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So hätte es wohl aussehen könnten. "Kreißsaal-TV" wird zwar nicht gesendet - wäre aber fast sehr teuer für Vivantes geworden.

© dpa

Streit um gefilmte Geburten: TV-Firma fordert Millionensumme von Vivantes

Der Senat hatte einen Drehstopp im Kreißsaal seiner Klinik angeordnet. Die Kosten für die geplatzte Baby-Sendung wird die Krankenhauskette tragen müssen.

Auf die Vivantes-Kliniken kommen nach dem Streit um eine Fernsehshow höhere Kosten zu als bislang angenommen. Wie berichtet, hatte die Leitung der landeseigenen Kliniken kürzlich beschlossen, die Dreharbeiten für eine umstrittene Geburten-Dokumentation zu beenden. Die Produktionsfirma Shine Germany aus München hatte zuvor mit Vivantes einen Vertrag abgeschlossen. „Wir machen gerade unsere Kostenaufstellung“, sagte Shine Germany-Chef Axel Kühn. Er bezifferte die Forderung auf einen „einstelligen Millionenbetrag“. Kenner rechnen mit Schadensersatzforderungen zwischen 1,2 und 2,1 Millionen Euro.

In Kreißsälen der Vivantes-Klinik in Friedrichshain waren 27 Kameras installiert, die gefilmten Szenen hatten wohl bereits für zwei bis drei Sendungen genügt. Vor drei Wochen hatte Gesundheitssenator Mario Czaja (CDU) den Dreh stoppen lassen. Er sehe die Rechte der Neugeborenen in Gefahr, teilte der Senator mit. Czaja gehört als Vertreter des Eigentümers, also des Senats, dem Vivantes-Aufsichtsrat an. Der Klinikvorstand unter Joachim Bovelet lenkte vergangene Woche ein und sagte die geplante Sendung ab. Eine Vivantes-Sprecherin teilte mit, man kläre nun die Modalitäten mit Shine Germany. Unwahrscheinlich ist aber, dass darüber schon an diesem Mittwoch im Aufsichtsrat gesprochen wird.

Die Schadensersatzforderung könne aber bald im Gesundheitsausschuss des Abgeordnetenhauses thematisiert werden, sagte Heiko Thomas von den Grünen. Der Drehstopp sei zwar richtig gewesen, Czaja hätte aber das Gespräch mit der TV-Firma und Vivantes suchen sollen, um einen Kompromiss zu finden. Womöglich, sagte Gesundheitsexperte Thomas, wären dann weniger Kosten entstanden. Nach Czajas Anordnung war zunächst Auftraggeber RTL aus dem Projekt ausgestiegen. Die Produktionsfirma hatte versucht, einen anderen Sender zu finden. In Senatskreisen wird davon ausgegangen, dass Vivantes allein die bis zu zwei Millionen Euro zahlen muss, auch wenn die Politik auf einen Ausstieg aus der Sendung gedrängt hat.

Bei Vivantes hatte man sich von der Show einen Werbeeffekt erhofft. Andere Krankenhäuser hätten mit Sendungen aus ihren OP-Sälen positive Erfahrungen gemacht, hieß es unter Mitarbeitern. So entstand in einem anderen Berliner Krankenhaus vor Jahren eine mehrstündige Fernsehreportage. Auch Klinikgeburten waren etwa in Großbritannien als TV-Format erfolgreich. Vereinzelt lobten Abgeordnete die Idee hinter der Baby-Sendung, Vivantes sei schließlich vom Senat angehalten, erfolgreich zu wirtschaften, was auch Marketing beinhalte. Seit Durchsetzung der sogenannten Fallpauschalen 2003 stehen die Kliniken unter stärkerem Kostendruck. Die Krankenkassen zahlen pauschal pro Diagnose, unabhängig davon, wie lange der Patient tatsächlich versorgt wurde. Dadurch würden Patienten oft zu früh entlassen, kritisieren Mediziner.

Vivantes hat Bovelet zufolge 2012 mit einem Plus von 6,75 Millionen Euro abgeschlossen. In den neun Krankenhäusern werden im Jahr 211 000 Patienten stationär behandelt. Bovelet wird den Konzern bald verlassen. Die Stimmung zwischen ihm und dem Senat hatte sich schon 2012 verschlechtert. Finanzsenator und Aufsichtsratsmitglied Ulrich Nußbaum (parteilos, für SPD) soll auf einen harten Sparkurs gedrängt haben. Aus Aufsichtsratskreisen hieß es, beim Streit um die Geburten-Show sei der Finanzsenator aber auffallend gelassen geblieben.

Ein Kommentar zum Thema lesen Sie hier: Mehr als Grundversorgung.

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