsideen gehören Radspuren auf der zehn Meter breiten Fahrbahn. Für den mittleren Bereich der Bahnhofstraße soll eine Parkraumbewirtschaftung geprüft werden. Bedenken gab es gegen die Anregung, die quer zur Fahrbahn angelegten Parkplätze durch Längsstellplätze zu ersetzen. Damit entstünde Spielraum für breitere Gehwege, bisher sind diese nicht nur nach Meinung des Bürgerforums an vielen Stellen zu eng. Andererseits gaben Redner jetzt zu bedenken, dass die Zahl der Parkplätze um mehr als die Hälfte sinken würde. Er fahre zwar nur selten Auto, wolle aber „keinen Kasten Bier durch die Straße schleppen müssen“, sagte ein Anwohner.

Offen blieb, ob die Bahnhofstraße als „Begegnungszone“ nach Schweizer Vorbild geeignet wäre, in der es zwischen der Fahrbahn und den Gehwegen keine Kanten gibt. Autofahrer und Fußgänger teilen sich den Straßenraum, so soll ein „bewussterer Umgang“ miteinander erreicht werden. Die Idee ist in Kohlbrenners Leitlinienentwurf erwähnt – allerdings wiesen Redner darauf hin, dass die Berliner Stadtentwicklungsverwaltung zunächst nur den Checkpoint Charlie sowie die Bergmann- und die Maaßenstraße für Pilotversuche ausgewählt hat.

Ladenbesitzer haben soeben eine neue Händlerinitiative gegründet, nachdem sich die 30 Jahre alte „Aktionsgemeinschaft Bahnhofstraße“ wegen finanzieller Probleme aufgelöst hatte. Nun soll die Wirtschaftsförderung des Bezirks prüfen, ob mit Fördermitteln ein professionelles Geschäftsstraßenmanagement gegründet werden kann. 60 Prozent aller Läden seien inhabergeführt und nur 40 Prozent Filialisten, hieß es. Damit habe die Straße das Potenzial, sich als Alternative zu Shoppingcentern hervorzuheben.

Vertreter der „Bürgerinitiative Dresdner Bahn“ bezweifelten den Sinn vieler Ideen angesichts der geplanten Bahntrasse, die „den Stadtteil kaputtmachen“ werde, falls sie nicht in einem Tunnel entstehe. Stadträtin Klotz betonte, auch der Bezirk lehne die Bahnpläne ab. Doch ein neues Leitbild für die Straße sei unabhängig davon sinnvoll und wichtig.

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