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Uriges Ambiente, kühle Biere. Die Eckkneipe ist ein Berliner Original.

© dapd

Mit Stulle und Schulle: Berlins beste Eckkneipen im Porträt

Die Eckkneipe ist eine Ur-Berliner Institution. Das Metzer Eck in Prenzlauer Berg wird gerade100 Jahre alt, doch auch anderswo gibt es den ganz speziellen Charme mit Bouletten, Bäuchen und ganz viel normalem Leben. Hier stellen wir sieben weitere Unikate vor.

WILLI MANGLER

Hauptstraße/Ecke Koburger Straße, Schöneberg
Der Wirt ist tot, es lebe die Wirtin. Der Mangler bleibt offen, lustig und voll, dito die Gäste. Kann sein, dass er längst in Stadtführern steht, der Mangler, Touristen kommen trotzdem keine. Stattdessen Bierbäuche und offene Hemdkragen, Anwälte mit gelockerten Schlipsen, Frauen mit Lippenstift und toupierten Haaren, Uralt-68er, Handwerkerhosenträger, Lehrer. Hier ist Feierabend. Menschen unter 30, die das Lokal für Szene halten, sind schnell wieder weg. Der Mangler ist nicht ewig jung, sondern ewig alt. Wer leben lässt, kann niemals sterben. Das Pils ist kühl, frisch und günstig, wer mag, unterlegt es mit Stulle, einer guten. Der Biertisch im Sommer draußen ist Fassade. Nur wer reinkommt, ist drin. Jost-Müller Neuhof

TSCHAIKOWSKI-ECK

Tschaikowskistraße 30/Ecke Grabbeallee, Pankow-Niederschönhausen
Der Mittwoch ist ein guter Tag. Mittwochs wird auf der Terrasse des Tschaikowski-Ecks gegrillt: Wurst, Boulette, Fleischspieß. Das Problem mit dem Mittwoch – es ist nur ein Tag von insgesamt sieben Wochentagen. Da vermutlich kein gesellschaftspolitischer Konsens gefunden werden kann, die anderen Tage abzuschaffen, muss das Tschaikowski-Eck sich bewegen. Leute, schmeißt den Grill die ganze Woche über an. Nicht, dass die Küche, das Interieur der Kneipe das bräuchten. Ich brauche es! Jetzt! Sofort! Feierabend, eine Boulette, eine Wurst, zwei Gläser Bier, alles im Halbschatten Niederschönhausener Gastlichkeit. Das Leben, ach die Welt, könnte so einfach sein. Wenn doch nur immer Mittwoch wäre... Lutz Haverkamp

ZUM TIGER

Sonnenallee/Ecke Erkstraße, Neukölln
Garantiert hipsterfreie Zone. „Im Angebot: Scheißlaune!“ Wenn man reinkommt, verstummen die Gespräche. Bierluft, Zigarettenrauch, zum Schneiden dick. Über der Theke Hertha-Fahne und Frösche-Schal. Seit 30 Jahren wurde hier nichts verändert. Hinter den Stammtisch hat einer das Schild genagelt: „Löschwassereinspeisung“. Im Gespräch stößt einer sein Bier um, dem Kollegen auf die Hose, der kriegt zusätzlich den Spott: „Haste dir eingepullert? Brauchste ’ne Windel?“ Alle drei Monate spielen Hotte und Dieter hier die Evergreens aus längst vergangenen Tagen: Sierra Madre, Yesterday. Der Schankraum ist voll, das Publikum auf Betriebstemperatur alle singen geschlossen mit: „Es gibt kein Bier auf Hawaii, drum bleiben wir hier.“ Johannes Groschupf

ZUM KÜHLEN GRUNDE

Lotosweg 88, Hermsdorf
Ich muss zehn oder elf gewesen sein, als ich an einem heißen Sommertag auf dem Weg von Hermsdorf nach Lübars zum Baden im Tonstich das Fahrrad an der Ecke Seebadstraße/Lotosweg abstellte, die Stufen zur Kneipe „Zum kühlen Grunde“ hinunterging und eine Fassbrause bestellte. Es war das erste Mal, dass ich mich alleine in ein Lokal traute. Das ist fast 60 Jahre her, aber in der Erinnerung ist es das köstlichste Getränk meines Lebens. Heute trinke ich da manchmal ein Bier – und schaue mit meiner Tochter Fußball. Gemütlich und freundlich ist es im Kühlen Grund nämlich immer noch – und im Sommer herrlich kühl. Gerd Appenzeller

Opa, Erhart und Barack (v.l.). Nicht nur Fußball, auch andere Welt-Ereignisse werden im Doppelpass gemeinsam verfolgt.
Opa, Erhart und Barack (v.l.). Nicht nur Fußball, auch andere Welt-Ereignisse werden im Doppelpass gemeinsam verfolgt.

