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© Kitty Kleist-Heinrich

Buch: "Berlin als solches": Stadt im Sinn

Eigentlich gibt es schon genug Bücher über Berlin, aber ein kleiner Verlag hat jetzt eine wirklich originelle Berlin-Lektüre auf den Markt gebracht. Sie riecht nach Abgas.

Es ist vielleicht nicht die beste Werbung für die Stadt, dafür aber die ehrlichste: Wer das Buch „Berlin als solches“ zur Hand nimmt, der rümpft unweigerlich die Nase. Warum? Weil das Buch einen leicht beißenden Geruch verströmt, sobald man es aufschlägt. Eines der Kapitel widmet sich der „Berliner Luft“, dem berühmten Marsch aus Paul Linckes Operette „Frau Luna“. Um eben diese Luft für den Leser erlebbar zu machen, haben die Gestalter Abgase und andere Duftproben gesammelt und in den Lack eingebunden, mit dem die Seiten behandelt wurden. Besonders schmeichelhaft ist das nicht, dafür aber ausgefallen.

Auf Effekte wie diesen haben Christian Dabbert, 34, und sein Team bewusst gesetzt: „Klar gibt es bereits Dutzende Berlin-Bücher, da kommt schnell die Frage auf, ob man tatsächlich ein weiteres braucht.“ Er befindet: ja. Denn die meisten der bisher erschienenen Werke widmen sich entweder dem „hippen“ Berlin oder dem historischen. „Wir haben versucht, beide Zipfel miteinander zu verbinden.“ Gut zwei Jahre haben Gestalter und Texter ein Konzept entwickelt. Der Anspruch der Beteiligten war hoch. Viele von ihnen sind ehemalige Street-Art- Künstler und Graffiti-Sprüher, ihr Blick auf die Stadt ist ebenso speziell wie ihre Vorstellungen von der Umsetzung. Und deshalb darf man „Berlin als solches“ auch nicht hastig durchblättern, sondern muss sich Zeit nehmen. Zum Beispiel, um mit den Fingern über die Seiten zu fahren und die verschiedenen Kollagetechniken und Lacke zu ertasten. Außerdem widmet sich Autor Volker Remy in kurzen Kapiteln berühmten Berliner Phänomenen wie der Pop-up-Gastronomie – jenem Geschäftsmodell, das Ladenwohnungen mithilfe von fünf Klappstühlen und einer ächzenden Kaffeemaschine in beliebte Cafés verwandelt.

Entstanden ist „Berlin als solches“ in einem stillgelegten Umspannwerk auf einem Hinterhof in Prenzlauer Berg. Hier befindet sich der Sitz der Kommunikationsagentur „Graco“, deren Geschäftsführer Christian Dabbert ist und die nebenbei einen eigenen Verlag aufbaut. Der Name ist eine Abkürzung für „Graffiti Connection“. So nannte sich die Agentur noch zu Beginn ihrer Gründung vor mehr als zehn Jahren. Doch bei dem Wort Graffiti denken die wenigsten Menschen an Kunst, sondern eher an Schmierereien. Von diesem Image will man sich distanzieren. „Wir haben uns in der Zwischenzeit weiterentwickelt“, sagt Dabbert, der in Köpenick aufgewachsen ist. Er hat die Agentur noch während seiner Unizeit gegründet und aufgebaut. Das Studium hängte er an den Nagel, als die Aufträge zunahmen. Mittlerweile arbeiten 15 Mitarbeiter bei Graco, Firmen wie die Berliner Sparkasse zählen zu den Kunden.

Ihren Ursprüngen bleibt die Agentur aber auch weiterhin treu: Sie bildet die Stadt nicht nur ab, sondern gestaltet sie mit. In Prenzlauer Berg und Kreuzberg haben Christian Dabbert und sein Team riesige Hauswände besprüht, natürlich ganz offiziell und legal. Wer etwa im Mauerpark sitzt, blickt auf ein Bild mit Fußballern. Das entstand 2006 im Vorfeld der Fußball-WM, im Auftrag eines großen Sportartikelherstellers. Nicht weit davon entfernt, an der Schönhauser Allee, zieren Zille-Figuren die U-Bahn-Brücke. Mit dessen Motiven kennen sich Christian Dabbert und seine Mitarbeiter mittlerweile gut aus, denn Heinrich Zille haben sie in „Berlin als solches“ ebenfalls ein Kapitel gewidmet.

— Volker Remy, Rolf Bremer: Berlin als solches. 78 Seiten, 16 Euro. Erschienen im Graco-Verlag.

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