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Die Mitglieder der Crew "Berlin Kids" haben keine Angst vor großen Höhen.

© Good Guy Boris / promo

Street Art: Über Freaks: der neue Film zu den Berlin Kidz

Berlin wunderte sich über das Fahrrad hoch oben am Molecule Man. Dahinter stecken die Berlin Kidz. Nun gibt es einen Film über die Street Art Crew.

Silbern ragt er an der Friedrichshainer Elsenbrücke aus der Spree, Löcher zieren seinen 30 Meter hohen Körper und im vergangenen August sogar kurzzeitig ein Fahrrad. Die Berliner rätselten: Wo kam es her und wer hatte es so weit oben angebracht? Bald war klar, dass die Berlin Kidz dahinter steckten, eine Gruppe von Street Artists. Offenbar kamen sie mit einem Boot über das Wasser zur Skulptur, kletterten gut 20 Meter hoch und schlossen das Fahrrad diebstahlsicher an.

Es ist die bislang wohl aufsehenerregendste Aktion der Berlin Kidz gewesen. In puncto Waghalsigkeit sticht sie aber nicht aus dem Repertoire heraus: Es gibt da etwa dieses Youtube-Video, das die Gruppe beim S-Bahn-Surfen zeigt. Schon öfter sind gerade jüngere Menschen dabei ums Leben gekommen. Für die Berlin Kidz ist es ein großer Spaß: Während der Fahrt auf dem Waggondach packten sie einen Picknickkorb aus und stießen mit Wein an. Wenn sie nicht gerade mit der Bahn unterwegs sind oder ihre Fahrräder in großer Höhe abstellen, seilen sie sich gern am Hauswänden herab, um ihre Graffiti an weithin sichtbaren Fassaden zu platzieren. Das zeigt auch ein erster, selbstbetitelter Film aus dem Jahr 2013.

Liebe Kunst, hasse Drogen

Die einen sind beeindruckt von ihrem Mut und bewundern die Straßenkunst an den meist schwer zugänglichen Stellen, ihre Statements wie "Frieden" und "Liebe Kunst, hasse Drogen". Für die anderen ist es lebensgefährlicher Wahnsinn oder einfach nur Schmiererei, etwa das großflächige Graffiti auf dem Turm der Kreuzberger Sankt-Bonifatius-Kirche.

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2013 wurde ein junger Bulgare auf die Gruppe aufmerksam. Unter dem Pseudonym Good Guy Boris sprüht der 28-Jährige Graffitis, veröffentlicht Bücher über seine Arbeit, fotografiert und dreht Dokumentarfilme. Damals kam er nach Berlin, um in der Urban Spree Galerie an der Warschauer Brücke auszustellen.

Einblick in die Welt der Street Art

Das Motto seiner Arbeit? "Make the Graffiti great again. Es gibt Leute, die nur schmieren, aber auch solche, die eine positive Nachricht verbreiten möchten", sagt Boris. Zu illegalen Aktionen will er nicht aufrufen, betont er. Aber einen Einblick in die Welt der Sprayer geben. Für ihn heißt Graffiti vor allem Freiheit. "Man macht es, um sich öffentlich auszudrücken und nicht für Geld, genau so wie die Berlin Kidz."

Good Guy Boris.
Good Guy Boris.

© Privat

Sein neuer Film "Über Freaks" zeigt einen Einblick in das Leben zweier Crewmitglieder. Boris begleitete sie drei Tage mit seiner Kamera. "Jeder kann die Spraykunst sehen. Aber die Kultur, die dahinter steckt, verstehen meist nur die, die mitmachen." Der Film zeigt etwa, dass die Berlin Kidz für ihre Graffitis einbrechen, sich also strafbar machen. Good Guy Boris sieht das relativ. "Mit Drogen und Gewalt haben sie nichts zu tun."

Andere Szenen zeigen die jungen Berliner beim U-Bahn-Surfen und beim Klettern über den Dächern. Auf Musik hat Good Guy Boris verzichtet, um das Extreme realer wirken lassen. In einer Szene sieht man, wie sich die Männer mit einem Seil und Sicherheitsgurt von einem Dach herunterlassen, um zu sprayen. Boris fragt, wie sicher es ist. "Von eins bis zehn ... sieben", sagt einer der Berlin Kidz.

Auch für Good Guy Boris, der selbst schon Züge und Hauswände besprüht hat, war der Streifzug mit den Berlinern eine neue Erfahrung. Er habe das erste Mal einen flauen Magen gehabt. "Eigentlich wollte ich als Kameramann alles mitmachen. Doch vieles war mir dann doch zu heikel", erzählt er. "Im Film sieht man deshalb bestimmte Ausschnitte nicht oder nur vom Haus gegenüber." Er meint, dass die Berlin Kidz ausgesprochen gute Akrobaten sein müssen. In jedem Fall sind sie anonym und wollen es auch bleiben.

Das nächste Projekt steht schon fest

"Über Freaks" ist der Abschluss einer Kurzfilm- und Interviewreihe, an der Good Guy Boris mehrere Jahre gearbeitet hat. Im Sommer 2014 wurde er wegen seines Engagements in der Sprüherszene in Frankreich inhaftiert. "Ich wurde eingesperrt, für die Graffiti anderer, die ich auf meiner Webseite zeige. Vier Monate lang saß ich in einem Hochsicherheitsgefängnis mit Schwerverbrechern", sagt Boris. "Diese Zeit war ein Einschnitt."

Jetzt will er noch vorsichtiger sein, nicht mehr selbst als Sprüher in Videos auftreten, sondern vor allem die Aktionen anderer Sprayer dokumentieren und für Verständnis werben. So wie er jetzt bei den Berlin Kidz gemacht hat. Sein nächstes Projekt ist schon in der Produktion: Gerade erst hat er einen russischen Akrobaten mit der Kamera durch Paris begleitet – und die Sehenswürdigkeiten der französischen Hauptstadt dabei aus einer ganz anderen Perspektive kennengelernt.

Am 8. Februar ist der Film "Über Freaks" ab 20 Uhr auf www.thegrifters.org zu sehen. Im Anschluss steht Good Guy Boris auf seiner Facebook-Seite zu Fragen bereit. Dort wird er demnächst auch bekanntgeben, wann er den Film über die Berlin Kidz in Berlin präsentiert.

Lilith Grull

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