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50.000 Volt setzen den Gegner vorübergehend außer Kraft.

© Peter Endig/dpa

Taser: Polizei drängt auf Einsatz von Elektroschockern

Der Test der sogenannten Taser läuft seit neun Jahren. Beamte schossen bislang 14 Mal mit den Geräten. Die Polizei sieht in der Elektroschockpistole keine Auf-, sondern eine Abrüstung.

Die Polizei will Spezialeinsatzkommandos den Einsatz der Elektroschockpistole „Taser“ nach langen Tests erleichtern. „Eine Einstufung als Hilfsmittel wäre sachgerecht“, sagte Polizeipräsident Dieter Glietsch dem Tagesspiegel. Als „Hilfsmittel“ gelten Gummiknüppel oder Pfefferspray. Bislang ist der Taser rechtlich als Schusswaffe eingestuft – und darf deshalb nur als ultima ratio benutzt werden – und das auch nur vom Spezialeinsatzkommando.

Der Taser verschießt zwei winzige Pfeile, die durch sechs Meter lange Drähte mit der Waffe verbunden sind. Darüber fließen dann für wenige Sekunden 50.000 Volt, die die getroffene Person bewegungsunfähig machen.

Seit neun Jahren werden die aus den USA stammenden Geräte getestet, sie sind in dieser Zeit nur 14 Mal eingesetzt worden. Die Polizei sieht in der Elektroschockpistole keine Auf-, sondern eine Abrüstung. Sie könne helfen, Täter unschädlich zu machen, auf die sonst mit scharfer Munition geschossen werden müsste. Präsidium und Landeskriminalamt würden daher gern mehr Beamte ausrüsten. Doch die Senatsinnenverwaltung blockt ab. „Der Taser wird weiterhin im Probelauf eingesetzt“, teilte die Sprecherin von Senator Ehrhart Körting (SPD) mit. Dem Vernehmen nach scheut vor allem die SPD eine Diskussion über die Waffe, die in der Öffentlichkeit – nach angeblichen Todesfällen in den USA und Kanada – skeptisch gesehen wird. Außerdem sieht die Menschenrechtsorganisation Amnesty International die Gefahr, dass die Geräte, deren Einsatz starke Schmerzen verursacht, als Folterinstrumente eingesetzt werden. Befürchtet wird, dass Taser auch bei geringfügigen Vergehen abgefeuert oder benutzt werden können, um Verdächtige gefügig zu machen.

In Berlin ist nur die CDU für die Waffe, sie sei „ein effizientes Mittel, um Polizeibeamte zu schützen und Straftäter gefahrlos außer Gefecht zu setzen“. 2005 hatte die Innenministerkonferenz den Taser-Einsatz beim SEK zwar befürwortet, für die Nutzung im normalen Polizeidienst jedoch weitere Untersuchungen empfohlen. Taser-Befürworter argumentieren allerdings: Wenn die Waffe nur restriktiv eingesetzt werden darf, gewinnt man auch keine Erfahrungen.

Andere Bundesländer sind schneller als Berlin: Nach sieben Einsätzen in 20 Monaten hatte das bayerische Innenministerium 2009 mitgeteilt, dass sich der Taser „bewährt“ habe. Niedersachsen hat das Gerät schon vor Jahren rechtlich als Hilfsmittel eingestuft. Die Deutsche Polizeigewerkschaft in Nordrhein-Westfalen will Taser sogar für jede Funkstreife, damit Beamte auf der Straße etwas gegen Randalierer in der Hand haben. Denn es fehlt ein geeignetes Distanzmittel, das die Lücke zwischen Schlagstock oder Pfefferspray und der Schusswaffe schließt. Aus dem Ausland ist bekannt, dass das britische Innenministerium die Polizei in England und Wales mit den Elektroschockpistolen ausrüsten ließ.

Die vier Berliner Geräte sind in diesem Jahr erst ein Mal benutzt worden, im August in Tempelhof gegen einen Mann, der sich ein Messer in den Hals rammen wollte. Von den 14 Einsätzen seit 2001 waren ebenfalls elf gegen Selbstmörder, nur drei gegen Straftäter. Jeder Gebrauch wird dokumentiert. Denn der Hersteller hat Vorrichtungen zur Dokumentation abgegebener Schüsse in die Geräte eingebaut.

Schlagzeilen hatte die Waffe nur einmal gemacht – weil sie nicht gewirkt hatte. Im Februar 2005 war ein junger Mann aus dem Fenster gestürzt und gestorben, obwohl ein SEK-Beamter zuvor den Taser abgedrückt hatte. Doch die Metallpfeile hatten die Lederjacke des Selbstmörders nicht durchdrungen.

Im Polizeipräsidium wird gerne ein Satz des früheren SEK-Chefs Martin Textor kolportiert: „Ein Schlag mit dem Gummiknüppel ist weitaus gefährlicher.“ Textor hatte bereits 2004 mehr Taser für seine Leute gefordert – und war bei Körting abgeblitzt. Jörn Hasselmann

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