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Tabak und Alkohol: Kreuzberg-Friedrichshain verbannt Werbung für Alltagsdrogen

Der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg will seine Straßen säubern - von allen Werbeplakaten für Tabak und Alkohol. Dazu hat man ein berlinweit einmaliges Verbot beschlossen. Andere Bezirke und der Senat sollen folgen, um Jugendliche vor Exzessen zu schützen.

Die Blondine im grünen Minikleid nimmt einen kräftigen Schluck aus der Berliner Pilsner Flasche: „Friedrichshain ist spritzig“, steht darunter auf dem Plakat der Kindl-Schultheiss-Brauerei. Zur Zeit ist es vor allem auf Plakatwänden in Friedrichshain-Kreuzberg zu sehen. Doch dem Bezirksamt macht das keine gute Laune: Es hat beschlossen, solche Reklame für Alkohol und Tabak von den Straßen des Bezirks zu verbannen. An bezirkseigenen Gebäuden sowie auf den zahlreichen Plakattafeln an Gehwegen, auf Mittelstreifen und Grünflächen soll künftig ein Werbeverbot für „gesundheitsschädliche Genussmittel“ gelten. Zugleich will Friedrichshain-Kreuzberg auf die anderen Bezirke und den Senat einwirken, um das in Berlin bislang einmalige Verbot stadtweit auszudehnen. Anlass sind die ständigen Alkoholexzesse immer jüngerer Trinker.

„Wir können nicht über diese bedrohliche Entwicklung bei Kindern und Jugendlichen klagen und sie zugleich gnadenlos der Werbung ausliefern“, sagt Bezirksbürgermeister Franz Schulz (Grüne). Die gesundheitspolitischen Sprecher der rot-roten Koalition im Abgeordnetenhaus, Stefanie Winde (SPD) und Wolfgang Albers (Linkspartei) signalisierten gestern ihre Unterstützung. „Wir werden das auch vom Senat einfordern“, so Stefanie Winde. Im Auge haben sie dabei die großflächige Werbung an Wartehäuschen der BVG und dem sogenannten Stadtmobiliar der Wall AG. Diese Werbeflächen werden vertraglich von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung vergeben. Für Tabak gibt es seit 2007 ein EU-weites Werbeverbot in Zeitungen, Zeitschriften und im Internet, Alkoholreklame ist hingegen noch frei. Allerdings plant die EU auch hier Einschränkungen. Darauf will Friedrichshain-Kreuzberg aber nicht warten. Zumindest im eigenen Verantwortungsbreich soll es schneller gehen.

Zuständig sind die Bezirke für das öffentliche Straßenland und die meisten Grünanlagen, das bedeutet: Hier bestimmen sie, wer an welcher Stelle und wofür auf Plakattafeln werben darf – und sie kassieren auch dafür. Für die Plakatwände an der stark befahrenen Karl-Marx-Allee in Friedrichshain, wo ebenfalls fürs Pils geworben wird, erhält der Bezirk jeweils 30 000 Euro pro Jahr.

Einnahmeverluste fürchtet man im Rathaus durch die Werbeeinschränkung nicht. „Es gibt genug andere Bewerber.“ Doch das Bezirksamt muss sich gedulden, weil die meisten Verträge mit Werbefirmen erst in zwei Jahren auslaufen. Bei neuen Vertragsabschlüssen kann der Bezirk dann Verbotsklausel für Alkohol- und Tabakreklame einbauen. Gesundheitsstadtrat Knut Mildner-Spindler (Linke): „Wir werden kompromisslos sein.“

Im Rat der Bürgermeister hat Friedrichshain-Kreuzberg beantragt, dass auch andere Bezirke dem Vorbild folgen sollen. Im Juni will das Gremium darüber diskutieren. Außerdem appelliert Bezirksbürgermeister Schulz an den Senat, auch der Wall AG entsprechende Restriktionen aufzuerlegen. Aus Sicht der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung ist das zwar sinnvoll, „uns sind aber die Hände gebunden“, heißt es. Viele Verträge seien noch mehr als zehn Jahre unkündbar.

Diskutiert wird allerdings im Senat darüber, das Straßengesetz und die Bauordnung in Sachen Werbung zu verschärfen. Dann könnte man Tabak- und Alkoholreklame an privaten Hausfassaden untersagen. Dass ausgerechnet der Szenebezirk Friedrichshain-Kreuzberg diese Entwicklung anschiebt, ist für Bürgermeister Franz Schulz kein Widerspruch. „Die Leute werden bei uns auch weiter feiern.“

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