zum Hauptinhalt
289852_0_1532dfba.jpg

© promo

Filmstadt Berlin: Die Nazi-Jäger vom Fort Hahneberg

Am Dienstag feiert Tarantinos Film "Inglourious Basterds" mit Brad Pitt Premiere – die Berliner Orte darin sind deutlich zu erkennen.

Alles kommt einem so bekannt vor: Die Eichenholzwände und die schlicht edlen Buchenstühle mit ihrem warmen Holzton. Die Kamera schwenkt weiter, und da wird es plötzlich klar: Wir befinden uns im „Café Einstein Stammhaus“ an der Kurfürstenstraße in Tiergarten.

Doch das typische, behagliche Caféhaus-Ambiente steht in krassem Gegensatz zu dem, was sich gerade in diesem kleinen Nebenraum abspielt. Am Tisch sitzen Joseph Goebbels, seine Assistentin Francesca Mondino, der junge Kriegsheld Frederick Zoller und das Objekt dessen Begierde, die schöne, kluge Shosanna Dreyfus. Dass die junge Frau, in deren Kino die Premiere des martialischen NS-Propagandastreifens „Der Stolz der Nation“ gefeiert werden soll, Jüdin ist, weiß außer ihr hier am Tisch niemand. Doch ihre Anspannung ist spürbar, vor allem als noch Oberst Landa hereinkommt. Der Mann mit dem feinen Lächeln und dem Spitznamen „Juden-Jäger“ ist für das Massaker verantwortlich, bei dem Shosannas Eltern und Geschwister ums Leben kamen und dem sie nur mit knapper Not entkommen konnte.

Nie Gesehenes und Gehörtes spielt sich also hier ab im Einstein, das – erst 1978 eröffnet – wie alle Beteiligten natürlich nur eine Filmrolle spielt: In Quentin Tarantinos Werk „Inglourious Basterds“, das am 20. August in die deutschen Kinos kommt und am Dienstag Premiere feiert, befindet sich dieses Café im von den Nazis besetzten Paris.

Das Einstein in Tiergarten ist einer von vielen Drehorten, die Szenenbildner David Wasco seit Juni letzten Jahres in Berlin und Umgebung für Tarantinos Langzeitprojekt ausgewählt hat: Auch im unteren Saal in „Clärchens Ballhaus“ in der Auguststraße in Mitte, unter Bäumen im Grunewald und rund um das Fort Hahneberg in Staaken sind Szenen gedreht worden; auch im US-Konsulat an der Clayallee in Zehlendorf sollen die Kameramänner gefilmt haben. Ebenso wie in Görlitz bei Sebnitz sowie in Nauen, wo in einer nachgebauten Taverne namens „La Louisiane“ eine lange Schlüsselszene gedreht wurde.

„Ich schaute mir all die Orte in Berlin an, wo der Krieg noch zu spüren und zu sehen ist“, sagt Wasco. Bilder von der Filmkulisse aber gibt es kaum: Tauchten Tagesspiegel-Fotografen am Set auf – ob nun in der Altstadt von Nauen, am helllichten Tag vorm „Einstein“ in Tiergarten oder auch am kühlen Morgen am Fort Hahneberg –, bauten sich prompt Wachmänner auf und drohten energisch mit „gerichtlichen Konsequenzen“.

Zehn Jahre mit vielen Unterbrechungen hat Tarantino an der Geschichte um eine Nazis mordende Guerilla-Truppe namens „The Basterds“, angeführt von Leutnant Aldo Raine (Brad Pitt), geschrieben. Dann musste, als das Drehbuch fertig war, im letzten Sommer plötzlich alles ganz schnell gehen: Szenenbildner Wasco, der mit Tarantino schon in Reservoir Dogs, Pulp Fiction, Jackie Brown und Kill Bill zusammengearbeitet hat, hatte bis zum Drehbeginn am 9.Oktober nur wenige Wochen Zeit, die geeigneten Schauplätze für das zweieinhalbstündige Nazi-Satire-Märchen zu finden. Und er hat gute Arbeit geleistet. Wie im Einstein das Traute, Behagliche gegen den unausgesprochenen aber fühlbaren NS-Terror steht, der sich in der Hauptfigur das Oberst Landa, gespielt von Christoph Waltz, schaurig-schön aufs Ambivalenteste manifestiert, ist großes Kino.

Auch die im Wald am Hahneberg gedrehte Szene, in der die Naziskalpjäger um Leutnant Raine ihrer grausigen, lustvoll ausgelebten Aufgabe nachkommen, geht nicht zuletzt wegen der klaustrophobischen Enge der Waldschlucht an die Nieren. Die letzte Sequenz spielt unter vielen hohen Kiefern in Grunewald. Und obwohl dort vor lauter Bäumen keine Grenzen sichtbar sind, wechselt hier manches die Seiten, so dass Orientierung schwierig ist: Aus Gejagten werden Jäger, aus ursprünglich guter Absicht erwächst grausame Lust und aus der Hoffnung auf Befreiung ein lebenslang sichtbares Kreuz. Vielleicht wird in diesem Wald der Uneindeutigkeiten – zwinkert da nicht des Regisseurs Auge wie wild? – sogar ganz am Ende der Zuschauer zum Mittäter oder zumindest Mitwisser. Sicher ist man da bei Tarantino nie.

Das Gros der Dreharbeiten fand in den Potsdamer Filmstudios in Babelsberg statt. „Bauen wir es doch einfach nach!“, soll Tarantino bei Drehortbesichtigungen immer wieder gesagt haben. Durch den artifiziellen, amalgamisierenden Stil, der seine Filme ausmacht, wurde nicht von ungefähr das Wort „tarantinoesk“ geprägt. Die Kulisse für das 40er-Jahre-Kino im Stil des französischen Art déco wurde gleich mehrfach aufgebaut: Auf dem Babelsberger Gelände die Außenmauern, die Innenarchitektur in der dortigen Marlene-Dietrich-Halle. Und dann noch ein weiteres Mal in einer stillgelegten Zementfabrik rund eine Stunde von Berlin entfernt. Warum dies nötig war, würde hier zu viel verraten. Nur so viel: In den Geschichtsbüchern steht nichts darüber.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false