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Garantiert mit Gasometer. „Craft Beer“ ist in den USA sehr beliebt. Für Greg Koch, Chef von „Stone Brewing“, aber auch als Gabelstaplerfahrer ein Könner, schließt sich mit dem Gang nach Deutschland ein Kreis. „Einst haben die Deutschen uns das Brauen gelehrt“, sagt er, „jetzt können sie von uns lernen, individuelle Biere zu produzieren."

© Anke Myrrhe

Stone Brewing baut Brauerei: Amerikanisches Craft Beer bald in Berlin

Die amerikanische Kultbrauerei "Stone Brewing" will den europäischen Markt erobern – von Berlin aus. Im ehemaligen Gaswerk Mariendorf soll ein riesiger Komplex mit Restaurants und Biergärten entstehen.

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Ziemlich mysteriös, was uns da in Haus flatterte: eine Einladung zu einem „Announcement-Event“, was man in etwa mit Ankündigungsveranstaltung übersetzen könnte. Die Ankündigung einer Ankündigung also. An noch geheimem Ort, an dem ein noch geheimer Plan vorgestellt werden soll, der „die Berliner Brauszene und Wirtschaft nachhaltig verändern wird“. Dazu die dringliche Bitte, mit niemandem darüber zu reden. Und gleich hinterher eine vierseitige Verschwiegenheitserklärung in feinstem Juristenenglisch. Aber was wollte uns die Mitteilung eigentlich nicht mitteilen?

Endlich, am Sonnabend um 19.30 Uhr, erzählt Greg Koch, was er hier vorhat. Hier, in Mariendorf. Die Haare schulterlang, fast ebenso lang sein Bart, der leicht ins Graue geht. In der Hand natürlich ein Bierglas. Er sieht so aus wie jemand, der in einer Garage Bier braut, ein bisschen stimmt das ja auch. Nur dass seine Garage inzwischen die zehntgrößte Craft-Brauerei Amerikas ist. Denn Greg Koch ist der Chef von Stone Brewing, einer Kultbrauerei aus San Diego, die in der Lankwitzer Straße, im ehemaligen Gaswerk Mariendorf, ihren ersten Produktions- und Repräsentationsstandort in Europa bauen wird. Bis 2016 soll ein Komplex aus Brauerei, Restaurant, Merchandisingshops und Biergarten entstehen. 25 Millionen Dollar wollen die US-Brauer investieren, um von Mariendorf Europas Markt zu erobern.

Gewohnt gestenreich, witzig und amerikanisch-eloquent sprach der Mitbegründer von Stone Brewing von einem Aufbruch, der „mutige, ausdrucksstarke Biere in das Land bringen wird, dessen Brautradition tief in seiner Geschichte verwurzelt ist“. Ausgelacht habe man ihn, als er erzählte, er wolle sein „Smoked Porter“, sein „Cali-Belgique“ und sein „Arrogant Bastard Ale“ nach Deutschland bringen. „Bier?“, hätten sie gesagt. „Nach Deutschland? Aber du bist doch Amerikaner!“

Greg Koch ließ sich nicht beirren. In seiner als Rock’n’Roll-Show inszenierten Verkündung vor dem Backsteingebäude von 1901 sprach er von der „Craft-Beer-Revolution“, die jetzt auch Deutschland erreiche. Zur Illustration ließ er einen Felsbrocken auf eine Palette mit den in Deutschland handelsüblichen Biersorten fallen ließ. Den Gabelstapler lenkte er selbst.

Es ist eine Revolution, die begann, als der Biermarkt in den USA von wenigen Brauereien beherrscht wurde, die geschmacksnivelliertes Dünnbier produzierten. Bis kleine unabhängige „Garage-Breweries“ mit teilweise bis an die Schmerzgrenze gehopften Bieren den Markt eroberten. Damit schließt sich ein Kreis, sagte Greg Koch, dass die Deutschen einst die Amerikaner das Brauen lehrten und nun von ihnen lernen könnten, individuelle Biere jenseits des Massengeschmacks zu produzieren.

Was Stone Brewing in Mariendorf plant, könnte tatsächlich Impulse für die Berliner Brauszene, die Berliner Wirtschaft wie auch für Mariendorf selbst geben. Bezirksbürgermeisterin Angelika Schöttler (SPD) war sichtlich stolz auf ihren Coup. „Ein denkwürdiger Tag für Tempelhof-Schöneberg“, sagte sie. Seit 2011 habe man verhandelt, es sei noch etwas unwirklich. „Es kommt jetzt wirklich auf uns zu, wir haben demnächst eine Brauerei in unserem Bezirk.“ Beschwingt schlug sie vor, die Brauerei könne doch eine Berliner Linie einführen, zum Beispiel „Spree-Bastard“ – und hatte die Lacher der anwesenden lokalen Brauer auf ihrer Seite.

Das Gelände des Gaswerks liegt seit der Stilllegung 1996 brach. Wenn Stone Brewing 2016 von hier aus Europa beliefern will, bedeutet das nicht nur Arbeitsplätze für Brauer und Logistikunternehmen, auch die Berliner Gastro- und Kreativbranche wird von den Marketing- und Eventetats profitieren. Die heimische Brauszene braucht die Konkurrenz nicht zu fürchten: Stone Brewing bringt Schwung in den deutschen Biermarkt. Waren Craft-Biere bislang ein weitgehend auf Berlin beschränktes Nischenphänomen, öffnet die Marketingmaschinerie einer der weltweit größten unabhängigen Brauereien die Tür zu neuen Konsumentengruppen.

Und so ganz unrecht hat Greg Koch auch nicht, wenn er behauptet, dass deutsche Brauer von den US-Kollegen noch lernen könnten: In Sachen innovative Brautechniken und dem Mut zu Experimenten sind uns die Amerikaner gut 20 Jahre voraus. Ob sich aber Mariendorf zu einem neuen Mekka für Foodies und Hipster entwickeln wird, bleibt fraglich. Als neues touristisches Highlight und Ausflugsziel trinkfreudiger Berliner taugt diese ultracoole Version des Münchner Hofbräuhauses allemal. Aber all das ist natürlich noch geheim. Behandeln Sie diese Information streng vertraulich...

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