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Kampf ums Camp. Ob und wann die Zelte am Oranienplatz geräumt werden, ist weiterhin offen.

© dpa

Streit um Berliner Flüchtlingscamp: Oranienplatz wird vorerst nicht geräumt

Das umstrittene Flüchtlingscamp am Kreuzberger Oranienplatz wird vorerst nicht geräumt. Wie Senatskreise bestätigten, will die Landesregierung stattdessen einen weiteren Versuch unternehmen, mit den Bewohnern des Camps über einen freiwilligen Rückzug zu verhandeln.

An diesem Dienstag soll das Thema in der Sitzung des Senats besprochen werden. Ursprünglich hatte Innensenator Frank Henkel (CDU) mit einer Anweisung an das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg den Weg für eine baldige Räumung des Camps freimachen wollen. Dem verweigerten jedoch mehrere SPD-Senatsmitglieder ihre Zustimmung. Stattdessen soll Integrationssenatorin Dilek Kolat (SPD) zusammen mit der früheren Ausländerbeauftragten Barbara John (CDU) nach einer Verhandlungslösung suchen.

Verhandelt wurde bis zum Schluss – und so wie es aussieht, wird auch noch ein bisschen weiter verhandelt. Die Berliner Koalition war sich im Umgang mit dem Flüchtlingscamp am Oranienplatz bis zum Montagabend nicht einig. „Die Situation auf dem Oranienplatz ist Thema in der Senatssitzung“, sagte Bernhard Schodrowski, stellvertretender Senatssprecher.

Wowereit bevorzugt eine "Konsenlösung"

Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) kam am Montag aus dem Urlaub zurück und wird an diesem Dienstag zur Pressekonferenz erwartet. Eine Stellungnahme von ihm war am Montag nicht zu erhalten. Bisher hatte Wowereit signalisiert, dass er eine Konsenslösung bevorzuge. Das führt dem Vernehmen nach dazu, dass die von Innensenator Frank Henkel (CDU) favorisierte baldige Räumung vorerst vom Tisch ist . Wie am Montagabend aus Senatskreisen zu erfahren war, setzen Wowereit und die SPD-Senatoren darauf, das Problem doch noch durch Verhandlungen zu lösen. Eine politisch brisante polizeiliche Lösung will die Landesregierung vermeiden. Sollten die geplanten Verhandlungen von Senatorin Kolat und Barbara John mit den Vertretern des Camps zu keinem Ergebnis führen, so ist aus dem Senat zu hören, könnte Frank Henkels Räumungsplan immer noch zum Zuge kommen.

Per Senatsbeschluss sollte danach das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg im Rahmen der Bezirksaufsicht angewiesen werden, das Camp kurzfristig aufzulösen. Das dürfte dann aber später als am 18. Januar der Fall sein – dieser Termin war bisher als frühestmöglicher Räumungstermin angesehen worden.

„Wir machen die Zelte winterfest“

Hinter den Kulissen wurde am Montag zwischen den verschiedenen Senatsverwaltungen kontrovers debattiert. Zwischenzeitlich war sogar die Rede davon, einen Koalitionsausschuss zu dem brisanten Thema einzuberufen. Das wurde im Laufe des Tages wieder verworfen. Zunehmend mehrten sich jedoch die Zeichen, dass der Plan des Innensenators nicht umgesetzt wird. Die von Henkel eingebrachte Vorlage ist bisher noch nicht von SPD-Stadtentwicklungssenator Michael Müller unterzeichnet worden. Müller ist mitverantwortlich, weil die Innenverwaltung den Zeltbewohnern eine Verletzung des Grünflächengesetzes vorwirft. Aus dem Hause von Müller war am Montag zu hören, dass man es „merkwürdig“ finde, das Thema Flüchtlingspolitik über das Grünflächengesetz regeln zu wollen.

Das Verwaltungsgericht hatte im Eilverfahren vor Weihnachten der Klage eines Anwohners stattgegeben: Der Bezirk müsse das Ausmaß der Belästigungen durch das Camp prüfen. Bislang habe das Bezirksamt die Brandgefahr, die „Beeinträchtigung des Gemeingebrauchs der öffentlichen Grünanlage“ und die Belästigungen durch Lärm und Rauch „zu gering eingeschätzt“, urteilte die Kammer.

Die Koalitionsfraktionen hielten sich gestern mit Äußerungen zurück. „Der Innensenator verfolgt mit seiner Vorlage die Wiederherstellung der Rechtsordnung auf dem Oranienplatz. Dem Senat obliegt die Entscheidung“, sagte Michael Thiedemann, Sprecher der CDU-Fraktion. Seine SPD-Kollegin Claudia Stäuble erinnerte an die Position von Fraktionschef Raed Saleh, der „auf Gespräche setzt“.

Eher belustigt reagierten die Flüchtlinge auf Berichte, dass das Camp als eine Art Festung verbarrikadiert werde. „Wir machen die Zelte winterfest“, sagte ein Afrikaner am Montag und zeigte auf dünne Zeltplanen über sich. Schnee würden diese Planen sicher nicht aushalten. Holzplatten würden im Falle einer Räumung die Polizei keinesfalls in Schwierigkeiten bringen – im Gegensatz zu den angekündigten Protesten. Im Internet kursieren kämpferische Parolen wie: „Die Räumung zum Desaster machen“. Aufgerufen wird zu dezentralen Aktionen. „Das Aktionsgebiet muss unbedingt ausgeweitet werden“, heißt es in einem bei „linksunten.indymedia“ verbreiteten Aufruf, der von „Autonomen aus Berlin“ unterzeichnet ist.

Dass Räumfahrzeuge stärker sind als Holzplatten, wissen auch die linken Unterstützer: „Eine Verteidigung des Platzes über rein symbolische Aktionen hinaus wird nicht möglich sein“, heißt es weiter. Für „Aktionen“ besser geeignet seien deshalb der „Gräfekiez mit seinen engen Straßen“ sowie „Sonnenallee und Karl- Marx-Straße mit etlichen Banken und Handelsketten, sowie vielen kleinen Querstraßen und dunklen Plätzen, um sich zu sammeln“. Zudem wird bei Facebook aus Solidarität mit den Flüchtlingen zu einem Schülerstreik am 17. Januar aufgerufen. Der Aufruf hat bislang jedoch nur 349 „Gefällt mir“-Klicks gesammelt.

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