zum Hauptinhalt

In-Viertel: Wo das Wohnen angesagt ist

Was ist ein In-Viertel? Es wird von Künstlern entdeckt, die billig leben und arbeiten können. Darauf etablieren sich Kneipen, die von Touristen entdeckt werden.

Bei den In-Vierteln liegt Prenzlauer Berg ganz vorn. Der einst äußerlich vergammelte Stadtteil ist längst aufgefrischt und seit Jahren ein gefragter Wohnort. „Können Sie spontan ein Berliner In-Viertel nennen?“, fragen wir die Frau am Telefon der Berlin-Tourismus-Marketing-Gesellschaft. „Prenzlauer Berg“, sagt sie sofort. Aber so genau wisse sie das nicht, sie sei noch nicht lange in Berlin. „Vielleicht auch Kreuzberg?“

Was ist ein „In-Viertel?“ Dazu gehören in Berlin zumindest Gegenden, die vom Ruf leben, gefragt zu sein, eine besondere Atmosphäre zu vermitteln: Mitte mit der Umgebung des Hackeschen Marktes, Friedrichshain mit der Simon-Dach-, Kreuzberg mit der Oranien- und der Bergmannstraße. Aber Prenzlauer Berg mit der Gegend um den Kollwitzplatz wird besonders häufig genannt. Auch im Internet und bei diversen Reiseveranstaltern rangiert der Stadtteil weit vorn. Touristen lesen es in Reiseführern, wenn sie am Kollwitzplatz unterwegs sind und sich über Straßenlokale freuen, Galerien, kleine Läden mit Spezialitäten, die vielen jungen Leute auf den Straßen – und die meist entspannten Gesichter drumrum.

„Ein In-Viertel – das ist zunächst ein gefühlter Begriff“, sagt der Stadt- und Regionalsoziologe Hartmut Häußermann von der Humboldt-Uni. Ein Begriff, der auch mit dem „Image“ eines Bezirks zu tun hat, das ihm Touristenführer geben. Häußermann erklärt, dass sich ein In- Viertel aus einem zunächst vernachlässigten Gebiet mit Leerstand entwickelt. Es wird von Künstlern entdeckt, die hier billig leben und arbeiten können. Es wird zum Bohème-Viertel, wird kulturell attraktiv, auch „schräg“, es zieht Infrastruktur wie Galerien, Lokale und Clubs mit sich, wird interessant. Auf die maroden Altbauten wird die Immobilienwirtschaft aufmerksam, sie saniert die Gebäude, wertet sie auf, und irgendwann verschwindet die Szene vielleicht auch wieder, weil sie hohe Mieten nicht mehr zahlen kann. In kann schnell out werden.

Barbara Schönig vom Institut für Soziologie an der TU weist auf das Beispiel Mitte hin. Den Künstlern, die sich irgendwann die Lage nicht mehr leisten können, folgen „Urbaniten“, junge, alleinstehende Leute mit Geld. Die Wissenschaft spricht von Gentrifizierung, der Umstrukturierung eines Stadtteils. „Pioniere“ werten ihn auf, machen ihn teuer, alteingesessene Bewohner fühlen sich vertrieben, ziehen weg. In Prenzlauer Berg waren es vor allem studentische Pioniere, die mit Clubs, Szeneläden und Lokalen im Gefolge Leben auf die Straße brachten. Gerade hier gebe es einen starken Verdrängungsprozess, sagt Barbara Schönig, „extrem hochpreisige“ neue Häuser. Der Bötzowkiez beispielsweise sei inzwischen ein Wohn-In-Viertel. Sie vermutet, dass der Kern des In-Viertels aus Prenzlauer Berg weiterzieht, Richtung Friedrichshain.

Kreuzberg, das in den siebziger- und achtziger Jahren von Leerstand und Hausbesetzungen geprägt war, wird nach Ansicht von Barbara Schönig als In-Viertel nicht mehr so stark wahrgenommen. Die Mieten gelten als relativ teuer, am Landwehrkanal gibt es noch „Wohn-In-Viertel“. Der Westen Berlins sei bei In-Vierteln „ziemlich abgehängt“.C. v. L.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false