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Heimat auf Zeit. So sieht es in den zwei in Moabit errichteten Wärmelufthallen aus, in denen jetzt bis zu 300 Flüchtlinge vorübergehend untergebracht werden sollen. Betrieben werden sie von der Stadtmission in Zusammenarbeit mit dem Landesamt für Gesundheit und Soziales. Foto: Paul Zinken/dpa

© dpa

Tausende Menschen suchen Asyl: So wird Flüchtlingen in Berlin geholfen

Die wachsende Zahl von Hilfsbedürftigen, die nach Berlin kommen, stellt Verwaltung und Bürger vor große Herausforderungen. Hier einige der wichtigsten Fragen – und erste Antworten.

Erst Traglufthallen, dann Privatwohnungen und schließlich das ICC: An Vorschlägen, wie und wo Flüchtlinge untergebracht werden könnte, herrscht kein Mangel. Aber werden diese Ideen auch umgesetzt? Wir haben die wichtigsten Fragen zu dem Thema zusammengetragen.

Wer kommt eigentlich zu uns?

Die meisten Flüchtlinge, die in Berlin Asyl suchen, kommen derzeit aus dem vom Bürgerkrieg geplagten Syrien. Nach Angaben der Senatsverwaltung für Soziales waren dies in den ersten zehn Monaten des Jahres 2022 Menschen. 1554 kamen aus Serbien, 1114 aus Bosnien und Herzegowina. Je rund 400 Asylbewerber kamen aus Vietnam und den Palästinensischen Autonomiegebieten, je rund 300 aus Afghanistan, Pakistan und der Türkei. Aus Ägypten und Eritrea kamen je rund 200.

Gilt der Aufnahmestopp noch?

Masern und Windpocken sind unter den Flüchtlingen aufgetreten. Damit sich keine weiteren Neuberliner aus Krisenregionen anstecken, hatte das Land Berlin wie berichtet die Aufnahme weiterer Flüchtlinge gestoppt. Laut Landesamt für Gesundheit und Soziales (Lageso) war die ansteckende Krankheit in sieben Flüchtlingsunterkünften ausgebrochen, vier davon sind „Erstaufnahmeeinrichtungen“. Am Montag konnte in zwei Einrichtungen wieder Entwarnung gegeben werden, am Mittwoch soll eine dritte hinzukommen. Dann will das Land auch wieder weitere Flüchtlinge aufnehmen. Von allen nach Deutschland flüchtenden Asylsuchenden muss Berlin fünf Prozent aufnehmen. Diese Quote hat das Land bereits übertroffen: Von Januar bis Oktober haben sich hier 15316 Flüchtlinge gemeldet, rund acht Prozent der in dem Zeitraum nach Deutschland gereisten 175 000 Schutzbedürftigen.

Wo kommen die Flüchtlinge unter?

Neben den inzwischen weitgehend vollen Heimen werden zunehmend provisorische Notunterkünfte für die vorübergehende Unterbringung errichtet. Dazu gehört neuerdings auch ein leer stehendes Bettengebäude des St.-Hedwig-Krankenhauses in Mitte. Das Bezirksamt und der kirchliche Krankenhausbetreiber Alexianer stellen das Bettenhaus an der Großen Hamburger Straße als Unterkunft für bis zu 100 Asylbewerber zur Verfügung, wie der Bezirk am Montag mitteilte. Das Gebäude an der Großen Hamburger Straße liegt im Ausgehviertel zwischen Auguststraße und Oranienburger Straße, nur wenige Meter vom Hackeschen Markt entfernt. Der Caritasverband hat sich bereit erklärt, den Betrieb der Einrichtung zu übernehmen. Das Haus soll ab dem 8. Dezember als Flüchtlingsheim betrieben werden, vorerst bis Ende Juni kommenden Jahres. Danach will der Caritasverband für das Erzbistum Berlin ein zusätzliches dauerhaftes Flüchtlingsheim zur Verfügung stellen.

Heim für Flüchtlinge. Das St. Hedwigs-Krankenhaus stellt ein ungenutztes Bettenhaus für Flüchtlinge zur Verfügung.
Heim für Flüchtlinge. Das St. Hedwigs-Krankenhaus stellt ein ungenutztes Bettenhaus für Flüchtlinge zur Verfügung.

© Imago

Wo entstehen Containerdörfer?