© dpa

ZUM DOPPELPASS

Bochumer Straße 17, Moabit
Auf den ersten Blick ist der Doppelpass im Süden Moabits eine klassische Hertha-Kneipe. Ein großer Schriftzug an der blau-weiß gestrichenen Wand und die Tätowierung von Wirt Burkhard machen deutlich, was hier Sache ist. Doch auch Dortmund-Fan Jan darf gern rumschreien und bei jedem Treffer seiner Borussia lauthals einen Schwung „Schwarz-Gelbe“ (Eierlikör mit dunklem Sambuca) bestellen. Und selbst wenn Opa (heißt nur so, ist mit niemandem hier verwandt) kurz von seiner Skat-Runde mit Glitzi und Knochen-Kalle aufschaut, um mal wieder gegen Hertha zu stänkern und dafür wiederum ein herzhaftes „halt dein dummes Maul“ erntet, trägt auch das irgendwie zur harmonischen Atmosphäre bei. Der Doppelpass ist längst ein Nachbarschaftstreff, man kennt und mag sich. Ganz nach dem Motto des alten Klassikers von Peter Alexander „Die kleine Kneipe in unserer Straße“ der hier an feucht-fröhlichen Abenden auch mal gemeinsam in einer umgedichteten Version angestimmt wird: „Im Doppelpass bei Burkhard und Tina, da fragt Dich keiner, was Du hast oder bist.“ Axel Gustke

BIERBAUM 3

Schillerpromenade 31, Neukölln
Plastikpflanzen bringen hier ein bisschen Stimmung rein. Vor der Tür stehen die Motorräder der Rocker, drinnen gibt’s günstiges Schulle, das die Bedienung immer schnellen Schrittes transportiert, damit es auf dem Weg vom Tresen zum Tisch nicht schal wird. Doch das macht nichts. Auch wenn es ruppig aussieht, ist im Bierbaum jeder jederzeit willkommen. Rund um die Uhr. Aus der Jukebox erklingen wechselnd die Doors, die Backstreetboys und Sido. Und beim Frühstück für 1,50 Euro mag man nicht glauben, dass die Gentrifizierung jemals einen Fuß über die Schwelle dieses Lokals setzen wird. Sidney Gennies

STADTKLAUSE

Bernburger Straße 35, Kreuzberg
Willkommen im Wohnzimmer des Tagesspiegels! Die Stadtklause am Anhalter Bahnhof versprüht mit ihrem komplett selbst gebauten Holzenterieur, den rustikalen Bierbänken und Barhockern und der vertäfelten Decke den Charme einer Ur-Eckkneipe. In Wirklichkeit aber existiert die Stadtklause in ihrer heutigen Form erst seit wenigen Jahren – und liegt ganz streng genommen auch nicht an einer Ecke. Aber psst... Das wissen nur eingeweihte Stammgäste – oder Tagesspiegel-Mitarbeiter, die quasi zum Inventar gehören. Bestellungen werden in aller Regel nur noch über Blickkontakt mit „Iceman“, die versteckt lächelnde Seele der Klause, aufgenommen. Niemand weiß so gut wie er, wann man das nächste alkoholische Feierabendgetränk seiner Wahl am nötigsten hat. Die Kopfschmerzen am nächsten Tag kommen dann auch garantiert nicht vom gewöhnungsbedürftigen Streck-Bräu sondern nur von der niedrigen Decke im Obergeschoss, an der man sich beim Heimgehen den Kopf stößt. Jeden Tag wieder. Katharina Langbehn

Lust, mal vorbeizuschauen einer der Berliner Eckkneipen-Perlen? In Zusammenarbeit mit der Dropspot-App sagen wir Ihnen Bescheid, wenn Sie mal in der Nähe sind. Ganz einfach per Handy-Benachrichtigung. App-Download und weitere Informationen finden Sie hier.

Hier gelangen Sie zu unserem Stück über den Besuch im Metzer Eck, das 100 Jahre alt wird. Eine Kneipe in der noch Prenzlauer Berg lebt, das drum herum längst verschwunden ist.

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