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Berlin: Tödlicher Unfall: Zweijähriger strangulierte sich in der Kita

Der Tod des kleinen Jungen geschah vor den Augen seiner Spielkameraden und unbemerkt von den Erzieherinnen. Der zweieinhalbjährige Justin verunglückte am Freitag auf dem Spielplatz in seiner Kita.

Der Tod des kleinen Jungen geschah vor den Augen seiner Spielkameraden und unbemerkt von den Erzieherinnen. Der zweieinhalbjährige Justin verunglückte am Freitag auf dem Spielplatz in seiner Kita. Das Kind strangulierte sich beim Spielen auf der Rutsche mit der Kordel seiner Anorak-Kapuze. Jetzt ermittelt die Polizei. Sie prüft, ob die Aufsichtspflicht verletzt wurde.

Die strahlende Sonne und die milden Temperaturen hatte die Kinder der Kita in der Neheimer Straße gleich scharenweise ins Freie gelockt. 40 Jungen und Mädchen wuselten über das Freigelände, beaufsichtigt von fünf Erzieherinnen. Um 11 Uhr40 geschah das Unglück: Justin wollte die Kinderrutsche herunter. "Eine ganz normale, geprüfte Kinderrutsche", sagt der zuständige Jugendstadtrat von Reinickendorf, Peter Senftleben. Dann verfing sich die Kordel von Justins Anorak am Geländer. Als der Junge hinunterglitt, zog sich die Schlinge der Kapuze zu und wurde so zur tödlichen Falle.

Wie lange das Kind an dem Gerüst hing, kann der Jugendstadtrat nicht sagen. "Die Seitenbegrenzung der Rutsche hat den Erzieherinnen die Sicht versperrt", sagte er gestern dem Tagesspiegel. Erst als andere Kinder geschrien hätten, sei das Aufsichtspersonal aufmerksam geworden. "Eine Erzieherin versuchte noch, das Kind mit einer Mund-zu-Mund-Beamtmung wiederzubeleben."

Die sofort gerufene Feuerwehr und ein Notarzt hätten eine drei Viertel Stunde lang vergeblich um das Leben des Kindes gekämpft, sagte ein Polizeisprecher. Die 39-jährige Erzieherin, die die Erste Hilfe leistete, wurde mit einem Schock in ein Krankenhaus gebracht, ist aber mittlerweile wieder zu Hause.

Der Unfall hat für Bestürzung bei vielen Eltern gesorgt. "Wir haben das Vertrauen in die Erzieherinnen verloren", sagte eine Mutter mit Tränen in den Augen. Sie war am Nachmitag mit ihren zwei- und sechsjährigen Söhnen, die die Reinickendorfer Einrichtung besuchen, zu der Kindertagesstätte gekommen, um Blumen vor der Eingangstür niederzulegen. Sie überlege sich zusammen mit anderen Eltern, ob sie ihre Kinder weiterhin dorthin schicken wird. Mehrmals hätten sich die Eltern bei den Erzieherinnen beschwert, weil sie die Kinder unbeaufsichtigt gelassen hätten.

Jugendtadtrat Peter Senftleben will sich nicht zu diesen Vorwürfen äußern. "Es ist dafür noch zu früh, wir müssen erst das Ergebnis der polizeilichen Ermittlungen abwarten", sagte er auf Anfrage. Ihm seien bisher keine Beschwerden darüber bekannt, dass die Erzieherinnen in der Kita ihren Pflichten nicht nachkämen. "Und ich habe auch jetzt keinen Grund, von einer Verletzung der Aufsichtspflicht auszugehen."

Die Polizei ermittelt nun die genauen Umstände des Unglücks. Sie ermittelt, ob die Aufsichtspflicht tatsächlich verletzt wurde. Das sei in diesen Fällen normal, sagte ein Polizeisprecher. Die Ermittlungen richteten sich nicht gegen konkrete Personen.

Verzweifelte Mutter

Um die verzweifelte Mutter von Justin zu unterstützen, war der Jugendstadtrat mit einem Psychologen der Erziehungs- und Familienberatung des Bezirksamtes vor Ort. "Die anderen Kinder wurden sofort vom Unglücksort weggeholt und zeigen bisher auch keine Schockreaktionen", sagt Senftleben.

Gestern Nachmittag erinnerte auf den Spielplatz der von einem Maschendrahtzaun umzäumten Einrichtung beinahe nichts an das tragische Ereignis. Auch an dem Klettergerüst, das nahezu in jeder Kita und auf jedem Spielplatz in Berlin steht, gab es keinerlei Hinweise auf den Fall. Die Kindertagesstätte war bereits geschlossen, der Spielplatz war aufgeräumt. Die Unruhe auf dem Gelände der Hochhaushaussiedlung ließ jedoch schlimmes ahnen. Rund um den Zaun versammelten sich kleinere Gruppen und rätselten, "wie das nur passieren konnte." Der Vorfall sprach sich bis zum Nachmittag in der gesamten Siedlung im Süden des Bezirks Tegel herum. Während die Anwohner fassungslos auf den Spielplatz schauten, legten zur gleichen Zeit immer mehr Eltern zusammen mit ihren Kindern vor dem Eingang des zweistöckigen Flachbaus Blumen nieder und unterschrieben auf der Trauerkarte, die eine Mutter und ein Vater an die Wand geklebt haben. "Laura sagte: Papa Justin ist tot", erzählte der Vater eines zweijährigen Mädchens, die den Vorfall beoachtet hat. "Mal schauen, wie es ihr heute Nacht geht." Am Abend glich der Platz vor dem Eingang der Kita schließlich einer Trauerstätte.

Nach Auskunft von Kinderärzten ist ohne Autopsie nichts darüber sagen, wie lange es dauerte, bis der Tod eintrat. Das könne sehr schnell gegangen sein, ebenso aber auch einige Minuten gedauert haben.

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