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That's Entertainment: Paul Kuhn hat deutsche Unterhaltungsgeschichte geschrieben.

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Paul Kuhn wird 85: Ganz schön lässig

Paul Kuhn war Chef der SFB-Bigband, fand kein Bier auf Hawaii und seine Muskeln trainiert er täglich – „am Klavier“. Heute wird er 85. Wie es ihm geht? Rufen wir ihn doch mal an.

Paul Kuhn hat Geburtstag. Am 12. März. Der 85. ist es. Zeit, mal wieder die alten Geschichten zu erzählen. Die, wie der in Wiesbaden geborene Sohn eines Croupiers schon 1936 auf der Berliner Funkausstellung als achtjähriges Wunderkind am Akkordeon im versuchsweise betriebenen Fernsehen spielt. Die, wie er danach Klavier und Klarinette lernt und als Hitlerjunge den Jazz entdeckt. Die, wie er nach dem Krieg als Pianist in Army- Clubs spielt und als einziger deutscher Musiker eine Festanstellung beim amerikanischen Soldatensender AFN bekommt.

Die, wie er in den 50ern und 60ern durch Schlager wie „Es gibt kein Bier auf Hawaii“ und Fernsehshows wie „Hallo Paulchen“ populär wird. Die, wie er in Berlin ab 1968 zwölf Jahre lang die legendäre SFB-Bigband leitet. Die, wie er sich in den 90ern mit seinem Trio wieder dem Jazz verschreibt und ab 2000 regelmäßig mit seinen Bandleader-Kollegen Hugo Strasser und Max Greger tourt. Die, wie er 2008 mit Mario Barth den alten Harald-Juhnke-Titel „Mensch Berlin“ neu aufnimmt. Die, wie er 2011 im Kinofilm „Schenk mir dein Herz“ mit Peter Lohmeyer spielt. Und natürlich die von den zwei Scheidungen, Gesundheitskrisen, dem Steuertrouble und dem ganzen Musikantenleben dazwischen. Hiermit geschehen.

Wie Paul Kuhn feiert? Natürlich wie er lebt und immer gelebt hat. Indem er Musik macht. Er geht auf Tour. In der Besetzung, die er bereits anlässlich des 80. Geburtstags erfolgreich erprobt hat: mit seinem Trio, dem Filmorchester Babelsberg, vielen befreundeten Instrumentalsolisten und der italienischen Jazzsängerin Roberta Gambarini. In Berlin gastiert er an zwei Abenden hintereinander an seiner alten Wirkungsstätte als Bandleader, im Großen Sendesaal des RBB. Und ein neues Album hat er in Los Angeles aufgenommen. „The L.A. Session“ heißt es. Entstanden an magischem Orte – in den Capitol Studios, wo Frank Sinatra einst ins selbe Mikro wie jetzt Paul Kuhn sang. Zwei Eigenkompositionen und zwölf Standards, schwerelos dahingejammt. Für ihn habe sich an diesem Ort ein Traum erfüllt, sagt Paul Kuhn.

Als „Swinglegende“ mit den Bandleader-Kollegen Max Greger und Hugo Strasser.
Als „Swinglegende“ mit den Bandleader-Kollegen Max Greger und Hugo Strasser.

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Und was sagt er sonst so? Anruf in Lenzerheide, Kanton Graubünden, Schweiz. Gattin Ute Mann, früher Sängerin, ist dran, dann Paul Kuhn selber. Sein Gesicht mag knautschig sein, die Stimme ist es nicht. Ein bisschen Schnee habe es noch, sagt er. Lenzerheide liegt 17 Kilometer von Chur entfernt auf 1500 Höhenmetern. Die Wohnung dort hat er schon seit den Siebzigern und seit 20 Jahren ist er offiziell Schweizer. Trotzdem denkt alle Welt immer noch, er sei Berliner. Natürlich sei die Zeit als Bandleader beim SFB ganz wichtig für ihn gewesen, sagt Paul Kuhn und amüsiert sich. „Aber immer wieder kommen Leute auf mich zu und fragen: ,Na, was macht Berlin?‘ Ich sage dann immer: Keine Ahnung, ich bin seit 1980 weg.“

Am Klavier hat er heute noch nicht gesessen, kommt aber noch. Täglich. Die Muskeln trainieren, den Standard halten. Geliebte Pflicht. „Ich spiele, solange ich denken kann, und dafür ist es gar nicht mal so gut. Eigentlich müsste ich der zweite Lang Lang sein.“ Wieder dieses leise Lakonikerlachen. Aber dafür seien andere mit 85 Greise, sagt Kuhn. „Ich nicht, auch wenn andere das vielleicht anders sehen. Die Musik hilft dagegen.“ Tatsächlich hat weder sein Klavierspiel noch der Gesang auf dem mit dem Schlagzeuger und Kontrabassisten von Diane Krall eingespielten Album einen Altherrenappeal.

Was auffällt, sind eher Tempo und Pointiertheit der Tracks. Nummern wie „Just in time“ oder „On a clear day“ kommen ohne jede überflüssige improvisatorische Arabeske aus. Absicht, sagt Paul Kuhn. Weniger sei mehr, auch musikalisch. Und überhaupt: „Virtuosität ist nicht so wichtig, ich mache jetzt weniger als früher. Ich brauche Musik, die gefühlvoll gespielt wird.“ Ein guter Musiker sei sparsam in seinen Mitteln. Das begreife man erst mit der Zeit. Wieder sein leises Lachen. „Als junger Musiker spielt man das Blaue vom Himmel herunter und will damit eigentlich nur zeigen, wie toll man geübt hat. Habe ich früher auch so gemacht. Heute sagt mir diese Art Musik zu machen nichts mehr.“ Mit 85 ist er hin, der Wunsch zu renommieren. Wenn Finger und Herz geschmeidig bleiben, kann Altwerden ganz schön lässig machen.

Alben: „The L.A. Session“ und eine Geburtstagsbox „Paul Kuhn Swing 85“ erscheinen am 12. März; Konzerte: 15. und 16. März., jeweils 20 Uhr, Großer Sendesaal des RBB, ab 45,50 Euro

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