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Justizpalast

© Rückeis

Justizpalast: Der Unvollendete

Berlins längste Sanierung: Seit 1992 wird am Justizpalast in der Littenstraße gearbeitet - kein Ende in Sicht.

Wann ist ein Ende der Bauarbeiten in Sicht? Architekt Hans-Peter Störl weiß es nicht. Seit nunmehr 16 Jahren arbeitet er an der Sanierung des Justizgebäudes an der Littenstraße in Mitte, es ist mit dem Palast der Republik eine der dauerhaftesten Baustellen der Stadt. Inzwischen schön herausgeputzt, doch noch immer nicht fertig, wie Wasserflecken an der Decke der faszinierend hohen Eingangshalle zeigen. Oder die eingerüsteten Türme auf dem Dach: Noch fehlt das Geld, die zwei aufgesetzten spitzen Hüte zu verglasen. Störl sagt, eineinhalb bis zwei Millionen Euro fehlten, um den gesamten Justizkomplex aus dem Jahr 1905 voll saniert und modernisiert zu haben. Die Senatsbehörde für Stadtentwicklung sagt, aus Kostengründen zurückgestellte Arbeiten würden noch geprüft. So dürfte das Haus auch 2008 nicht fertig werden.

Das Landgericht, das Amtsgericht Mitte und das Anwaltsgericht bleiben auf nicht absehbare Zeit Baustelle. Störl spricht hoffnungsvoll von „Endphase“. Das denkmalgeschützte Haus sei ihm im Lauf der Zeit zur Heimat geworden. Saniert wurde es bei laufendem Betrieb. Es gilt als einer der schönsten Berliner Jugendstilbauten.

Das Projekt habe mehrmals Haushaltssperren überwinden müssen, er sei oft gefragt worden, warum es so lange dauere. „Wir haben immer am Tropf gehangen“, sagt er und erinnert daran, dass ursprünglich das Gebäude mit seinen über 1500 Räumen und Sälen schon nach drei Jahren – also etwa 1995 – fertig sein sollte.

Dann hätten sich bei genauerer Prüfung immer mehr Schäden gezeigt, das marode Bauwerk habe neue Sanitär-, Heizungs- und Lüftungsanlagen erhalten. Störl baute Dächer aus. Die Baubehörde versichert, die Arbeiten seien im wesentlichen fertig. In den ersten beiden Bauabschnitten seit 1992 bis 2003 seien 38 Millionen Euro, im dritten bis heute 28 Millionen Euro verbaut worden.

Das vor über 100 Jahren eröffnete, von Baurat Otto Schmalz entworfene Justizgebäude war nach dem Schloss der zweitgrößte Bau der Stadt. Nach Kriegszerstörungen wurde er nur mit einfachen Mitteln wiederhergestellt. Ein mit Barocktürmen und großer Halle versehender Gebäudeteil wurde von den Ost-Berliner Behörden für die Verbreiterung der Grunerstraße abgerissen.

Aber der Ost-Berliner Denkmalschutz hielt ein Auge aufs Haus: Er ließ zwar zu, dass Ritter-Darstellungen an den Säulen übertüncht wurden, letztlich aber doch nicht verloren gingen. Störl legte sie bei seinen Arbeiten frei. Er entwarf auch neue Leuchten – und abgestimmt mit dem Denkmalschutz – die neuen seitlichen, noch unfertigen Türme. Von den historischen waren nur Stümpfe übrig.

Das Gebäude wirkt mit seiner großen Halle fast wie eine Filmkulisse. Auch die Berlinale feierte hier schon. Ein monumentaler Raum voller gotischer und barocker Elemente. Mit einem Sterngewölbe, von einem hohen Pfeilersystem getragene Treppen, die weiträumig „schwingen“. Nicht alle Schmalz’schen Details hätten wegen der Größe des Baus und der Kosten bis ins Letzte restauriert werden können, sagt der Architekt, der unter anderem beim Wiederaufbau der eingestürzten Kongresshalle beteiligt war.

Als er hier im Haus ein Büro bezog, arbeiteten noch Stasi-Leute um ihn herum, die ihm zuflüsterten, in seinemBüro habe einst die „Rote Hilde“ residiert, die berüchtigte DDR-Justizministerin Hilde Benjamin. Hier hielten auch Russen und die DDR-Volksarmee Gericht, neben den normalen Gerichten. Alle untereinander waren mit Gittern scharf getrennt.

Nun ist die sakrale Pracht dieses Baus voll zum Vorschein gekommen. Sind erst die Flecken an der schönen Hallenkuppel entfernt und die Türmchen komplett, wäre das Haus wirklich fertig.

Traurig findet er es, wenn Anwälte und Klienten im Gespräch über Termine und Vergleiche achtlos an der Pracht vorbeilaufen, auch an der restaurierten Büste des Namensgebers Hans Litten, an den auch die erneuerte Sandsteintafel am Haupteingang erinnert: dem „unerschrockenen Kämpfer für Menschlichkeit und Frieden, Anwalt und Verteidiger der Unterdrückten, ermordet 1938 im KZ-Lager Dachau“. 

Christian van Lessen

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