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Sieht dieses Tier etwa glücklich aus? Eben.

© Ronald Wittek/p-a

Tierhaltung: Lasst die Wohnungskatzen frei!

Wer ein Raubtier in eine Mietskaserne sperrt, ist ein Unmensch, findet unser Autor. Dass Katzen auch drinnen schnurren, hat nichts zu bedeuten - sie gehören nach draußen. Ein Rant zum Weltkatzentag.

Sie sind überall in Berlin: Wohnungskatzen. Kleine, große, schwarze, weiße, flauschige, glatte. Quer durch alle Stadtbezirke leisten sie ihren Frauchen und Herrchen als pelzige Mitbewohner Gesellschaft. Und das ist nicht gut, sondern schlecht.

Warum? Auf den ersten Blick scheinen die Berliner ihre Kätzchen doch innig zu lieben. Davon zeugen stundenlanges Streicheln, eine einseitige Kommunikation in Babysprache und reichlich Futter, manchmal gar selbst gekochtes. Doch das ist mitnichten Ausdruck von Tierliebe. Es ist der pure Egoismus.

Dabei war die Grundidee eigentlich keine schlechte. Die Zähmung der Katze geht auf die Ägypter zurück, die damit vor etwa 4000 Jahren begannen. Katzen waren nützlich im Kampf gegen Ungeziefer und Mäuse, obendrein galten sie als heilig. Auf die Tötung einer Katze konnte die Todesstrafe stehen.

Die Ägypter lebten allerdings nicht in Berliner Mietskasernen. Man darf davon ausgehen, dass ihre Katzen Freiläufer waren, anders als jene bedauernswerten Tiere im heutigen Berlin, die ihr ganzes Leben lang nur zwei Zimmer im dritten Obergeschoss des vierten Quergebäudes kennenlernen.

Man entreißt ein Raubtier der Wildnis und domestiziert es bis zur Unkenntlichkeit. Gibt ihm breiige Pampe zu fressen und sperrt es in ein viel zu kleines Kabuff. Zu allem Überfluss lässt man die armen Tiere auch noch kastrieren, oft bevor sie ein einziges Mal in den Genuss des Sexualaktes gekommen sind. Tierschutzorganisationen wie Peta haben dagegen übrigens nichts einzuwenden. Würde man mit Menschen so verfahren, Amnesty International wäre nicht weit.

Der Katze bleibt nur, auf dem Fensterbrett zu hocken, wehmütig in die Ferne zu gaffen und mit dem Unterkiefer zu zucken. Artgerecht sieht anders aus. Dafür hätte der Halter im alten Ägypten einen Klaps in den Nacken bekommen, wenn nicht Schlimmeres.

Besser drei Tage in Freiheit als neun Leben in Gefangenschaft

Experten sind geteilter Meinung zum Thema Wohnungshaltung. Überwiegend wird diese Unart für unbedenklich gehalten, solange die Katzen ausreichend Abwechslung und spielerische Beschäftigung bekommen. Mir egal – meine persönliche Erfahrung sagt mir etwas anderes.

Das Haus meiner Eltern hat einen großen Garten. Drei Katzen haben sich bereits dorthin verirrt, sie blieben freiwillig. Ins Haus liefen sie nur, um nachzusehen, ob es frisches Essen gibt, oder neue Ledermöbel, an denen sie ihre Krallen schärfen können. Danach ging es wieder hinaus in die Freiheit. Auf meine Eltern waren die Katzen nur mäßig fixiert. Man könnte sagen, es waren recht treulose Viecher. Ihr ursprüngliches Zuhause ließen sie hinter sich, um dort zu bleiben, wo es das bessere Futter und die schöneren Möbel gab. Genau das ist Freiheit.

„Aber ohne mich wäre das Tier gar nicht lebensfähig!“, entgegnen nun die Apologeten dieser fragwürdigen Praxis. So denkt auch Stephen Kings Romanfigur Misery, die ihrem Lieblingsschriftsteller erst die Beine bricht, um ihn dann liebevoll umsorgen zu können.

Man muss es klar sagen: Menschen, die Wohnungskatzen halten, versklaven Tiere zu ihrer persönlichen Belustigung. Auch das Argument „Aber meiner Katze geht es doch gut!“ lasse ich nicht durchgehen. Dass sie zu dir auf die Couch geschlichen kommt und ihren Kopf an deinem Arm reibt, bedeutet nur, dass du ihr einziger Sozialkontakt bist, die einzige Beschäftigung, die ihr bleibt. Ob es ihr gut geht, weißt du nicht. Tiere können sich den Menschen nicht mitteilen. Wie heißt es im Film „Life of Pi“ über den Tiger? „Wenn du ihm in die Augen schaust, siehst du nur deine eigenen Gefühle.“

Zugegeben: In den zwei Zimmern im dritten Obergeschoss des vierten Quergebäudes mag es der Katze immer noch besser gehen als in einem Tierheim. Aber eingesperrt bleibt eingesperrt. Noch besser, davon bin ich überzeugt, ginge es deiner Katze in der Freiheit. Lass sie endlich laufen!

Und wenn sie draußen sofort von einem Landrover überfahren wird? Dann ist das eben so. Leben bedeutet Risiko, und Risiko ist der Preis, den man für die Freiheit zahlt. Lieber drei Tage in Freiheit als neun Leben in Gefangenschaft.

Dieser Text erschien zunächst als Rant in unserer gedruckten Samstagsbeilage Mehr Berlin.

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