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Im Kiez rund um die "Weiße Siedlung" ist die Erschütterung groß, nachdem ein Mann erstochen wurde.

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Update

Tödliche Messerattacke auf 18-Jährigen: Vater von Opfer appelliert an die Jugendlichen

Der Vater des am Sonntag in Neukölln getöteten 18-Jährigen hat sich an dessen Freunde und andere Jugendliche gewandt. Von Racheplänen sollten sie Abstand nehmen.

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Der Vater von Jusef El-A, der bei einer Messerattacke am Sonntag in Neukölln getötet wurde, hat an die Freunde seines Sohnes und alle im Kiez appelliert, keine Rache zu üben und auf Gewalt zu verzichten. „Er ist am Mittwochabend auf eigenen Wunsch in den Jugendclub gekommen, weil er nicht möchte, dass noch mehr Blut fließt“, sagte Ralf Gilb, Leiter des Neuköllner Jugendprojekt Outreach, dem Tagesspiegel.

Die etwa 50 Jugendlichen seien davon sehr beeindruckt gewesen. „Nach der Freilassung des mutmaßlichen Messerstechers, der eventuell in Notwehr gehandelt hat, sind die Emotionen hochgekocht“, sagte Ralf Gilb. „Wir haben versucht zu erklären, warum eine Untersuchungshaft nicht in jedem Fall notwendig ist und dass die Freilassung nicht bedeutet, dass die Ermittlungen eingestellt werden.“ Trotz des Appells des Vaters entschied sich die Polizei dafür, den mutmaßliche Messerstecher Sven N. an einem „sicheren Ort“ zu bringen.

Der Mann ist im Kiez rund um die „Weiße Siedlung“ bekannt. Von vielen „Percy“ genannt, traf sich der 34-Jährige jeden Sonntag mit seinem Kumpel Oliver H., 39, auf dem Bolzplatz der Siedlung zum Kicken mit den Jugendlichen. „Alle von den Älteren hier kennen ihn und wissen, dass er gefährlich ist“, berichtet ein 23-Jähriger aus dem Viertel. „Die meisten wissen, dass es früher schon mal einen Vorfall gab, bei dem Percy zugestochen

hat“.

Dies deckt sich mit den Angaben eines Ermittlers. Details nennen die Behörden nicht. Wegen einer gefährlichen Körperverletzung im Jahr 2006 war der Mann zudem zu einer Bewährungsstrafe verurteilt worden. Anders als zuvor berichtet waren Sven N. und sein Freund Oliver H. nicht nur Zuschauer des Spiels, wo der Streit mit den Jugendlichen begann, sie standen selbst auf dem Fußballplatz.

Der Grund für die nachfolgende Schlägerei, die mit dem Tod von Jusef El-A. endete, war nach Aussagen mehrerer Zeugen banal: Ein Ball war über den Zaun geflogen. Ein älterer Mitspieler forderte mehrere Jungs auf, ihn wiederzubringen. Es kam zum Streit. Sven N. und Oliver H. mischten sich ein, wollten offenbar schlichten. Dabei bekam Sven N. einen Fausthieb ab, und es entwickelte sich eine Schlägerei, bei der Sven N. und Oliver H. „die Jungs richtig aufgemischt haben“, berichtet ein Zeuge.

Die unterlegenen Jugendlichen riefen per Handys ihre Cousins, die bewaffnet zum Bolzplatz eilten. Auch Sven N. soll laut Staatsanwaltschaft den Platz verlassen haben und kurz darauf zurückgekehrt sein. Zeugen berichten von einem Messer, das er dabei gehabt haben soll. Weil die Cousins um die Gefährlichkeit von Sven N. wissen, kam es nicht zur Eskalation. „Wenn der austickt, ist der total irre“, sagt ein Kiezbewohner. Eigentlich hätte der Konflikt damit beendet sein können – wäre nicht ein weiterer Jugendlicher so gekränkt gewesen, dass er abermals Kumpels herbeitelefonierte. Darunter war auch das spätere Opfer.

Die Jungen wussten, wo Oliver H. wohnte und bauten sich bewaffnet vor dessen Wohnung in der Fritzi-Massary-Straße auf. In seiner Angst rief Oliver H., der im Kiez eigentlich als besonnener Typ gilt, Sven N. und einen Kumpel zu Hilfe. Wieder rief keiner der Beteiligten die Polizei. Im anschließenden Tumult vor dem Haus stach Sven N. mit einem Küchenmesser laut Staatsanwaltschaft in Notwehr um sich.

Viele im Viertel glauben nicht an diese Version. Deshalb wollen sie am Montag am Hermannplatz gegen die Freilassung von Sven N. protestieren. „Wir versuchen alles dafür zu tun, dass die Beteiligten weiter miteinander reden“, sagt Neuköllns Migrationsbeauftragter Arnold Mengelkoch: „Das ist das einzige, was helfen kann.“ Jusef El-A. soll am heutigen Freitag auf einem islamischen Friedhof beerdigt werden.

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