Erst am Wochenende hatte der ehemalige Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen dafür im Tagesspiegel plädiert, „kleine, dezentrale Einrichtungen auch in der Innenstadt“ für Flüchtlinge zu suchen. Diepgen hatte auch das Tempelhofer Feld und selbst das ICC ins Spiel gebracht. Wie berichtet, will die Sozialverwaltung bis April kommenden Jahres Containerdörfer an sechs Standorten aufstellen, um 2220 Flüchtlinge und 200 Obdachlose unterzubringen. Zwei der Dörfer mit jeweils etwa 400 Plätzen sind in Steglitz-Zehlendorf geplant, die anderen vier im Ostteil der Stadt. Mittelfristig strebt der Senat den Aufbau von Flüchtlingsunterkünften an, die mit dem jeweiligen Kiez und dem städtischen Leben vernetzt werden. Dazu gründete die Landesregierung eine ressortübergreifende Arbeitsgruppe, die bis Ende März 2015 Standards definieren will. Durch die Einbindung aller Fachressorts will der Senat auch die Kosten gerecht verteilen. Außerdem wurde ein Beirat unter Leitung von Diepgen gegründet, der den „Nöten, Sorgen und Ängsten der Bürger“ eine Stimme geben soll, wie Sozialstaatssekretär Dirk Gerstle (CDU) sagt.

Was sind die Streitpunkte?

Weil es an Unterkünften fehlt, reicht das Landesamt für Soziales „Hostelgutscheine“ aus. Doch sowohl bei der Verteilung als auch bei der Abrechnung führt das zu Problemen: So musste das Lageso einen Hostelbetreiber von weiteren Aufträgen ausschließen, weil dieser mindestens einen Flüchtling in einer Wohnung unterbrachte und dafür den Hostelgutschein abrechnete. Außerdem sollen nach Angaben von Abgeordneten bis zu 20 Flüchtlinge „in die Obdachlosigkeit“ geschickt worden sein, statt diesen Hostel-Gutscheine anzubieten. Das Lageso prüft die Vorwürfe. Dem Behördenchef zufolge bekommt jeder Flüchtling einen Platz in einer Unterkunft. Hostelgutscheine und die nun neu errichteten Traglufthallen dienten nur dazu, Engpässe zu überbrücken. Fehler oder Missverständnisse seien aber nicht auszuschließen.

Was macht der Sozialsenator?

Kraft- und konzeptloses Krisenmanagement wurde dem Sozialsenator Mario Czaja (CDU) unterstellt. Unglücklich handelte Czaja, indem er sich bedingungslos hinter Lageso-Chef Franz Allert stellte in der Affäre um dessen Patenkind, das Flüchtlingsunterkünfte für das Lageso betreibt. Wegen irreführender Äußerungen über die vermeintliche Einbindung des Rechnungshofes in die Aufklärung des Vorwurfs der Vetternwirtschaft geriet Czaja selbst in die Kritik. Zumal er die Aufklärung der Vorwürfe gegen den Lageso-Chef der Lageso-eigenen Revision überließ. Erst nach massiver Kritik schaltete er externe Unternehmensprüfer ein. Den ersten Bericht aus der Feder des Lageso selbst will die Sozialverwaltung kommende Woche dem Abgeordnetenhaus vorlegen, so Staatssekretär Gerstle.

Werden die Einrichtungen geprüft?

Schon, doch fehlt es dem Lageso an Personal. Außerdem kündigt das Amt die Besuche oft an, weshalb Nachbarschaftseinrichtungen behaupten, die Betreiber könnten dann noch schnell die schlimmsten Missstände kurzzeitig abstellen. Lageso-Chef Allert sprach im Parlament am Montag von „50 Kontrollen in diesem Jahr“, jede Einrichtung prüfe das Landesamt ein Mal im Jahr. Ab 2015 sollen die Einrichtungen zwei Mal jährlich Besuche bekommen. „So lange wir personell nicht ausgestattet sind, ist die Kontrollmöglichkeit aber nicht gegeben“, so Allert.

Wie werden die Anwohner beteiligt?

Das unterscheidet sich von Fall zu Fall und hängt letztlich an den Bezirken, die wiederum darüber klagen, vom Land zu spät informiert zu werden und nicht über Standorte mitentscheiden zu dürfen – siehe den Bericht aus Köpenick unten.

Sein Job sind die Flüchlinge: Sozialsenator Mario Czaja (CDU)
Sein Job sind die Flüchlinge: Sozialsenator Mario Czaja (CDU)

© dpa

Welche privaten Angebote gibt es?

Vor drei Wochen hatte der Senat Privatleute aufgerufen, freie Wohnungen für Flüchtlinge anzubieten. Angeboten wurden bislang 66 Wohnungen, vier Häuser und 23 WG-Zimmer, wie das Evangelische Jugend- und Fürsorgewerk (EJF) mitteilt, das die Vermittlung organisiert. Für rund 20 Wohnungen laufen derzeit die Vorbereitungen, um Flüchtlinge, Ämter und Vermieter zusammenzubringen. Weitere Angebote können unter der Telefonnummer (0800) 96 46 78 243 sowie per E-Mail gemeldet werden: wohnraum-fuer-fluechtlinge@ejf.de.

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