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Wintergarten Frank Reinhardt

© Thilo Rückeis

Insolvenz: Die Überlebenskünstler vom Wintergarten

Nur 50% Auslastung im Sommer: Das Varieté in der Potsdamer Straße hat Insolvenz angemeldet. Doch der Spielbetrieb geht weiter, neue Shows sind schon in Planung.

Das Wintergarten Varieté hat Insolvenz angemeldet – und trotzdem öffnet sich schon heute Abend der nächste Vorhang. Wie Geschäftsführer Frank Reinhardt gestern bekannt gab, musste das Haus in der Potsdamer Straße in Tiergarten wegen drohender Zahlungsunfähigkeit den Insolvenzantrag stellen. Zudem hat sein bisheriger Partner in der Geschäftsführung, Georg Strecker, das Amt niedergelegt. Die Entwicklung sei besonders bedauerlich, weil das Varieté 2007 erstmals seit vier Jahren wieder schwarze Zahlen schrieb, sagte Reinhardt. Der abendliche Spielbetrieb gehe aber weiter, und nach ersten Gesprächen mit der Insolvenzverwalterin glaubt der Geschäftsführer, „dass der Wintergarten auch langfristig eine Zukunft hat“.

Grund für die drohende Zahlungsunfähigkeit ist laut Reinhardt der alljährliche Besucherrückgang in den Sommermonaten. „Sobald es draußen warm wird, gehen die Berliner in die Waldbühne, ins Freiluftkino oder in die Strandbar – aber selten in den Wintergarten.“ Derzeit zählt sein Haus pro Abend weniger als 250 Gäste, was einer Auslastung von unter 50 Prozent entspricht. Weil die Bühne keine Subventionen erhält, reichen die Einnahmen nicht aus, um alle laufenden Kosten zu decken – die betragen rund 400 000 Euro pro Monat. Übers Jahr gesehen will Frank Reinhardt „auch 2008 mindestens soviel einnehmen wie ausgeben“. Das Problem: Es gibt zu wenig Rücklagen, um die Durststrecke bis zu den gewinnbringenden Herbst- und Wintermonaten zu überstehen. Leider sei das Haus auch nicht kreditwürdig, sagt der Geschäftsführer.

Die Geschichte des Wintergartens reicht bis ins 19. Jahrhundert zurück: 1888 wurde der Spielbetrieb zunächst am Bahnhof Friedrichstraße aufgenommen, im Zweiten Weltkrieg musste das Gebäude nach schweren Bombentreffern geschlossen, die Ruine später gesprengt werden. Erst 1992 öffnete das Varietétheater am neuen Standort in der Potsdamer Straße. Die derzeitigen Gesellschafter, die Spiegelzelt Entertainment GmbH und der jetzt als Geschäftsführer zurückgetretene Georg Strecker, hatten die Bühne erst Anfang vorigen Jahres von der Deutsche Entertainment AG (DEAG) gekauft. Deren Chef Peter Schwenkow hatte den Verkauf damit begründet, dass sich die DEAG auf das Tournee- und Konzertgeschäft konzentrieren wolle: „Ein Varieté bedeutet viel Arbeit und bindet große Kapazitäten.“

Geschäftsführer Frank Reinhardt möchte auch künftig Geld für Eigenproduktionen ausgeben. Nach Ende des aktuell laufenden Programms „Dekolleté“ folgt ab 26. Juni wie geplant die Show „Hotel California“, bei der Artisten zur Musik der Sechziger und Siebziger Jahre auftreten. Im Oktober läuft „Orientalis. Die Magie des Morgenlandes“ an. Sollte das Varieté bis dahin durchhalten, dürften spätestens dann die Geschäfte wieder gut laufen. Der Wintergarten macht traditionell „in den letzten vier Monaten des Jahres fast die Hälfte des Umsatzes“, sagt Reinhardt.

Neben dem guten Wetter, das zuletzt potentielle Gäste vom WintergartenBesuch abhielt, klagt Frank Reinhardt aber auch über „erhebliche Konkurrenz“. Damit meint er Bühnen wie den Admiralspalast, den Friedrichstadtpalast, die Bar jeder Vernunft oder das Tipi am Kanzleramt, ebenso die zahlreichen Zirkusse, die in der Stadt Halt machen. Rechne man Kinos und Konzerte mit ein, könnten die Berliner täglich zwischen 1600 Veranstaltungen wählen, sagt Reinhardt. „Man muss sich anstrengen, um da im Geschäft zu bleiben.“

Zumindest kann sich der Wintergarten einer prominenten Unterstützerschaft sicher sein. Bei Premieren ist die Gästeliste stets lang. Zur letzten – der Erstaufführung von Christoph Hagels „Dekolleté“ – kamen unter anderem Christina Rau, die Ex-Senatoren Lore Maria Peschel-Gutzeit und Volker Hassemer sowie Schauspieler Wolfgang Völz. Zur „Hotel California“-Premiere wird der Prominenten-Ansturm noch größer sein – allein schon, um ein Zeichen für den Weiterbetrieb zu setzen.

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