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Viel zu tun. Bryan Adams ist nicht nur Rockstar, sondern auch Künstler: Im Jahr 2008 eröffnete der Kanadier hier seine Fotoausstellung „Hear the world“, die Schwarzweiß-Bilder von Prominenten zeigte. Im alten AEG-Transformatorenwerk will er nun dauerhaft einen Lebens- und Kulturraum schaffen.

© Kitty Kleist-Heinrich

Bryan Adams kauft Halle in Berlin-Köpenick: Mein Nachbar, der Rockstar

Bryan Adams hat eine Fabrikhalle in Oberschöneweide gekauft. Der Rockstar will dort ein Atelier beziehen. Der Bezirk ist begeistert.

Und das hier ist bald Rockstarland? Sieht nicht danach aus. Also: noch nicht. Pfützig der Boden, durch den sich das Unkraut beißt, die Tore verrammelt, auch die Fenster, aus einer Mauerwunde lappt ein Gartenschlauch, aber Garten gibt es keinen, nur Beton, Stahl, Glas. Rückseitig fließt die Spree, der Rost regiert das Areal. Industrie of ’69, mindestens. Diese Halle hat Bryan Adams gekauft.

Seit gestern ist bekannt, dass der Kanadier, 65 Millionen verkaufte Platten, verantwortlich für Lieder wie „Everything I Do“ und „Cuts Like A Knife“, Gelegenheitsberliner wird. Adams will in Oberschöneweide ein Atelier beziehen und ein „Lebens- und Kulturzentrum“ für befreundete Künstler eröffnen. Verhandelt wird darüber schon seit Sommer, im Juni gab es erste Gespräche zwischen Grundstückseigentümer Sven Herrmann, dem Bezirk Treptow-Köpenick und Vertretern von Adams. Michael Pauseback, Adams’ Berliner Galerist, hatte den Kontakt hergestellt. Der Bezirk witterte eine Chance, nachdem 2011 der Plan, Ai Weiwei nach Oberschöneweide zu holen, gescheitert war. Der Künstler hatte vier Hallen kaufen wollen, wurde dann aber vom chinesischen Regime unter Hausarrest gesetzt. „Wir freuen uns, dass es jetzt geklappt hat“, sagt Bezirksbaustadtrat Rainer Hölmer (SPD). „Der Zuzug von Bryan Adams kann der Impuls werden, den die Schöneweide braucht.“ Viel wurde aufgefahren, um dem Grammy-Gewinner aus Kingston, Ontario, das einstige AEG-Gelände anzupreisen. Im September kehrte Adams höchstpersönlich in Berlin ein, um die Details zu besprechen, man fuhr mit ihm über die Spree.

Bryan Adams
Bryan Adams

© dpa

Das Areal am Ende der Reinbeckstaße ist nämlich nicht nur marode Brache, sondern als sogenanntes Industrieflächensicherungsareal rechtlich geschützt: Kultur und Kunst dürfen sich hier, wo einst Kupferwalzen und Drahtzieher wirkten, später Kabel verarbeitet wurden, ansiedeln, nichts anderes. Thomas Niemeyer, Leiter des Regionalmanagements Schöneweide und auch am Verkauf beteiligt, sagt: „Der ganzen Kunstszene wird es Auftrieb geben, wenn Bryan Adams einzieht, zumal er selbst Akteure mitbringt, Architekten, Kreative.“ Niemeyer entwickelt Oberschöneweide im Auftrag der Stadt, und in der Tat, das Quartier wandelt sich. Durch die Hochschule für Technik und Wirtschaft, die 7000 Studenten ausbildet, haben sich viele junge Menschen angesiedelt, neue Studentenwohnheime sind entstanden und parallel dazu Cafés, Restaurants, Bars. Heute lässt es sich ganz gut leben in dem Kiez, der lange als Oberschweineöde verlacht wurde.

Sagt auch René, der eine WG an der Wilhelminenhofstraße bewohnt. „Und jetzt Bryan Adams – die Musik ist mir zwar egal, aber ein Rockstar in der Nachbarschaft, geil.“ Eine Querstraße weiter warten zwei Spanierinnen auf die Tram, Auslandssemester an der HTW, Ava und Lucia. Deutsch? No. Englisch? No. Bryan Adams? Si! Klar, „Summer of ’69“, kennen sie, wo zieht der hin, da drüben? Chulo, chulo, cool, cool. Und im Café Schöneweile, direkt am Eingang zum Fabrikareal gelegen, sagt Verkäuferin Nele: „Wir wissen das inoffziell schon seit einiger Zeit. Natürlich tut das der Gegend gut, und uns auch. Bestimmt holen sich jetzt noch mehr Menschen einen Kaffee – vielleicht ja sogar der Bryan selbst mal.“

Der Bryan selbst, der ist am Montag nicht zu erreichen, aber die Affinität zu Berlin ohnehin verbürgt. Immer wieder steigt Adams in der Stadt ab, hat Freunde hier. Im März bespielte er das Konzerthaus am Gendarmenmarkt solo, mit Akustikgitarre, im September erst eröffnete seine Fotoausstellung „Exposed“ in der Akira Ikeda Gallery. Deren Inhaber Michael Pauseback erklärt Adams’ Zeitplan für den Spreeanrainer: „Bryan wird sich mit Architekten zusammensetzen, Konzepte entwickeln, dann irgendwann den Umbau beginnen.“ Mitte 2014, so Pauseback, könne es wohl losgehen mit der Renovierung der Halle.

Einfach wird das nicht, angesichts des maroden Zustands – aber wenn sich einer damit auskennt, den Zahn der Zeit zu bekämpfen, dann Bryan Adams, der alternde Rocker, der heute seinen 54. Geburtstag feiert. Und sich selbst Berlin schenkt.

Moritz Herrmann

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